Читать книгу BeTwin - Martha Kindermann - Страница 10

Tristan

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»Oh, mein Gott.« Eine aufgeregte Stimme dringt neben mein Ohr. Weiblich. Eine warme Hand streicht über die meine. Ich genieße die Berührung, kann aber nichts zurückgeben. »Tristan?« Sie schluchzt. »Tristan, ich bin hier und hoffe, dass es für dich in Ordnung ist, auch wenn du mich im Moment vielleicht nicht hören kannst.« Und wie ich dich hören kann. Klar und deutlich. Deine Stimme verfolgt mich in meinen Träumen. Sie hielt mich die letzten Wochen am Leben. Um diese Stimme zu hören, ertrug ich den Hunger, die Kälte, die Dunkelheit und vor allem die Einsamkeit. Bitte hör nicht auf zu sprechen. Eine bessere Medizin kann mir kein Arzt verschreiben.

»Prof. Pfefferhauser meinte, es sei wichtig, Kontakt zu halten. Klingt mal wieder total bescheuert, aber ich lasse mir gerade von Rafael ein Kissen und bequeme Hosen bringen. Keine zehn Pferde bekommen mich aus diesem Zimmer, bis du ein Zeichen von dir gibst. Das Klo liegt auf dem Gang, wage es also nicht, dein Aufwachen in meine Toilettenzeit zu legen, verstanden!« Sie schmunzelt, das weiß ich auch, ohne es sehen zu können. Das linke Grübchen tanzt dann so schön auf ihrer Wange und der Mund kräuselt sich in einer Art und Weise, dass ich sie auf der Stelle küssen könnte. Oh verdammte Ohnmacht!

»Dein Vater muss jeden Moment hier sein und dann wird es womöglich einen riesigen Aufstand geben. Der Typ, dem die Garage gehört, in der du gefangen warst, wurde in U-Haft gesteckt und das gesamte Areal um das Bürgerhaus ist so lange Sperrzone, bis die Spuren gesichert sind und deine Entführung aufgeklärt ist.« Sie atmet schwer. All diese Worte kommen kaum über ihre wundervollen Lippen. Quäl dich nicht, Liebste. Ich habe die grausigen Details schon von Pfefferhauser, Moreno und mindestens drei Assistenzärzten zu hören bekommen. Mein Hirn ist vernebelt und ich realisiere alles nur bruchstückhaft, aber du musst dir die Last der Aufklärung nicht auch noch aufbuckeln. Halt einfach meine Hand und ich werde gesund. »Keine Ahnung, ob es eine gute Idee ist, aber Tam wird sicher auch hier antanzen müssen. Keine Sorge, in diesen fünf Minuten werde ich garantiert schrecklichen Hunger bekommen um die Kantine aufsuchen zu müssen.« Sie ist so süß und es ist ein unbeschreiblich befreiendes Gefühl, die Gewissheit zu haben, die erste Wahl zu sein. Ich verspüre nicht den Drang, meinen Bruder sehen zu wollen – gut, das kann ich ja auch nicht, aber jeder in meiner Umgebung könnte neue Hinweise geben, wie ich hier hergekommen bin. Meine Erinnerungen beschränken sich auf Gefühle und Empfindungen. Meine Augen waren verbunden und so bekam ich während meiner Gefangenschaft keine Menschenseele zu Gesicht. Ich aß nicht, ich trank nicht, ich musste nie aufs Klo – das ergibt alles keinen Sinn. Die Ärzte sprechen von Monaten. Sie sagen, ich hing an der Nadel wie ein Junkie auf einem beschissenen Trip? Absoluter Megafilmriss. Ich war an jenem Tag auf dem Weg, so viel weiß ich. Aber wohin? Ich sehe mich laufen. Es ist kalt. Ich trage Handschuhe und meinen Patchworkschal. Roya ist nicht da und auch sonst keiner. Es fühlt sich an, als sei mir eine kleine Ewigkeit aus dem Bewusstsein gelöscht worden. Doch am allermeisten interessiert mich der Grund dieser gestörten Aktion. Warum hat mich dieser Typ über Wasser gehalten und mich nicht einfach gekillt? Profitierte er von meinem Verschwinden? Hat die Regierung möglicherweise ein Druckmittel gegen meinen Dad gesucht und ist mit diesem Kerl einen Deal eingegangen?

»Du hast so einiges verpasst, weißt du. Caris wurde gefunden.« Stimmt, Caris wurde ebenfalls vermisst. Seltsam. »Im Gegensatz zu dir wurde sie vermutlich nicht körperlich misshandelt, sondern all ihrer Erinnerungen beraubt. Echt Scheiße. Es kann kein Zufall sein, dass ihr im Abstand von zwei Tagen beide wieder auf der Bildfläche erscheint, meinst du nicht?« Wie soll ich dir diese Frage nur beantworten, meine Schöne? »Aber du wirst nun erstmal gesund und wir kümmern uns um das Warum.« Sie schiebt meinen Beatmungsschlauch vorsichtig zur Seite und legt sich sanft auf meine Brust. »Ich bin so froh, dich wieder zu haben, so unendlich froh.« Mein Schädel brummt, ich bin total im Arsch und todmüde – meine eigenartige Definition von Glück, denn Roya ist hier. Das ist alles, was ich von der Welt gefordert habe. Danke.

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