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Die Fallen der Selbstgenügsamkeit

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Inzwischen hatte ich eine noch dringendere Frage auf dem Herzen. Was passiert, wenn man ohne Partner ist? Denn sexuelle Energie ist einfach zu dynamisch, als dass man sie unendlich lange aushalten könnte, und ich hatte nicht gerade den Wunsch, eine leidenschaftslose leere Hülle zu werden. Ich fühlte, dass es meine Bestimmung war, zu lernen, lebendiger zu werden, nicht weniger lebendig.

In den Texten, die ich las, hieß es, die sexuelle Energie könne vorsichtig verfeinert und auf ein erhöhtes spirituelles Bewusstsein gelenkt werden, auch ohne einen Partner. Die Weisen waren der Ansicht, dass der Orgasmus die Sexualenergie erschöpft, noch bevor sie zu diesem höheren Zweck genutzt werden kann.

„Meiner Erfahrung nach gibt es zwei Wege, zölibatär zu leben, während wir auf den richtigen Partner warten, und ich kenne beide. Der eine besteht darin, die Sexualenergie zu unterdrücken. Wenn wir unsere sexuelle Energie aus Angst unterdrücken, kann dies physische und emotionale Komplikationen zur Folge haben, sexuelle Phantasien und sogar Perversion (wie wir es aus den Medien im Zusammenhang mit katholischen Priestern und Kindesmissbrauch kennen). Der andere Weg besteht darin, die Sexualenergie zu transformieren. Dieser Weg tut mir sehr gut. Es ist am Anfang nicht leicht, beide Wege voneinander zu unterscheiden, und ich glaube, dass die meisten Menschen, die versuchen, das Masturbieren aufzugeben, zumindest anfänglich mit Unbehagen konfrontiert werden.

Sexuelle Energie zu transformieren bedeutet im Grunde, sie für höhere Zwecke zu nutzen, wie z. B. das persönliche Wachstum, spirituelle Praxis, Dienst am Nächsten usw. In meinem Fall war es so, dass ich noch mal zur Schule ging und mich selbst mit meiner akademischen Leistung überraschte. Ich kann ehrlich sagen, dass meine physische und emotionale Gesundheit wesentlich besser ist als zu den Zeiten, in denen ich häufig masturbierte, und ich habe immer noch einen gesunden sexuellen Drang, so wie ich das sehe! Doch ich lernte, dass ich nicht einfach aufhören konnte, zu masturbieren und gleichzeitig mit allem anderen einfach so weitermachen wie früher, wie z. B. mich abzuschotten oder mich mit Fernsehen wegzubeamen. Ich musste die Energie für ein höheres Ziel nutzen. Es kommt mir so vor, als würde der Partner ganz von allein kommen. Ich fange jetzt erst gerade wieder an, mich zu verabreden, nach zwei Jahren. Puh!“

Caitlin

Natürlich nahm ich den Rat der Weisen nicht einfach so als bare Münze. Ich machte meine eigenen Experimente. Sie zeigten mir, dass Masturbation jedes Mal Stimmungsschwankungen in den darauffolgenden zwei Wochen mit sich brachte. Ich zog den Schluss, dass wenige Sekunden intensiven Vergnügens ein hoher Preis für zwei Wochen waren, die mit unberechenbaren Perspektivwechseln durchsetzt waren. Ich stellte außerdem fest, dass mein Gefühl von Verbundensein und Klarheit während meiner spirituellen Praxis in diesen Phasen immer mal wegging oder insgesamt schwächer wurde. Ich fing langsam an zu verstehen, warum die tibetischen Buddhisten den Orgasmus als „das Töten des inneren ­Buddha“ bezeichneten.46 Als ich das beruhigende Gefühl, „im Fluss zu sein“, mehr und mehr genießen konnte, hörte ich allmählich auf, mich selbst zu befriedigen. Und das ohne jeden inneren Konflikt.

„In den Monaten meiner Fernbeziehung habe ich sehr eindeutig feststellen können, wie meine Zuneigung und Liebe zu meiner Freundin wächst, wenn ich nicht masturbiere. Ich sehe das an der Art, wie ich ihr schreibe, genauso wie an einem schönen, überfließenden Gefühl der Liebe, spürbar in der Herzgegend. Nach dem Masturbieren verändert es sich. Das Gefühl der Liebe (die zwar immer noch da ist) wird weniger und die Art, wie ich ihr schreibe, verändert sich auch. Ich werde irgendwie distanzierter, und das spiegelt sich auch in meinen Worten. Wenn ich nicht mehr masturbiere, wird es nach ungefähr zwei Wochen wieder so wie vorher.“

Jeremy

ENERGIEZIRKULATION Möchten Sie eine schnelle Energiezirkulationsübung ausprobieren? Schließen Sie Ihre Augen, spannen Sie die Beckenbodenmuskeln an und ziehen Sie die Energie an der Wirbelsäule entlang bis zum Scheitel Ihres Kopfes. Dann stellen Sie sich vor, wie Sie die Energie an der Vorderseite Ihres Körpers nach unten ziehen und sie in Ihrem Bauchnabel lagern.

