Читать книгу Mann 2020 - Markus Margreiter - Страница 8
WIE ERKENNT MAN SIE NUN, DIE PROBLEME?
DIE MÖGLICHKEITEN DER DIAGNOSTIK
ОглавлениеIn der Diagnostik hat sich auf dem Gebiet der Prostata-Erkrankungen in den vergangenen Jahren immens viel getan.
• Die einfachste und leichteste Methode ist nach wie vor die Fingeruntersuchung, die den meisten Männern solchen Respekt abringt. Sie ist vielleicht unangenehm, aber schmerzlos.
Die Daumenregel dabei: Eine gesunde Prostata fühlt sich etwa so an, als drücke man mit dem Finger der einen Hand auf die zur Faust geballte andere Hand, und zwar genau zwischen Daumen und Zeigefinger. Im Fall von Prostata-Krebs hat man das Gefühl, etwas danebengegriffen und auf einen Knöchel gedrückt zu haben.
Mit der Fingeruntersuchung lassen sich etwaige Knoten ertasten, sie gibt Aufschluss über Größe und Beschaffenheit. Die Prostata kann sich elastisch, teigig oder verhärtet anfühlen, da gibt es riesige Unterschiede. Die Oberfläche gibt erste Hinweise auf mögliche Probleme. In jedem Fall bekommt man Informationen über die Spannung im Beckenboden und im Schließmuskel. Aus medizinischer Sicht ist es ungemein wichtig, den Patienten anzugreifen. Erst dabei bekommt man als Arzt ein Gefühl für die Sache und erfährt wesentlich mehr als aus den leblosen Labor-Werten. Obwohl diese ebenso wie die Harnuntersuchung wichtig für die Diagnostik ist.
• Eine ebenso einfache und bewährte Untersuchung ist die Harnflussmessung. Statt direkt in die Toilette pinkelt der Patient in einen Trichter. Simple Übung und im Normalfall absolut schmerzlos. Über einen Kurvenverlauf erkennt der Urologe, wie gut das Harnlassen funktioniert. Zeigt sich ein klassischer glockenförmiger Verlauf mit maximaler Flussgeschwindigkeit, kann man gleich wieder einpacken, dann ist die Miktion vollkommen in Ordnung. Flussgeschwindigkeit ist übrigens nicht mit Druck zu verwechseln. Druck durch Pressen ist beim Harnlassen nie etwas Gutes.
Pinkeln, man sollte es nicht glauben, ist ein perfekt orchestrierter Ablauf. Ab dem Moment, wo man sich hinstellt, setzt die unwillkürliche Muskulatur um die Blase und um die Prostata eine regelrechte Kaskade in Gang. Es ist nicht die Schwerkraft, die da die Arbeit macht, es ist der Blasenmuskel, der sich einerseits zusammenzieht und gleichzeitig den Schließmuskel der Harnblase, der sich auf Höhe der Prostata befindet, entspannt. Über den Beckenboden bedienen wir den willkürlichen Schließmuskel, der den Harnstrahl stoppt oder aktiviert. Deswegen gehört auch der Beckenboden immer mit in die Diagnostik hinein, insbesondere bei Patienten, die wiederholt Schmerzen mit der Prostata haben.
Man kann übrigens auch beim Pinkeln etwas falsch machen. Wenn man sich dabei nicht wirklich völlig entspannt, lernt man sich auf Dauer etwas Falsches ein, ähnlich wie beim Atmen. Harnlassen ist also nichts, was man nebenher macht, zwischen zwei Terminen, das Handy am Ohr und den Kopf bei der nächsten Präsentation. Es ist eine Krankheit unserer Gesellschaft, ständig überall erreichbar sein zu müssen. Auf die Toilette geht man allein, ohne Stress. Hinstellen, Beckenboden und Körper entspannen, nichts denken. Das wäre das Gesündeste.
