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Tristan

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»Er sieht überhaupt nicht aggressiv aus, findest du nicht?« Wie lange die ungebetenen Gäste schon in meinem Zimmer stehen, weiß ich nicht, aber der wohltuende Schlaf ist vorerst beendet.

»Wir kennen ihn nicht, Fenja. Fang nicht an, mitleidig zu werden. Wahrscheinlich wacht er nie wieder auf. Und wenn, dann endet er eh auf der irren Station 7, wo er hergekommen ist.« Na, danke auch.

»Elvis, du bist doch das Allerletzte!« Oh, oh, Spannung liegt in der Luft. Die beiden streiten sich und ich bin der Grund dafür? Wir sind uns bisher nur einmal begegnet und doch werde ich zum Mittelpunkt einer Beziehungskrise.

»Glaub mir, irgendetwas an ihm macht mich traurig, nachdenklich, nun ja, betrübt – ach, ich finde nicht die richtigen Worte.«

»Er tut dir leid und du würdest ihm Roya zu Liebe gern helfen?«

»Natürlich, Blödi, sie ist meine beste Freundin. Tam ist nett und ihr seid dicke Kumpel, ich weiß. Doch hinter der Sache steckt noch mehr. Ich möchte meine Entscheidung revidieren und mich nicht mehr für eine Seite entscheiden müssen. Sobald Tristan die Augen aufschlägt, werden wir mehr wissen. Roya ist von seiner Unschuld so überzeugt, dass es mir beinahe das Herz zerreißt, sie nicht ernst zu nehmen.« Bitte Leute, könnt ihr zu Hause über mich und meinen Bruder philosophieren. Es ist schon scheiße genug, hier wie ein Untoter im Bett vor sich hinzusiechen, aber für dieses Gespräch braucht ihr mich doch wirklich nicht.

»Es geht los! Elvis, steh auf!« Jetzt wird es doch noch interessant.

»Wow, was soll das Empfangskomitee?« Roya, meine Retterin. Bitte scheuch die Labbertaschen aus dem Zimmer und nimm einfach meine Hand. Ich bin erst glücklich, wenn wir beide allein sind, auch wenn mich die Mühen der anderen natürlich rühren.

»Schau mal!« Der Singsang in Fenjas Stimme verspricht etwas Verheißungsvolles.

»Ein Brief, nein, 4 Briefe, und?«

»Sieh auf den Kalender, Roya.« Tam, ich wusste doch, dass die Luft im Raum irgendwie modrig riecht. Verdammt, verschwinde! Ich möchte mich aufsetzen, ihn an seinem V-Ausschnitt nach draußen schleifen und mit voller Wucht die Tür zuknallen. Das ist nicht sonderlich kreativ, aber die bloße Vorstellung verschafft mir ein wenig Genugtuung. »1. Juni, klingelt da etwas?« Ach, spar dir deine honigsüße Stimme. Ich weiß genau, wie du sie in diesem Augenblick ansiehst. Lass es, Bruder, lass es!

»Muss ich wohl zwischen Desinfektionsmittel und Gummihandschuhen irgendwie verdrängt haben. Wo habt ihr die eigentlich her?«

»Tja, deine Eltern haben ihn mit dem Versprechen, dich im Anschluss sofort nach Haus zu bringen, bereitwillig rausgerückt.«

»Ist doch auch egal, Mädels. Können wir die Dinger jetzt aufmachen? Fünfzig Prozent unserer Gruppe werden schließlich gleich Teil der Eleveninitiation sein.«

»Elvis, das kannst du nicht…«

»Doch, Roya, ich kann. Los, alle gleichzeitig, auf drei. Eins… Zwei…« Ratsch, Papier wird auseinandergerissen und Stille dominiert die nächsten Sekunden. Man, Leute, spannt mich nicht so auf die Folter. Ich bin des Lesens gerade nicht mächtig, also erzählt schon.

»Nop.« Elvis ist raus, war zu erwarten. Er scheint nicht traurig darüber zu sein und drängt die anderen zur Eile. »Fenja?«

»Nö, puh, Glück gehabt!« Sie küssen sich. Ernsthaft? Ihr seid raus aus dem Spiel und das ist Grund genug, sich vor meinen Augen – na ja, okay, nicht so ganz – abzuschlabbern?

»Tam?« Elvis hält die Anspannung hoch.

