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„Aber was ist mit den ganzen glücklichen Ehen?“

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Natürlich konnte ich nicht umhin, mich zu fragen, was denn eigentlich mit den seit langen Jahren glücklich verheirateten Paaren in meinem Freundeskreis war. Was war ihr Trick, Amors Giftpfeil zu entgehen? Ich fing einfach an, einige der Frauen, die ich gut kannte, zu fragen, ob sie jemals nach dem Sex das Gefühl einer unschönen emotionalen Distanz von ihren Partnern empfunden hatten.

„Ich muss auf Sex mit meinem Mann völlig verzichten.“ gestand eine englische Freundin, die einer kleinen Lerngruppe angehörte, zu der ich ging, als ich in Belgien lebte. „Danach folgten immer Tage unerklärlicher Depression.“ Durch ihr Geständnis ermutigt, stimmte auch eine deutsche Freundin mit ein: „Nach dem Sex bin ich immer ins Bad gegangen, hab mich auf den Badewannenrand gesetzt und geweint. Ich hatte keine Ahnung, was mit mir nicht stimmte. Ich hatte einen netten Mann, zwei wunderbare Kinder und soviel Geld, wie wir brauchten.“ Eine Dritte, eine Dänin, hatte sich von ihrem Ehemann sexuell völlig entfremdet und fand es einigermaßen beruhigend zu erfahren, dass die anderen Paare auch alle in getrennten Zimmern schliefen. Alle waren attraktiv, mit passenden Partnern verheiratet, hatten keine Probleme mit Intimität, ließen sich gern massieren oder wurden gern massiert und scheuten sich nicht, sich mit ihren Problemen zu befassen.

Und doch entschieden sich alle dafür, ihre schlafenden Ehemänner nicht zu wecken, anstatt ihnen einen neuen Zugang zur Sexualität vorzuschlagen. Hilde machte allerdings zuerst ein kleines Experiment. Sie fragte ihren Mann, ob er Sex ohne Orgasmus mit ihr haben würde. Nachdem er monatelang sein unfreiwilliges Zölibat gegen diese „verrückte Idee“ abwog, stimmte er ihrer Bitte schließlich zu. Sie probierten es einmal aus, wenn auch ohne den stufenweisen Austausch von Energie in den folgenden Wochen, der für gute Ergebnisse nötig war, wie ich gerade lernte. „Am nächsten Tag“, so berichtete sie, „waren wir wie verliebte Teenager. Wir gingen im Wald spazieren und er hob mich sogar über einen Zaun, der uns unerwartet unseren Weg versperrte. Wir haben den ganzen Rückweg zum Hotel nur gekichert.“

Die Resultate waren zwar ermutigend, doch nur kurzlebig. Als sie das nächste Mal Liebe machten, bat er sie, ejakulieren zu dürfen, weil es sein Geburtstag war. Sie willigte ein. „Innerhalb von Tagen danach schien er um zehn Jahre zu altern. Ich mag nicht einmal daran denken, ihn anzufassen,“ vertraute sie mir an. Selbst Jahre später ist die ungelöste emotionale und sexuelle Distanz für beide noch eine bittere Pille.

Später fand ich heraus, dass mangelndes sexuelles Interesse das häufigste Problem ist, das Klienten zu Sexualtherapeuten führt. Ich sprach einmal mit einem Paar, das so gut miteinander harmonierte, dass ihr Freundeskreis sie seit Jahren darum beneidete. Dann schockierten sie alle, indem sie sich scheiden ließen. Sie vertraten die Theorie, dass mit ihnen irgendetwas nicht stimmt, weil sie überhaupt keinen Sex miteinander hatten, auch wenn sie noch gern miteinander kuschelten. Ihre Erfahrung ist sicherlich nicht einzigartig. Oprahs Schützling Dr. Phil machte einmal die Bemerkung, dass die sexlose Ehe „eine nicht wegzudiskutierende Epidemie“ sei.71

„Herkömmliche sexuelle Ratschläge kamen mir immer schon sinnlos vor. Als Single soll ich meinen sexuellen Frust loslassen. Und wenn ich dann endlich einen Partner habe, dann muss ich mich hauptsächlich darum kümmern, wie ich mein sexuelles Feuer am Leben erhalte. Wie kann man von einer Frau erwarten, dass sie ihr Leben in zwei so komplett gegensätzliche Verhaltensweisen einteilt, je nach Beziehungsstatus?“

Anne

Das Phänomen der abnehmenden sexuellen Lust ist kein Exklusivgeschehen bei Frauen. „Ich hatte mit meinem Freund schon eine Weile zusammengelebt, bevor wir dann während des Studiums heirateten,“ vertraute mir eine Freundin an.

„Wir waren verrückt nacheinander und sexuell sehr aktiv. Doch kurz nach unserer Heirat zog er sich sexuell von mir zurück. Er konnte mir nicht erklären, warum, und ich konnte den Schmerz nicht ertragen, dass irgendetwas zwischen mir und meinem engsten Gefährten nicht stimmte und ich keine Möglichkeit hatte, es zu verstehen oder zu lösen. Ich fing eine Affäre mit einem Kommilitonen an. Das war zwar Balsam auf die Wunde meines Egos, doch es fühlte sich schrecklich an. Ich war immer stolz darauf gewesen, ehrlich und direkt zu sein, und doch waren meine Handlungen jetzt das genaue Gegenteil. Doch scheinbar ließ mich der Verlust des Gefühls der Nähe mit meinem Mann so verzweifelt sein, dass ich kaum eine andere Wahl hatte.“

Da sexuellem Verkehr in der Beziehung zu einer Ehefrau nichts im Wege steht, dient dieser dazu, die Leidenschaft zu stillen und führt einen Mann häufig zur Übersättigung, was seine Lust um einiges reduziert.

Johannes Chrysostomos, viertes Jahrhundert

Kurz gesagt, je näher ich mir erfolgreiche Ehen anschaute, umso mehr Makel fand ich an ihnen. Sicherlich, in den glücklichsten Ehen waren die Partner einigermaßen zufrieden mit den Kompromissen, die sie eingegangen waren. Doch nach sorgfältiger Untersuchung konnte man auch hier die Trennung zwischen den Partnern erkennen. Die meisten Ehen schienen ganz und gar nicht immun gegen Amors Gift zu sein. Im Gegenteil, es wirkte stärker als ich anfangs gedacht hatte.

Das Gift an Amors Pfeil

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