Eine andere Art von Stress ist der heimliche Wettbewerb in der Disziplin Zurückhalten. Viele Männer fühlen sich umso stärker, je mehr Menge sie ansammeln und dann eindrucksvoll auf einmal abgeben können. Wer jetzt den Kopf schüttelt, war noch nie stolz, seinen Namen in den Schnee schreiben zu können, und ich meine den ganzen, nicht nur Herbert.
Einen Tag lang durchzuhalten, ohne auf die Toilette zu gehen, ist jedenfalls keine Heldentat. Man kann damit sogar einiges anrichten. Die Blase und die Muskelfasern werden überdehnt, verlieren ihre Kraft und können sich nicht mehr so gut zusammenziehen. Betreibt man das langfristig, entstehen zum Teil irreparable Schäden an der Blase.
• Ein ganz genialer Tumor-Marker ist das PSA, wir hatten es schon als Sekret, das die Samenflüssigkeit verdünnt. Das Enzym oder Protein erleichtert uns die Diagnose von Prostata-Krebs, der davor nur mit der Fingeruntersuchung festzustellen war, ganz entscheidend. Nach der Zulassung der Untersuchung 1986 stieg die Zahl der Früherkennungen tatsächlich sehenswert an, die Krebserkrankungen gingen entsprechend zurück.
Allerdings war die Geschichte nicht ungetrübt. Vor einigen Jahren ließen eine US-amerikanische und eine europäische Studie aufhorchen, die durch die Medien gingen und den Benefit der PSA-Untersuchung in Verruf brachten.
Der Kritikpunkt war letztlich durchaus einsichtig. Weil die Urologen eine Zeitlang so glücklich waren über die Möglichkeit, die ihnen diese Tumorhinweise boten, wurde biopsiert, was das Zeug hielt. Selbst wenn der Wert nur leicht erhöht war, schaute man sich zur Sicherheit auch das Gewebe an. Ich erspare Ihnen jetzt die Tücken der Diagnostik, rückblickend kann ich nur sagen, wir haben damit Heerscharen von Männern verunsichert und ihnen so einige Sorgen bereitet.
Fakt ist, dass PSA ein guter Marker ist, der aus vielen Gründen erhöht sein kann, der schlechteste davon ist Prostata-Krebs, und selbst der tritt nur in den selteneren Fällen ein. Ein etwas erhöhter PSA-Wert bedeutet also nicht immer sofort: um Gottes willen, Krebs. Er bedeutet: Da ist etwas, das man sich anschauen sollte. Dieses Etwas kann eine Prostata-Vergrößerung, eine Entzündung oder einfach nur eine Alterserscheinung sein. Heute wissen wir: Warnt der PSA-Wert, besteht kein Grund zur unmittelbaren Panik, man soll den Kopf aber auch nicht in den Sand stecken.
• Die Magnetresonanz ist eine Errungenschaft, mit der wir eine sehr gute bildgebende Diagnostik dazugewonnen haben. Die Prostata ist dabei nicht nur in ihrer Größe und Struktur, sondern auch in ihren Veränderungen zu sehen. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten, meist frühzeitig und mit einer relativ hohen Treffsicherheit.
Nach einem Schulnotensystem wird in PI-RADS (Prostate Imaging – Reporting and Data System) klassifiziert, also P wie Prostata. Beim weiblichen Brustkrebs misst man in BIRADS, B für Brust.
• PI-RADS 1 ist eine Prostata, wie Gott sie schuf. Sieht man so gut wie nie, außer man beglückt einen 20-Jährigen mit der Untersuchung.
• PI-RADS 2 ist ein typischer Befund, der eine Prostata mit Anzeichen einer gutartigen Vergrößerung zeigt. Leider kann auch hier in wenigen Fällen Krebs vorliegen.
• PI-RADS 3 lässt bereits eine Läsion erkennen, die von den Radiologen nicht eindeutig als gut- oder bösartig eingestuft werden kann. Das bedeutet Kontrolle oder eine Probenentnahme zur weiteren Diagnostik.
