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Dana gehörte zu den neuen Gesichtern in der Redaktion. Sie war zu Christians Leuten gestoßen, als Charlotte bereits in Spanien war. Mit roten Wangen nahm sie den Kaffeebecher an, den ihr Christian entgegenstreckte. Offensichtlich war sie genauso durchpustet worden wie er und Charlotte. Jedenfalls war die Kirchentür hinter ihr so laut zugefallen, dass beide hofften, der Sturm wäre schuld daran.

Die junge Frau hatte kupferrote Haare, die ihr bis auf die Schultern fielen. Sie trug Lipgloss passend zur Haarfarbe. Auch die Augen waren auffällig stark geschminkt. Eine enge Hose steckte in kniehohen Stiefeln. Darüber trug Dana einen abgesteppten Mantel. Ein Hauch von Parfüm umwehte die Studentin. Der Geruch gefiel Charlotte.

»Christian, ich habe es ziemlich eilig, das weißt du doch. Ich muss ins Theater!«

Der junge Chefredakteur stellte die beiden Frauen einander vor. Um das Eis zu brechen, fragte Charlotte, was denn im Theater gespielt würde.

Irritiert zog Dana kurz die Augenbrauen zusammen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Völlig egal. Ich mache die Garderobe. Von irgendwas muss man ja leben.«

Die Spitze ging in Christians Richtung. Der verstand den Hinweis und winkte ab.

»Warum bin ich also hier?«, wollte Dana wissen.

Von Christian wusste Charlotte, dass Dana so gut wie allein für eine fast 50-prozentige Steigerung der Klickzahlen des Lauffeuers im vergangenen Monat verantwortlich war, weil sie gleich nach ihrem Einstieg in die Redaktion eine neue Rubrik eingeführt hatte.

Im Prinzip war es eine Unterabteilung des Boulevards. Über den Titel war man sich nicht gleich ganz einig geworden. Sollte er unbelievable oder besser unglaublich heißen? Jedenfalls durchforstete Dana das Internet seitdem nach spektakulären Videoclips, die sie auf Lauffeuer genüsslich kommentierte.

Über einen Link ließ sich das Filmchen dann direkt ansehen. Heraus kamen Beiträge wie: Unglaublich … süß. Unglaublich … gefährlich. Oder: Unglaublich … fies.

Es brauchte nur eine Woche, bis die rapide steigenden Besucherzahlen des Lauffeuers anzeigten, wie gut die neue Rubrik bei den Lesern ankam. Ein entsprechend starker Zuspruch ließ sich in den Netzwerken der sozialen Medien registrieren. Die Artikel zu unglaublich … wurden 100-fach geteilt und mit Daumen nach oben oder wütenden Emojis versehen. Ein Umstand, der sowohl den Werbekunden als auch Christian sehr gut gefiel.

»Jan war ziemlich interessiert an der Sache«, sagte Christian nun. »Immer wieder habe ich gesehen, wie er Dana über die Schulter gesehen und den Kopf geschüttelt hat. Stimmt’s nicht, Dana?«

»Ja, er ist ein schlauer Kopf, der Jan.«

Charlotte wartete automatisch darauf, dass Dana bei einem der Worte stolperte. Doch ihr Deutsch war trotz eines deutlichen slawischen Akzents fehlerlos.

»Besonders ein Artikel hat es ihm angetan. Ich habe ihn unglaublich … gemein genannt.«

»Kann ich den mal sehen?«

Dana stellte den Kaffeebecher auf einem Schreibtisch ab und gab stehend, über die Tastatur gebeugt, ein Passwort in den Computer ein. Während sie im System angemeldet wurde, zog sie den Mantel aus und hängte ihn über die Stuhllehne. Für eine Garderobenfrau war sie ziemlich schick gekleidet.

»Ein Mädchen wird über ein großes Gelände gehetzt«, sagte sie. »Sie hat so gut wie nichts an. Und dann wird von irgendwo mit Farbpatronen auf sie geschossen.«

»Ein Mädchen«, wiederholte Charlotte. »Wie alt?«

»Na, kein richtiges Mädchen mehr. So alt wie ich. Asiatischer Typ. Geschminkt, als trage sie Kriegsbemalung. Männern gefällt so was. Am besten zeige ich es dir. Setz dich.«

Charlotte folgte der Aufforderung, während Dana sich mit rundem Rücken neben ihr auf den Schreibtisch stützte und mit der Computermaus arbeitete. Trotz sehr langer Fingernägel gelang es ihr mühelos, mit der linken Hand über die Eingabetastatur zu tanzen. Wieder fiel Charlotte auf, wie gut diese Frau roch.

Als Dana den richtigen Artikel angeklickt hatte, ließ sie Charlotte zunächst den Text lesen. Darin regte sich Dana über den offen ausgelebten Sexismus des Videos auf und verurteilte diesen mit messerscharfen Worten. Gleichzeitig wusste sie, dass der Leser, durch den Artikel neugierig gemacht, gleich den Link anklicken und den Clip ansehen würde. So funktionierte die neue Rubrik eben. Danas Text war nicht das Ausschlaggebende. Wichtig waren die Filme.

Auch Charlotte folgte dem vorgesehenen Schema. Der Text war kurz und präzise. Sie brauchte nur eine Minute, um ihn zu lesen. Dann klickte sie den Link an. Das Video selbst dauerte rund sechs Minuten. Zwischendurch sagte Charlotte immer wieder »okay« oder »krass«. Danach blickte sie Dana an, die sich einen anderen Schreibtischstuhl herangezogen hatte.

»Und damit hat Jan sich beschäftigt?«

»Ja, genau. Guck dir mal die Klickzahlen des Films an. Der geht richtig ab. Und das hat Jan interessiert. Er wollte herausfinden, wer so was macht. Wie sie auf ihre Ideen kommen. Und dann wollte er wohl auch noch die Moralfrage stellen.«

»Und? Was ist dabei rausgekommen?«

»Keine Ahnung. Der Titel gibt ja nichts her. Bitches in der Mangel.«

Stimmt, dachte Charlotte. Das gibt nichts her. »Wieso überhaupt bitches?«, fragte sie halblaut. »Das ist doch nur eine bitch da, oder.«

Dana grinste. Dann sagte sie: »Ich glaube, er hat sich auch mit deinem Mario über die Sache unterhalten.« Da ihr Blick über die Schulter ging, war klar, dass sie Christian ansprach.

»Mein Mario?« Christian zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, was du meinst.«

Sturmgepeitscht

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