Читать книгу MIXTAPE STORIES - Markus Gleim - Страница 4

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Langsam und gleichmäßig wird das helle Hallenlicht herunter gefahren. Die Bühne, die an der einen Stirnseite der Halle steht, liegt komplett im Dunkeln und man kann fast gar nichts auf ihr erkennen. Wenn überhaupt, dann nur ein paar schemenhafte Umrisse. Die Nebelmaschine faucht eine leicht nach Erdbeere schmeckende dichte Rauchwolke über die Bühne.

Der Mischer am Mischpult zieht den Regler für den Keyboard-Kanal langsam auf und ein wabernder, anhaltender Basston kriecht aus der PA und zieht wie Nebelschwaden in den Zuschauerraum. Er ist tief. Ganz tief. Ein Ton, fast schon im Subbass-Bereich, der eher zu spüren, als zu hören ist. Ein wohltuendes Grummeln verteilt sich im Bauch. Das Publikum wird merklich leiser, bis eine fast schon gespenstische Ruhe in der ganzen Halle herrscht und nur noch vereinzelte Rufe und Pfiffe zu hören sind.

Der tiefe, grummelnde 6-Saitige E-Bass stimmt mit ein und bringt durch eine rhythmische Spieltechnik der Viertelnoten, nur eine Oktave höher, einen Groove in diesen Klangteppich. Ganz leise schiebt sich der hohe, stehende Ton einer rückkoppelnden Gitarre dazu. Er wird lauter und wird durch verschiedene Effektgeräte moduliert. Er pulsiert, schwillt über mehrere Oktaven an und ab, wird dumpf und hell und scheint sich ständig zu verändern. Nach ein paar Takten setzt der Schlagzeuger auf dem Hi-Hat ein und betont mit der Bassdrum die halben Noten immer auf dem zweiten und dem vierten Schlag und gibt damit den Rhythmus zum Mitklatschen vor.

Langsam werden ein paar blaue Scheinwerfer, die im gleichmäßigen Abstand am hinteren Bühnenrand aufgebaut sind, etwas hoch gedimmt und es steigen bläuliche Lichtsäulen bis an die Hallendecke und tauchen die ganze Bühne zusammen mit dem Rauch in eine bläuliche Eislandschaft. Weiße Spots leuchten die Musiker auf der Bühne von hinten an, wodurch sich ihre Silhouetten auf einen dünnen, weißen Vorhang zeichnen, der noch vor der Bühne hängt. In Übergröße schweben die Bilder der Musiker nun wie ein Scherenschnitt über der Bühne. Das Ganze wirkt unwirklich und surreal. Das blaue Licht scheint durch den weißen Nebel, der durch große Ventilatoren langsam und träge über die Bühne schwebt, während die riesigen Umrisse der Musiker unbeweglich und statisch wirken. Die Spannung vor und auf der Bühne hat etwas Greifbares. Es ist, als würde ein wilder Dämon rasselnd an seinen Ketten zerren. Aggressiv und angriffslustig schaut er mit rot glühenden Augen aus dem Schwarz seines Käfigs heraus. Er faucht und knurrt. Dieses Monster schaut nicht nur, nein, es beobachtet dich. Es beobachtet dich, was du da vor dem Käfig gerade machst und es denkt sich: „Wartet nur, wenn ich hier raus gelassen werde, dann.......“

Der Schlagzeuger zählt ein. „Eins, zwei, drei, vier“.

Auf die nächste Eins setzt die gesamte Band ein. Es ist, als würde ein zigtausend Tonnen schwerer Güterzug auf das Publikum zudonnern. Der dünne, weiße Vorhang fällt in ein oder zwei Sekunden von der Hallendecke herab und ein paar Stagehands ziehen ihn unbemerkt seitlich weg. Der Bass, zwei Gitarren, das Keyboard und das Schlagzeug, alle zusammen setzen gleichzeitig und mit brachialer Lautstärke, wie bei einer Explosion ein. Dieser Licht- und Sound-Dämon darf nun endlich aus seinem Käfig ausbrechen und fällt über die Halle und das Publikum, über dich her. Die Instrumente sind auf C runter gestimmt und die Musik erzeugt einen fast physisch spürbaren, mörderischen Druck. Wie starke Windböen, gegen die man sich stemmen muss, um vorwärtszukommen.

