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1.2.5. Das Kinderheim

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Viele werden vielleicht überrascht sein über das positive Bild, welches ich von meiner Kindheit zeichne, denn normalerweise assoziiert man Kinderheime mit Einsamkeit, Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung. Dass dem nicht so war, hat sicherlich einerseits mit dem Engagement der beiden Schwestern zu tun, andererseits aber auch mit dem Heim selber.

Bis weit in die erste Hälfte des 20.Jahrhunderts war die Schweiz arm und Hilfe vom Staat gab es kaum. Kinder aus schwierigen, zerrütteten Verhältnissen wurden deshalb an Bauern verdingt, wo sie hart arbeiten mussten. Wenn sie nicht verdingt wurden, kamen sie in Kinderheime, deren schiere Grösse das Entstehen einer familiären Atmosphäre schlicht verunmöglichte. So soll es Heime gegeben haben, in denen über hundert Kinder untergebracht waren. Klar, dass es da kaum Zuwendung in einem für eine gesunde Entwicklung notwendigen Mass gegeben hat.

Das Blaue Kreuz wollte gegen diesen unbefriedigenden Zustand etwas tun und gründete im Jahr 1916 den VereinFamilienkinderheime Hoffnung. Die Hoffnungsbünde des Blauen Kreuzes eröffneten danach im Kanton Bern zuerst in Häutligen und 1920 in Wattenwil ein Kinderheim. Diesem Umstand verdanken die Kinderheime den Namenszusatz Hoffnung. Da das Blaue Kreuz Gründer des Vereins war, stammten die Kinder oft, aber nicht nur, aus Alkoholikerfamilien. In beiden Heimen waren gleichzeitig maximal 15 Kinder untergebracht, was das Entstehen einer familiären Atmosphäre ermöglichte.

Trotz bescheidenen Löhnen, Spenden, Mitgliederbeiträgen und Staatsbeiträgen aus dem Alkoholzehntel [13] war der Betrieb des Kinderheimes defizitär. Eigentlich hätte man es schließen müssen, wenn die Schwestern nicht bereit gewesen wären, für einen Hungerlohn zu arbeiten, der Staat nicht wiederholt außerordentliche Deckungsbeiträge [14] geleistet, das Heim nicht große Anstrengungen unternommen hätte, zusätzliche Spendeneinnahmen zu generieren und freiwillige Helfer nicht mitangepackt hätten. Vage erinnere ich mich noch an einen Frauenverein, der für die Kinder Kleider strickte. Gut in Erinnerung geblieben ist mir ein gewisser Herr Mäder, der ab und zu mit einem Lastwagen vorfuhr und unseren Keller gratis mit Früchten und Gemüse auffüllte. Alles in allem muss aber gesagt werden, dass das Heim zumindest bis Ende der 50er-Jahre nur dank enormer Anstrengungen und Entbehrungen der Heimleiterinnen betrieben werden konnte.

DIE ENTSCHEIDUNG - BEGEGNUNG MIT EINEM KANNIBALEN

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