»Jo, man, ich bin dabei.« Abklatschen und verhaltene Jubelschreie aus Fenjas Mund folgen.

Roya, hast du auch eine Antwort erhalten? Wie ich sie kenne, öffnet sie den Brief in absoluter Tiefenentspannung und das Millimeter für Millimeter. Ich möchte gerne noch erleben, wie sie ein Geschenk auspackt, einfach nur, um ihr schmunzelnd dabei zuzusehen.

»Jetzt reiß ihn schon auf, den Umschlag braucht kein Mensch mehr!« Fenjas Forderungen bringen gar nichts. Alle halten die Luft an.

»Okay: ›Sehr geehrte Frau Roth, hiermit gratulieren wir Ihnen…‹« Weiter kommt sie nicht. Fenja rastet völlig aus.

»Ja, ja, ja! Wie cool, ihr beide werdet die Hütte so was von rocken. Geil, lasst uns feiern!«

»Ne, Leute, lasst mal. Ganz lieb von euch, aber ich möchte einfach nur hier sein und später das Versprechen an zu Hause einlösen. War eine lange Nacht und ich bin total erledigt. Geht ihr, bitte. Tam hat ein wenig Party verdient.« ›Tamverdient‹ – in einem Satz? Ich möchte nicht weiter darüber nachdenken. Was mich allerdings wundert, ist, dass die Drei sich ohne Widerworte geschlagen geben und auf leisen Sohlen mein Zimmer verlassen. Himmlisch!

»Ach, Fenja, hast du noch eine Sekunde?« Nö, Weibergespräche? Ich will weg!!!

»Für dich doch immer. Jungs, geht schon mal vor.« Jawohl, verschwindet. Ganz weit weg. Ich werde euch sicher nicht vermissen. »Worum geht’s?«

»Würdest du dich für ein Experiment hergeben, welches mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem apokalyptischen Zustand enden wird?« Jetzt wird's ja doch noch spannend.

»Was für eine Frage.« Sie lacht.

»Ich kann noch nicht zu viel verraten, aber es geht um Rafael, meine Eltern, dich und die Wöllers.« Oje, jetzt lässt sie die Katze also aus dem Sack.

»Was willst du von den Wöllers? Haben sie nicht schon genug Apokalypse hinter sich?« Haben sie, Fenja, aber du kennst nur die halbe Wahrheit. Ich übrigens auch, also erzähl schon, Roya!

»Vertraust du mir?«

»Ja schon, aber…«

»Dann sei nächsten Freitag 19:00 Uhr bei mir und bring Zeit und Nerven mit. Sorry, mehr möchte ich dir noch nicht sagen.« Diese Antwort ist unbefriedigend. Ich langweile mich in meinem Bett zu Tode und wenn dann etwas Spannendes passiert, lasst ihr mich außen vor. Ist doch scheiße! »Und Fenja, lass Elvis da raus, okay? Dieser Abend sollte ihn noch nicht belasten müssen. Schaffst du das?«

»Elvis ist mein Anker in Seenot gewesen. Ihm verdanke ich mein Leben. Aber er weiß auch, dass ich Tarik niemals, niemals, niemals vergessen werde. Trotzdem bin ich noch nicht an dem Punkt, an dem ich mit Wöllers und Elvis über vergangene Zeiten quatschen oder alte Wunden neu aufreißen möchte. Das ist meine Baustelle und es sind meine Erinnerungen. Er wird es verstehen.«

»Danke dir! Und jetzt raus. Geht feiern und lasst Tam hochleben.« Bäh! Sie wird doch nicht neue Sympathien für mein Bruderherz entwickeln?

»Ich bin nicht sicher, ob ich nach deiner Ankündigung noch in Feierlaune bin. Schon gar nicht, wenn du hier Mutterseelen allein im Krankenhaus rumsitzt.« Hallo? Ich bin auch noch da.

»Ich bin nicht allein, Fenja!« Sag ich ja.

»Tut mir leid Süße, ich verstehe dich natürlich. Hab dich lieb.«

»Ich dich auch. Los, verschwinde.« Ihr Lächeln und das erfreuliche Geräusch der zufallenden Tür erheitern mein geschundenes Gemüt. Wie überaus poetisch ich da gleich werde…

»Endlich nur wir zwei! Roya und Tristan leben hoch!« Sie schmiegt sich an mich und die Krankenhausparty mit dem Komaboy beginnt.

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