Die monströse Anlage schleudert wütend die Töne wie Lichtblitze in alle Ecken durch die Halle. Wie ein Tischtennisball, den man in einen Raum voller gespannter Mausefallen wirft. Immer wieder wird er von einer zuschnappenden Falle nach oben in eine andere, neue Richtung geschleudert und wie ein Klanggewitter fegt diese nicht mehr aufzuhaltende Kettenreaktion durch die Halle. Der Dämon jagt wie ein wild gewordenes Tier durch eine Schar auseinander flatternder Hühner und beißt mal hier, mal dort hin. Mit jedem Biss fasst er ein Tier im Nacken, schleudert es ein paar Mal hin und her und lässt es dann lustlos liegen, um das nächste zu ergreifen. Und dieses Tier hinterlässt dabei eine Spur der Verwüstung. Eine Spur, die aus grollenden und brillierenden Tönen, blitzenden und blinkenden Lichtern und Bildern besteht, die sich für immer in die Erinnerung der Konzertbesucher einbrennen werden.

Der Lichtmischer lässt mit dem ersten Ton alles aufflammen, was die Lichtanlage zu bieten hat. Stroboskope blitzen, Gobo-Spots drehen sich wie verrückt gewordene Roboter und projizieren Muster an die Hallendecke. Laser zeichnen Gitter und Netze über die Bühne und sonst leuchtet und scheint es aus allen Rohren. Der Soundmischer zieht sämtliche Regler auf, die Endstufen sind kurz vorm Clippen, fast alle LEDs der Kanäle leuchten kurz auf und sind fast vor dem Übersteuern, aber die PA steckt das locker weg. Sie ist kräftig und leistungsstark genug. Nicht umsonst benötigt man alleine für die gesamte Technik jeden Abend vier LKWs, um sie von Halle zu Halle zu fahren.

Die Menschen vor der Bühne werden in den ersten paar Sekunden fast erschlagen von den Eindrücken und den Tönen, die da im Sekundentakt auf sie einprasseln. Wie beim großen Showdown eines Actionfilms, im Multiplexkino, schauen sie von rechts nach links auf diese Leinwand und versuchen alles, was da gerade um sie herum und auf der Bühne passiert, zu verstehen, zu hören und zu genießen.

Wie aus dem Nichts schießt der Sänger auf einer in den Bühnenboden eingelassene Hebebühne nach oben und kommt direkt vor seinem Mikrophon zum Stehen. Breitbeinig, von einem Spot angestrahlt, steht er da. Bewegungslos. Vielleicht 20 oder 30 Sekunden lang, den Blick auf den Boden gesenkt. Er umfasst mit der rechten Hand das Mikro auf dem Mikroständer, die linke Hand zur Faust geballt und zornig, drohend nach oben Richtung Himmel gestreckt. Das Geschrei und der Applaus der Fans steigern sich nochmal und übertönen fast die Musik. Er hebt den Kopf und blickt auf seine Fans herab. Die viele tausend Watt starken Lichtbatterien blitzen auf, scheinen ihm direkt in die Augen und machen ihn für einige Sekunden lang blind. Er holt tief Luft, öffnet den Mund und singt ...

Was ist da eigentlich an der Musik oder was passiert da in der Welt der Musiker, dass uns dieses Leben so fasziniert? Was löst diese Bewunderung für diejenigen aus, die sich in der fabelhaften Welt des Show Business bewegen? Dass Menschen sogar bereit sind, ihr bisheriges Leben ohne zu zögern aufzugeben, um über eine Castingshow an dieser Welt teilhaben zu können? Über Nacht von einem Niemand zum Jemand werden?

Ist es dieser Mythos von Sex, Drugs und Rock & Roll, der Musiker und Künstler umgibt? Ist es unser laienhaftes Halbwissen über das Leben und Arbeiten all jener, die es geschafft haben, sich im Glamour dieser Gesellschaft zu bewegen? Ein kleiner Kreis, zu dem nur Promis und Stars Zugang haben? Da, wo Menschen nur noch in schwarzen Night-Linern, mit abgedunkelten Scheiben über Autobahnen schweben oder wo hunderte kreischende Fans vor den Hotels warten. Menschen, deren Leben so interessant scheint, dass es stets und ständig von Fotografen abgelichtet wird? Die vielen Geschichten, die man sich erzählt?

