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1.3 Von der Wanderungs- zur Historischen Migrationsforschung in Deutschland

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Die Historische Migrationsforschung als Teilbereich der Geschichtswissenschaft etablierte sich in Deutschland erst seit den 1980er-Jahren, obwohl die Wanderungsforschung auch in Deutschland bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert einen ersten Höhepunkt erlebte. Das Augenmerk richtete sich damals infolge der Hochindustrialisierung und Urbanisierung zunächst auf die Massenauswanderung in die USA, dann auf die Land-Stadt-Migration sowie die Einwanderung von Arbeitskräften. In der Zwischenkriegszeit wurden die Diskussionen über die Wanderungsbewegungen stark unter deutschnationalen und völkischen Gesichtspunkten geführt; in den Fokus gerieten dabei immer mehr auch Fragen der „Ostkolonisation“ und die deutschen Migranten als „Kulturpioniere“ im östlichen Europa. Es verfestigten sich, gewissermaßen als Meistererzählungen, gleichzeitig zwei Erklärungen für die Auswanderungsbewegungen, die sich bis in die 1980er-Jahre hielten. Nach der einen Erklärung war Migration das Ergebnis der unverhältnismäßigen Entwicklung zwischen Bevölkerungszahl und dem zur Verfügung stehenden Nahrungsspielraum. Um den so auf der Gesellschaft lastenden Bevölkerungsdruck zu minimieren, wurde die Auswanderung als notwendiges Ventil zur Vorbeugung einer gesellschaftlichen Destabilisierung interpretiert. Die zweite Erklärung meinte, die Ursache für die Massenauswanderung in der latenten Wanderungsbereitschaft der Deutschen finden zu können. Verwurzelt war die eine Erklärung in den kameralistischen Vorstellungen des 18. Jahrhunderts, während die andere die frühen Ansätze einer Völkercharakter-Forschung aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert weiterführte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Wanderungsforschung infolge ihrer Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie und wegen der Involvierung in deren Politik diskreditiert. Nicht förderlich für die Etablierung einer auf die vormoderne Zeit ausgerichteten Migrationsforschung war auch die Tatsache, dass die Geschichtswissenschaft ab den 1960er-Jahren mit der Hinwendung zur Modernisierungstheorie vor allem die Zeit der Hochindustrialisierung in den Vordergrund stellte und davon ausging, dass Wanderungsbewegungen in vormodernen Gesellschaften nur sehr gering ausgeprägt waren.

Diese Ansicht stellte Klaus J. Bade immer mehr in Frage, der sich als Neuzeithistoriker bei der Etablierung der historisch orientierten Migrationsforschung in Deutschland selbst vorrangig mit Themen des 19. und 20. Jahrhunderts befasste. Bade definierte die historisch orientierte Migrationsforschung als interdisziplinären Forschungszweig innerhalb der Geschichtswissenschaft bei starker Anlehnung an wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fragestellungen. Als Aufgabe der Migrationsforschung nannte er die Erforschung von Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen der räumlichen Bevölkerungsbewegungen. Zu ihren Untersuchungsfeldern zählte er wiederum das Wanderungsgeschehen und ferner das Handeln der im Migrationsprozess involvierten Akteure.[35]

Heute zeichnet sich die Historische Migrationsforschung durch eine methodische und konzeptionelle Vielfalt aus und hat sich zu einer inter- und transdisziplinären Forschungsrichtung entwickelt. Mit dem Konzept des Migrationsregimes, das von Jochen Oltmer ausformuliert wurde, liegt auch ein Konzept zur Erforschung von Migrationsbewegungen vor, welches es ermöglicht, Prozesse und Strukturen epochenübergreifend zu untersuchen. Allerdings steht das Einlösen dieses Vorhabens noch weitgehend aus.

Mobilität und Migration in der Frühen Neuzeit

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