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Tod von Heidi Bächler und Wandel des Zeitgeistes

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Mit dem krebsbedingten Tod von Heidi Bächler im Herbst 1978 änderte sich das. Nicht dass ich ein schlechtes Verhältnis mit Schwester Heidi Huber gehabt hätte, aber für meine Entwicklung war Heidi Bächler bedeutsamer. Wir erhielten zwar eine neue Unterstützung für das Heim in Form einer Tante, aber es war nicht mehr das Gleiche.

Der Wechsel machte sich in meinen Schulnoten bemerkbar. Zeigte ich bis dahin gute Leistungen, so sank der Notenschnitt innerhalb eines halben Jahres um eine halbe Note. Ich fing mich später zwar wieder und schloss die Sekundarschule mit den fast gleichen Leistungen wie am Anfang ab (so steigerte ich mich in Mathematik innerhalb eines Semesters um eineinhalb Noten auf eine 5,5), aber trotzdem hinterließ der Verlust seine Spuren. Ich vermisste die stützenden und fördernden Impulse von Heidi Bächler sehr und fühlte mich oft einsam.

Nicht nur mir, sondern auch Heidi Huber setzte dieser Verlust zu. Sie musste nun das Heim alleine führen, was sie überforderte. Da sie zudem auch schon das 60. Lebensjahr überschritten hatte, zeichnete sich ein Umbruch ab, der für sie eine besondere Herausforderung darstellte, weil sie sich stark mit ihrer Aufgabe identifizierte. Für Heidi Huber war das Heim ein Zuhause und nicht einfach ein Arbeitsplatz; die Kinder bedeuteten ihr mehr, als man es von Heimangestellten eigentlich erwarten darf. Paradoxerweise war dieser Umstand, dem ich in meiner frühen Kindheit viel zu verdanken hatte, nun ein großes Problem. Der Ablösungsprozess gestaltete sich außerordentlich schwierig. Als hochsensibles Kind entging mir natürlich nicht, wie sehr sie unter der Situation litt. Das war nicht leicht zu ertragen.

Zu den genannten Problemen gesellten sich weitere. Der steigende Wohlstand brachte eine Änderung der Einstellung gegenüber der Arbeit mit. Es wurde zunehmend schwieriger, Leute zu finden, die bereit waren, ins Heim einzuziehen und sich voll und ganz mit der Arbeit zu identifizieren. Bewerber erwarteten geregelte Arbeitszeiten und einen angemessenen Lohn. Ein anderes Problem war der Paradigmenwechsel in der Heimpolitik, der Anfang der 1980er-Jahre stattfand. Man versuchte zunehmend, Kinder bei Pflegefamilien unterzubringen oder sie – falls es die Umstände zuließen – bei den leiblichen Eltern zu belassen und diesen beratend zur Seite zu stehen. Das führte dazu, dass vorwiegend Kinder mit erheblichen Defiziten ins Heim eintraten. Diese benötigten aber heilpädagogisch ausgebildetes Personal.

Höhere Lohnansprüche und spezialisiertes Personal lösten einen Kostenschub aus und brachten die Heime erneut an den finanziellen Abgrund. Das Haus in Wattenwil musste deswegen sogar vorübergehend geschlossen werden. [14] Wie groß dieses Problem war, sei an einem Vergleich veranschaulicht: Während sich der Aufwand für Lebensmittel binnen 20 Jahren lediglich verdoppelte, verzehnfachte sich die Lohnsumme im gleichen Zeitraum. [14]

DIE ENTSCHEIDUNG - BEGEGNUNG MIT EINEM KANNIBALEN

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