Ist es dieser Glanz, dieses Glühen, dieser Schein, der diese Welt umgibt? Über die eine Art Glocke der Verschwiegenheit liegt, aus der nur notdürftige und absolut notwendige Informationen raus gelassen werden? Und das, was wir nicht erfahren, reimen wir uns halt einfach selbst zusammen. Ist doch so einfach. Wie die Geschichten von dem König der Durchgeknallten, Michael Jackson, der sogar in einem Sauerstoffzelt geschlafen haben soll? Oder der zu seinem Affen mehr Kontakt gehabt haben soll, als zu jedem anderen menschlichen Wesen? War eh klar, dass der mal so endet. Was Besseres hätte dem doch gar nicht passieren können oder? Wer von uns hätte schon einen immer älter und dünner werdenden Michael Jackson sehen wollen, der es nicht rechtzeitig geschafft hat, sich mit Würde und Anstand von der Bühne zu verabschieden. Ein immer dünner und irgendwie auch immer weißer werdendes, 70-jähriges Männchen, ein irgendwie leicht verwirrt wirkender Großvater, der immer noch King of Pop genannt wird und der seinen ausgemergelten Körper wieder und wieder zum Moonwalk zwingt und irgendwann nur noch zu einer bedauernswerten Kopie seiner selbst wird. Anstatt mit 40 abzutreten, um fortan nur noch von seinem immer währenden Ruhm und seinen Tantiemen zu leben. Mal Hand aufs Herz: Hättet Ihr wirklich den King of Pop im Rentenalter sehen wollen, der in einer Homestory, wie Ozzy Osbourne mit Rollator durch sein Haus tapert, in dem vorne in einem Körbchen ein ebenso alter Schimpanse mit grauem Haar sitzt, und beide rattern im Elektrorollstuhl über die Neverland-Ranch. Klingt vielleicht jetzt sehr respektlos, aber sein plötzlicher und unerwarteter Tod und das Geheimnis darüber, war das Beste, was ihm passieren konnte. Michael Jackson ging, wie er kam. Mit großem Bohei.

So wie all die anderen ganz großen Stars und die Geschichten um den unheimlichen „Club 27“. Sie schrecken einen erst mal ab, diese ganzen Storys darüber, dann aber faszinieren sie uns irgendwie. Es ist so wie bei einem Verkehrsunfall. Eigentlich wollen wir ja gar nicht hinschauen, tun es dann aber trotzdem. Ganz kurz. Ein Blick nur. Und dann fragen wir uns: „Ob da was dran ist, an dieser Story? Ob es da wirklich so ‘ne übernatürliche Macht gibt?“ Diese vielen Stars, die es nicht geschafft haben, mit Ruhm und Erfolg umzugehen und deren außergewöhnliches Leben ein so tragisches Ende fand. Amy Winehouse, Kurt Cobain, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, um nur mal ein paar zu nennen, ausnahmslos alles Musiker mit Weltruhm, die nicht älter als 27 Jahre alt wurden.

Ich meine, über die Arbeit eines Kfz-Mechanikers wissen wir alles. Er macht, dass Autos, die nicht fahren, wieder fahren. Fertig. Aber wie lebt er denn nun wirklich? Der Herr Rockstar, mh? Was macht er? Trinkt und kokst er wirklich, dass die Heide wackelt? Ist er der Don Juan, den er uns glauben machen will? Stimmt das alles, was man so in den Homestorys lesen kann? Aber Moment mal. Nee, eigentlich macht er das ja gar nicht. Er deutet nur an. Hier eine Kleinigkeit, da eine Bemerkung, dort ein Augenzwinkern und den ganzen Rest interpretiert der zuständige Redakteur dazu, der Paparazzo knipst das Bild über´n Gartenzaun und die Yellow Press liefert die Story in den prächtigsten Farben dazu und bestätigt nur das, was wir uns immer schon dachten.

