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10. Oktober 2006: Befundbesprechung und Schicksalstag

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Heute um 10 Uhr findet die Besprechung der histologischen Untersuchung mit Dr. H. statt. Er ist der behandelnde und für meine Nachsorge zuständige Arzt, der in den kommenden Jahren regelmäßige Kontrollen durchführen und je nach Ergebnis erforderliche weitere Behandlungen planen und koordinieren wird.

Für mich wird das Warten unerträglich. Ich will jetzt einfach wissen, wie es um mich steht, egal ob positiv oder negativ; dann kann ich mich darauf einstellen. Das Ausharren in Ungewissheit ist auf Dauer nicht auszuhalten.

Die Zeit im Wartezimmer kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Schließlich holt mich die Krankenschwester ab und führt mich ins Behandlungszimmer. »Ach, da ist ja noch niemand«, stelle ich enttäuscht fest. »Können Sie mir etwas über die Ergebnisse sagen?«, frage ich sie.

»Nein, ich kenne sie nicht.«

»Aber Sie haben doch Anhaltspunkte.«

»Nein, ich weiß gar nichts.«

»Wann kommen denn die Ärzte?«

»Die sollten gleich kommen. Gedulden Sie sich noch ein wenig.« Sie ärgert sich wohl über meine Fragerei, ich sage deshalb nichts mehr.

Einige Minuten später – die mir wie eine Ewigkeit vorkommen – höre ich Schritte im Korridor. Die Tür geht auf und ein ganzer Tross von Ärzten kommt herein. Das kann nichts Gutes bedeuten. Warum ist die Chirurgin dabei? Ich ahne, dass ich eine schlechte Nachricht entgegennehmen muss.

»Guten Tag, Herr Dubach. Wir kommen, um mit Ihnen den histologischen Befund zu besprechen«, beginnt Dr. H. in bodenständigem Bündnerdeutsch.

»Ja … genau … ist alles gut gegangen, oder?«, antworte ich, sehr wohl ahnend, dass das nicht stimmt.

»Nein, es ist nicht gut«, meint Dr. H.. »Hier auf der rechten Seite haben wir einzelne Krebszellen in einem Lymphknoten gefunden.«

»Was? Das kann doch nicht sein!«

»Doch, leider, der Lymphknoten ist positiv.«

Ich schaue die Ärzte ratlos an. »Muss ich jetzt sterben? Ich will nicht sterben!«

Die Krankenschwester dreht sich um und schaut mich besorgt an.

Ich breche in Tränen aus und stammele leise: »Ich will nicht sterben, ich bin doch erst vierzig Jahre alt.«

»Sie brauchen jetzt noch keinen Sarg zu bestellen«, reagiert Dr. H. gereizt.

Die Ärzte tasten die Lymphknoten unter den Achselhöhlen ab und untersuchen die Narben.

»Sie wissen, was nun ansteht?«, beginnt die Chirurgin. »Gemäß Richtlinien müssen wir nun die Lymphknoten auf der rechten Seite komplett ausräumen.«

»Ich will nichts davon wissen. Ich habe mich sehr davor gefürchtet.« Ich wende mich an Dr. H.. »Muss das jetzt wirklich sein? Kann ich nicht noch etwas warten?«

Dr. H. zögert und antwortet schließlich: »Ich glaube, wir machen jetzt erst mal ein PET [5]. Damit können wir den aktuellen Stand der Krankheitsausbreitung festhalten.«

»Okay, gut, einverstanden.« Ich finde den Vorschlag nicht schlecht. Ich gewinne etwas Zeit und kann mir die nächsten Schritte in Ruhe überlegen.

Mit einem Termin in der Tasche für eine PET-Untersuchung verabschiede ich mich von den Ärzten.

Ich habe gesagt, der 10. Oktober werde zu einem Schicksalstag für mich. Das ist in der Tat so. Je nach Ergebnis der histologischen Untersuchung kann ich mich als geheilt betrachten oder eben nicht. In meinem Fall ist ein Lymphknoten positiv, was nichts anderes heißt, als dass der Krebs nicht mehr auf den Primärtumor begrenzt ist und dessen Entfernung keine Heilung gebracht hat. Ein Fortschreiten der Krankheit mit wahrscheinlich tödlichem Ausgang ist eine ernst zu nehmende Option und das für den Rest meines Lebens. Das hat weitreichende Folgen für die weitere Behandlung und Nachsorge. Und es wird meine persönliche Entwicklung beschleunigen und mich an Orte führen, die ich mir nicht einmal vorstellen kann.

DIE ENTSCHEIDUNG - BEGEGNUNG MIT EINEM KANNIBALEN

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