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Ich hasse Tatorte. Da sind Blut und Leichen... und Arbeit. Das ist wirklich das Schlimmste! Wenn es nur die Toten wären und so, da könnte man sich ja noch einreden, dass das ganze irgendwas Abenteuerliches hätte. Aber wenn man weiß, dass man nur da ist, weil einem der Chef gesagt hat, man solle seinen faulen Arsch aus dem Sessel hieven und so ein blödes Verbrechen aufklären, das kann schon echt nerven. Zum Glück war Dr. Schnippler, der Pathologe, schon da. Vielleicht hatte der ja schon den Fall für mich gelöst.

„Ich hab den Fall für Sie gelöst!“

Na prima, so musste das sein.

„Das glauben Sie doch wohl nicht wirklich, oder?“

Mist!

„Aber ich kann Sie mal kurz in die Fakten einweisen.“

Toll, die Fakten. Das war ja genau das, was man hören wollte.

„Ist sicher genau das, was Sie hören wollen. Ach ja, Ihr Chef hat gesagt...“

„...ich solle meinen blöden Arsch aus dem Sessel hieven? Die Schnauze halten? Mich nicht einmischen, wenn sich Erwachsene unterhalten? Die Finger von der Neuen in der Spurensicherung lassen?“

„Das auch! Aber er meinte, Sie tun immer so, als befänden Sie sich in einer Kriminalgeschichte. Ist das so richtig mit Erzähler und so?“

Das war ja nun absoluter Blöd... nein, genau genommen hatte er recht.

„Hm hm“, nickte ich.

„Klingt spannend. Naja, eigentlich nicht. Also, kommen wir zu diesem Fall. Ich präsentiere Ihnen in der Reihenfolge ihres Auftretens: Da ist in der Hauptrolle des Verstorbenen: die Leiche. In der Rolle der Mordwaffe: ein Beil. Und als zuverlässiger Zeuge, der uns genaues über den Tathergang berichten kann: leider niemand. Folgendes hat sich zugetragen: Es war gegen 19 Uhr des heutigen Tages, als die zu diesem Zeitpunkt noch sehr lebendige Leiche namens Dieter Brokel dieses Zimmer betrat. Noch ehe sie sich die Schuhe aus- und die Hausschuhe anziehen konnte, steckte ein Beil in ihrer Stirn. Und da steckt es immer noch. Sehr gute Qualität, aus rostfreiem Stahl. Das Opfer war dementsprechend sofort tot – und der Mörder ist verschwunden. Ihre Aufgabe, Inspektor Luser, wenn Sie sie annehmen – und Ihr Chef hat mir gegenüber deutlich gemacht, dass Sie keine andere Wahl haben – ist es, diesen ominösen Täter zu finden. Noch Fragen?“

„---?“

„Außer die, wer der Täter ist?“

„Dann nicht.“

„Viel Erfolg!“

„Danke.“

Toll. Ich sah mir die Leiche an. Schnippler hatte nicht übertrieben. Das Beil steckte genau in der Stirn und der Gesichtsausdruck zeigte eine gewisse Überraschung. Warum zeigen in solchen Geschichten die Gesichter immer Überraschung? Klar, da kommt man nichts Böses ahnend nach Hause und statt des Abendessens auf dem Tisch kriegt man ein Beil in den Kopf. Aber... wo bleibt da der Schmerz? Sowas tut doch bestimmt sauweh, also warum wendet man sich, statt die Überraschung für den ermittelnden Beamten als Indiz ins Gesicht zu meißeln, nicht vor dem Dahinscheiden noch dem Schmerz zu?

„War er verheiratet? Hatte er ne Freundin? Nen Lebensgefährten? N Haustier?“

„Er hat einen Fisch.“

„Können wir den als Tatverdächtigen ausschließen? Oder... ist es ein Kampffisch?“

„Nein, kein Kampffisch.“

War ja klar!