Nein, das Geld ist es nicht oder der Wohlstand, der uns fasziniert, oh nein. Es ist der Rausch, den wir Normalos niemals erleben werden. Wie ist er wohl, der Augenblick, wenn man die Bühne betritt. Diese Scheiß-Angst, zu versagen. Der Text, den man hunderte Male fehlerfrei gesungen hat - BAFF - plötzlich weg. 20.000 Augenpaare schauen einen erwartungsvoll an, aber die Birne ist völlig leer. Gleichzeitig aber auch dieser unbändige Drang, endlich da raus zu gehen. Die Rufe und Schreie der Fans vor der Bühne, wie ein Mantra ziehen sie dich wie an unsichtbaren Seilen auf die Bühne, um den Leuten zu zeigen, wo der Frosch die Hupen hat. Wie ist es wohl, wenn man vor 20.000 Menschen auf der Bühne steht und ihnen den Rhythmus zum Atmen vorgibt? Wie es ist, wenn der Körper volle Kanne Adrenalin durch die Venen pumpt? Nur eine Bewegung von dir, ein Fingerschnippen und die Leute flippen aus: „Mensch, wie kann man den damit nur nicht klar kommen? Versteh´ ich nicht“, ist die Reaktion der Fans darauf. Zurecht? Erfolg, Ruhm, Anerkennung, Geld. Alles da: „Was ist denn nur los mit dem? Der hat doch nun echt alles gehabt, holy crap?“ Montagabend, Tourabschluss. Letzter Gig in der Berliner Waldbühne. Ausverkauft. 15.000 Feuerzeuge werden beim letzten Lied in die Höhe gehalten. 15.000 kleine funkelnde Diamanten. Das Publikum singt völlig alleine das Lied zu Ende, während Du schon Backstage bist und die erste Kippe rauchst. Gänsehautfeeling. Es rauscht in den Ohren. Jeder klopft dir auf die Schulter, lächelt Dir zu und wie geil das heute Abend wieder gewesen wäre und überhaupt wärt Ihr die beste Band der Welt. Danach noch mit der Band und der gesamten Crew bis in den Morgen Tourabschluss im Nightliner gefeiert. Sound, Catering, Licht, Bühne, Produktion. Alles voll gut. Machen wir nächste Tour wieder genau so. Am Dienstag dann, nach 11 Wochen Tour, endlich wieder daheim in der eigenen Bude. Alleine. Ruhe. Kein Tourstress. Keine Interviews. Ausschlafen. Keine Pressetermine. Nicht stundenlang im Tourbus sitzen. Aber auch kein Tourmanager, der alles für Dich regelt. Kein Catering. Niemand, der kocht, was du gerne isst. Mittwoch wieder selbst bei Aldi, Nutella, Ravioli und Kippen kaufen. Und keiner hat dich an der Kasse erkannt, so in Jogginghose, Converse und Basecap. Hey, aber ich bin doch ein Star? Selbstzweifel fressen an Dir. Keine Schulterklopfer, niemand da, der sagt, wie geil ihr wieder wart. Keiner da, der über deine Witze lacht. Donnerstag. Einsamkeit den ganzen Tag über. Diese Ruhe erscheint dir unerträglich laut. Eine Flasche Jack Daniels zum Einschlafen, zum Runterkommen. Freitag durch den Tag ‘ne Flasche Jim Beam. Samstag am Abend alleine eine Flasche Wodka vorm Fernseher saufen und Valium zum Schlafen. In der Nacht dann Depressionen, Knarre in den Mund und BÄMM. Sonntag die Schlagzeile in der FAZ: „Sänger der Rockband XY erschoss sich völlig unerwartet daheim. Montag, eine Woche nach Tourabschluss, ein Blumenmeer an der Hofeinfahrt.

Bewundernd und fasziniert beobachten wir den neuen aufgehenden Stern am Rock & Roll-Himmel. Wir feiern unsere Helden und tragen sie buchstäblich auf den Händen. Der Typ ist so cool, das Album stürmt die Charts. Wir sind bei ihnen, wir begleiten sie und sind ein Teil von ihnen, wenn sie glitzernd und schimmernd wie ein funkelnder Komet, hell glühend von der einen zur anderen Seite des Firmaments ziehen. Aber wer ist noch da, irgendwann, ein paar Jahre später? Wenn ein verkohlter, rauchender Brocken Stein in den dunklen, grauen Rock & Roll-Ozean stürzt und zischend erlischt. Drogen- und Alkoholexzesse und immer wieder Frauengeschichten, bis zur fast völligen Selbstvernichtung. Nervenzusammenbrüche, Kontrollverluste, Abstieg, verschwunden und verloren in der Bedeutungslosigkeit: „Früher mal, ja früher ... haha, ja da haben wir die Hallen vollgemacht. Festhalle. Zwei Tage ausverkauft. Zwei Tage hintereinander!“ Heute? Jetzt? Bei der Einweihung eines Baumarkts. In der Kritik in der Soundcheck stand: „Das neue Album … nicht mal mehr zweitklassig ... kaum noch der Rede wert ... ein Schatten ihrer selbst ...“ „Ha, die gehen zum Kacken eben auch nur aufs Klo, siehst du? Sind auch nur Menschen. Nee, tauschen möchte ich nicht mit denen.“ Nee, tauschen will keiner mit Dir. Trotzdem wollen alle wirklich alles aus der Welt des Rock & Roll wissen. Und selbst vom Niedergang eines Idols ist man noch fasziniert und saugt jeden Fetzen an Information auf.