• PI-RADS 4 ist eine sehr suspekte Läsion und damit ein deutlicher Hinweis auf eine bösartige Veränderung.
• PI-RADS 5 ist aus radiologischer Sicht ein sicherer Krebsnachweis, das MRT zeigt ein Karzinom. Die endgültige Diagnose stellt man nur mittels Biopsie, ohne weitere Informationen gibt es keine Therapie.
• Der Ferrari der bildgebenden Diagnostik ist derzeit das sogenannte PSMA-PET-MR, die Kombination einer nuklearmedizinischen Untersuchung mit einem hochsensitiven Marker für Prostata-Krebs-Zellen und dem MRT. Das gibt es übrigens auch in Kombination mit der Computertomografie als PSMA-PET-CT. PET ist eine Emissions-Tomografie, die schon erfolgreich bei der Schilddrüse im Einsatz ist.
Man spritzt radioaktive Substanzen, die sich im veränderten Gewebe anreichern, und es mit der grandiosen Detailauflösung der MRTs darstellen. Die Möglichkeiten, die man damit hat, sind enorm. Vor allem bei Patienten, die bereits ein Prostata-Karzinom haben, vielleicht auch schon operiert wurden, erhält man mit PSMA-PET-MR einen Hinweis darauf, ob es womöglich wieder aufgetretenist. Früher blieb einem nichts anderes übrig, als abzuwarten, ob der Wert wieder hinaufging.
Für Sie klingt das jetzt vielleicht nur, als freute sich ein Arzt über ein neues Verfahren, das ihm die Arbeit erleichtert. Es ist weit mehr. Es ist eine Revolution.
Zwischenfrage: Wer hat Angst vor einer Biopsie?
Alle. Allein schon das Wort auszusprechen, ist ein heikler Moment. Aus fachlicher Sicht wird bei einer Biopsie Gewebe aus dem Körper zur pathologisch-histologischen Aufarbeitung entnommen. Männer haben da ein weniger medizinisches Bild vor sich. Sie sehen rotglühende Stricknadeln auf sich zukommen, die ihnen in der nächsten Sekunde da unten hineingerammt werden. In den Anfängen dieser Untersuchung war die Vorstellung nicht ganz so weit daneben wie heute. Man tastete sich mit einer Fingerschiene quasi blind zur Prostata vor und schnitt mit einer Hohlnadel einen Zylinder heraus. Und das alles bei vollem Bewusstsein.
Inzwischen erledigt man das Ganze mit ungeheuer sympathischen, schlanken Ultraschall-Sonden und meistens über den Enddarm. Mit dem Schall geht es an der Innenauskleidung des Enddarms bis zur richtigen Stelle, wo eine feine Nadel durch den Darm direkt in die Prostata vordringt. Von all dem kriegt der Patient nichts mit, er liegt entweder in Narkose, aber in den meisten Fällen genügt eine örtliche Betäubung direkt bei den Nerven neben der Prostata.
Eine andere Biopsie-Variante heißt im Fachjargon transperinal und bedient sich nur eines anderen Winkels. Die feinen Nadeln gehen durch den Bereich zwischen Hodensack und After, das Perineum oder auch Damm genannt. Der Darm bleibt dabei unangetastet.
Wenn man durch den Darm geht, und Keime in die Prostata kommen können, sind Infektionen die größte Gefahr, wenn auch sehr selten. Üblicherweise kann das der Körper gut bearbeiten. Wenn jemand mit dem Immunsystem Probleme oder bereits eine Infektion hat, empfiehlt sich doch eher die transperinale Methode. Das kleinere Risiko sind Blutungen, die grundsätzlich immer passieren können, wenn man mit einer Nadel in den Körper sticht.
Die Prostata-Biopsie wird neuerdings auch mit den MRT-Bildern kombiniert und führt als sogenannte MRT-Fusions-Biopsie zu einer höheren Treffsicherheit. Sozusagen der Porsche unter den Biopsie-Verfahren.