„Ein ganz gewöhnlicher Goldfisch. Und er ist noch in seinem Aquarium.“

„Könnte er nach der Tat dahin zurückgeklettert sein? Um... unauffällig zu wirken? Gibt es eine Blutspur zum Aquarium? Oder eine auffällige Wasserspur durch das Zimmer?“

„Nein. Ich denke, der Fisch war nicht in den Mord verwickelt!“

„Hm, da wäre ich nicht so sicher. Vielleicht war er das Tatmotiv. Weil der Ermordete den Fisch mehr liebte als seine Frau. Sich hingebungsvoll um ihn kümmerte, ihm täglich sein Wasser wechselte, ständig neue blubbernde Taucher in sein Becken stellte und immer neue Schätze in der Schatztruhe neben dem Schiffswrack versteckte, während er sogar den Geburtstag seiner Frau vergaß?!“

„Das könnte in der Tat sein. Bis auf...“

„Er hatte keine Frau?“

„Richtig!“

„Ich hasse solche Fälle!“

„Nach dem, was wir bisher wissen, hat er allein gelebt. Keine Verwandten, keine Ehefrau, keine Kinder.“

„Und ein Fisch.“

„Den hatten wir schon als harmlos eingestuft.“

„Und wenn er an ihm erstickt wäre? Wenn das Beil in seinem Kopf nur ein Ablenkungsmanöver ist?“

„Oooookay. Und wie soll ein 8cm langer Fisch ein 40cm großes Beil gehalten haben?“

Ich nickte. „Gutes Argument.“

„Wenn Sie mehr über Fische erfahren wollen und ihre Möglichkeiten als Mörder verdächtigt zu werden, dann sollten Sie sich mal die Sendung Guppi Zeit ansehen, die ist sehr lehrreich. Die kommt... die kam heute zwischen 17 und 18 Uhr. Haben Sie wohl verpasst.“

„Und da werden berühmte Fischverbrecher vorgestellt oder was? Der weiße Hai und warum man ihn anhand seiner Gebissabdrücke überführen konnte? Was ist mit Moby Dick? Der hat doch Captain Ahab umgebracht. Mord!“

„Moby Dick ist ein Wal.“

„Ja, und?“

„Und... damit kein Fisch sondern ein Säugetier. Genauso wie Flipper, bevor Sie den auch noch verdächtigen.“

„Und Lassie?“

„War ein Hund.“

„Einen Hund hatte er nicht?“

„Nein, keinen Hund, keinen Wal und auch keinen Delphin, den er in der Badewanne hält und der vielleicht mit dem Goldfisch im Aquarium unter einem Hut stecken könnte, weil die beiden gemeinsam den Mord an Herrn Brokel geplant haben und sich nun gegenseitig ein Alibi geben.“

Das war zutiefst enttäuschend. Ich überlegte, welche gängigen Detektivklischees man sonst in einem solchen Fall ins Rennen brachte.

„Gibt es Spuren eines Einbruchs? Ist der Mörder hier eingedrungen? Wurde er vielleicht vom Opfer überrascht?“

Ich sah mich um. Es sah nicht so aus, als gäbe es hier irgendetwas von Wert. Außer vielleicht in der Schatzkiste des Aquariums. Ansonsten bot die Bude einen eher deprimierenden Anblick.

„Nein, nichts deutet auf einen Einbruch hin.“

Das half mir nicht weiter. Obwohl, genau genommen schon. Um ehrlich zu sein half es mir sogar noch eher weiter, als wenn es einen Einbruch gegeben hätte. Denn dann hätte es jeder sein können. Also zumindest jeder Einbrecher. Jetzt aber deutete alles – oder, sagen wir: einiges – darauf hin, dass das Opfer seinen Mörder selbst hereingelassen oder dass der Mörder einen Schlüssel hatte.

„Er kann nicht durchs offene Fenster rein gekommen sein, oder?“ vergewisserte ich mich sicherheitshalber.

„Hier im achten Stock?“

Sehr gut!

„Und, wie wollen Sie jetzt vorgehen?“

Mist! Da hatte er mich erwischt. Ich hatte nicht die geringste Ahnung. In diesem Moment passierte das Unerwartete...

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