Wie ist es da bei denen, die uns Lieder brachten, mit denen wir die schönsten und schlechtesten Emotionen und Gefühle verbinden? „Eye Of The Tiger“, zum Beispiel. Wir sehen einen runtergekommenen und untrainierten Rocky Balboa auf Schweinehälften einprügeln und eine Treppe hochrennen. Bei „Born to be wild“ von Steppenwolf sehen wir Peter Fonda, wie er auf seiner Captain America durch die Wüste brabbelt. Lieder, die wir lachend und feiernd auf Partys mitsangen. Lieder, die uns durch die große Liebe, den schlimmsten Herzschmerz und die tiefste Trauer begleiteten. Wir müssen nur die ersten gehauchten Worte von Whitney Houstons „I Will Always Love You“ hören und schon denken wir, wie uns das Herz bis zum Hals hoch klopfte, wie damals beim ersten Date mit Sabine. Wenn Axel Rose die ersten Töne vom Anfang von „November Rain“ auf dem Flügel anschlägt, erinnern wir uns an Tage, an denen wir Rotz und Wasser heulten, weil eine Woche später die Sabine gleich hinten, am Autoscooter, mit dem Uli aus der 10b rumknutschte. Die blöde Kuh. Und es gibt sogar Lieder, bei denen nur die ersten zwei, drei Töne ausreichen, wie die pizzicato gespielten Streicher von Enyas „Only Time“. Wetten, auch Sie haben bei diesen ersten paar Tönen des Liedes die Bilder aus dem Fernsehen vor Augen, als wäre es letzte Woche gewesen. Das erste Flugzeug im Turm, noch als Aufzeichnung im Fernsehen. Als das Zweite in den Turm krachte, waren wir alle live dabei. Ungläubigkeit. Staunen. Verwunderung: „Ist das echt? Passiert das jetzt gerade?“ Unvorstellbares Leid all derer, die dort in den Türmen umkamen. Bewunderung für heroische Feuerwehrmänner, die mit breiter Brust ins Feuer gingen, um andere zu retten. Nur wenige kamen zurück. Pures Entsetzen, Kopfschütteln als Stunden später die beiden Türme in sich zusammen sackten. Als würden die Tore der Hölle geöffnet. Abscheu, Unverständnis und Verachtung für diejenigen, die sich diesen perversen Beweis der Macht erdacht hatten. Und immer wieder: „Who can say where the road goes, where the day flows …” im Hintergrund.

Musik zur richtigen Zeit, kann Partys anschieben, Musik zur falschen Zeit kann die Stimmung in der Disco kaputt machen. Musik kann erfreuen, eine Meute zum Mitsingen bringen. Musik kann trösten, sie kann aufheitern, sie kann beruhigen, sie kann „Wunden heilen“, sie kann helfen, sie kann zu Tränen rühren und sie kann vereinen. Das, meine Lieben, das ist die „Macht der Musik.“ Musik erzeugt Emotionen. Wissenschaftler sagen, Musik aktiviert dieselben Gehirnareale, die für Belohnung zuständig sind. Sie ruft Bilder hervor. Und wirft Erinnerungen auf die Leinwand unseres Kopfkinos. Jedes Lied, jeder Song, jede Melodie hat ihre eigene Emotion, ihre eigene Erinnerung, ihre eigene Geschichte, die sie mit sich trägt.

Meine Lieder und meine Melodien, meine Erinnerungen und ihre Geschichten dazu, lagen hier in dieser Kiste vor mir. Ich griff in die Kiste, wühlte etwas ziellos darin herum und zog eine Kassette, wie den ersten Preis einer Auslosung, heraus.

„Mixtape“ - Erinnerungen auf Chromdioxid.

Ich steckte sie ins Tapedeck, klappte das Fach zu und drückte auf „Play“. Es begann zu rauschen, es knackte, dann …


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