Aber wohin mit meiner sexuellen Energie? Einige esoterische Sexhandbücher empfahlen Energieübungen, die man allein machen kann und die die sexuelle Energie nach oben ziehen und sie durch den Körper zirkulieren lassen. Diese Techniken brachten einige Erleichterung, genauso wie Meditation, doch es wurde mir klar, dass ein Partner wesentlich dafür war, meine sexuelle Energie langfristig zu stabilisieren, jetzt, wo der Orgasmus von der Speisekarte gestrichen war. Einerseits fand ich den Gedanken an ein gemeinsames Bemühen sehr schön, doch es war andererseits auch ganz schön beängstigend, mich damit zu konfrontieren, dass ich die Illusion der Selbstgenügsamkeit wohl aufgeben musste.

Während ich die überraschenden Vorteile davon entdeckte, meine Sexual­energie zu konservieren und neu auszurichten, galoppierte der größte Teil der Frauen im Westen genau in die entgegengesetzte Richtung.

Masturbation war in! Von den Frauenmagazinen in jedem Supermarkt­regal blinkten einem Zeilen entgegen wie: The Clitoral Truth: The Secret World at Your Fingertips, Sex for One: The Joy of Selfloving usw. (Die Wahrheit der Klitoris: Die geheime Welt unter Ihren Fingerkuppen und Sex für Singles: Die Freuden der Selbstliebe) Der gute alte Do-it-yourself-Sex schien die offensichtliche Lösung in vielen Situationen zu sein – eine saubere Sache, die auch noch Spaß macht.

Es versteht sich, dass Masturbation etwas ganz Natürliches ist. Es ist gut, ein positives Verhältnis zu den eigenen Genitalien und deren Funktionen zu haben. Bei sexuell aktiven jungen Männern dient Masturbation genetisch gesehen außerdem dazu, dafür zu sorgen, dass jederzeit hochgradig motile – also frische und fruchtbare – Spermien zur Verfügung stehen. Was jedoch unnatürlich ist (in dem Sinne, dass es dies bei unseren Vorfahren so nicht gab), ist die Menge und Intensität der heutigen sexuellen Stimulierung.

Wie wir in Kapitel sechs noch sehen werden, hat eine intensive sexuelle Stimulation bis zu dem Punkt (vorübergehender) sexueller Erschöpfung, auf welche Wege dies auch geschieht, unerwartete Auswirkungen auf unser Gehirn. Kurz gefasst, die auf die Übersättigung folgende Zeit kann unangenehm sein – und ein weiterer Orgasmus sorgt dafür, dass man sich augenblicklich besser fühlt, oder lässt einen zumindest gut einschlafen. Doch auf diese Entspannung folgt eine weitere Phase der Unruhe. Und ohne sich dessen bewusst zu werden, kann es passieren, dass man nur noch masturbiert, um das wiederkehrende Unbehagen loszuwerden, und dabei insgesamt an Wohlbefinden verliert. Und viel schlimmer noch, wenn man dann seine Begierden auch noch für echte Libidoenergie hält, kann man sich gar nicht mehr zurückhalten.

„Ich habe mit dem Do-it-yourself-Sex quasi aufgehört. Fühlt sich besser an. Denn stellen Sie sich einmal vor: Masturbation macht die Frustration nur noch schlimmer.“

Kevin

Wir Menschen haben uns in Stämmen entwickelt. Unser Gefühl von echtem Wohlergehen hängt auch von physischem Kontakt und gegenseitiger Unterstützung ab. Wir sind also nicht wirklich gut geeignet für unseren isolierten modernen Lebensstil. Wen wundert es da, dass viele von uns sich auf jede nur erdenkliche Art selbst behelfen und sich mit zweidimensionalen Partnern und Herzklopfen in Romanform begnügen. Doch zum Glück leben Milliarden von dreidimensionalen Lösungen zu unserem grundlegenden Problem direkt in unserer unmittelbaren Nähe.

„Ich bin sehr klar erwacht, als hätte ich mich in einem Traum befunden. Pornos sind nur noch eine Versuchung und nicht mehr der überwältigende Zwang, der sie mal waren. Gestern habe ich eine tolle Frau kennengelernt. Wenn ich jeden Tag in ihre klaren und liebevollen Augen blicken könnte, würde ich keinen Porno mehr anschauen müssen … denn die Schönheit tatsächlicher Anziehung, die gemeinsam mit einem anderen Menschen empfunden wird, geht so unendlich weit über alles hinaus, was einem ein Orgasmus vor dem PC geben kann. Ich fühle mich, als würde ich mein Leben zurückgewinnen.“

Kurt

Es ist traurig, dass der heutige Trend zur Hypersexualität uns so schnell wieder voneinander entfernt. Ich war gerade dabei, dies herauszufinden, und war doch ziemlich entsetzt über das, was ich da erfuhr.

Das Gift an Amors Pfeil

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