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ОглавлениеIch fuhr herum. Hatte es heute jeder auf mich abgesehen? Erst zwang mich mein Chef dazu, zu arbeiten, dann machte mich eine wahnsinnige Schwangere zum Vater ihres ungeborenen Kindes und jetzt bedrohte mich ein dank Alibi unverdächtiger Hausbesitzer? Was war los? War Vollmond? Hatten die Leute nichts Besseres zu tun? Hatte ich vielleicht doch schon meinen Mörder gefunden. Und, war das nicht ausgesprochen zweideutig? Hatte ich MEINEN Mörder gefunden, also denjenigen, der MICH umbringen würde? Oder nur den von dem Fall, den ich gerade bearbeitete? Und wurde der gerade zu ersterem? Vor allem, während ich all das vor mich hindachte, anstatt, wie es ein vernünftiger Mensch gemacht hätte, in irgendeiner Weise zu reagieren. Meine Waffe zu ziehen, zum Beispiel. Wild um sich zu schießen. Oder zumindest mal in die Richtung des Hausbesitzers zu kucken. Was ich jetzt tat.
„Also was is nu? Sie ham wieda nich zugehört, oda? Ich hab grad erzählt, wie diesen Typ im Fernsehn seine Waffe gezogen und sie den Polizisten an die Stirn gedrückt hat und dann hat den gesagt: ‚Sie sind ein toter Mann.’ Und da wollt ich ma fragen, wie Sie als Polizisten auf sowas reagieren würden? Ham Sie da ne Ausbildung für, die Sie auf sowas vorbereiten tut, oder wie sieht dat aus?“
„Äh, ja, wir werden gut ausgebildet, damit wir mit sowas spielend fertig werden!“ log ich. „Bevor da einer auch nur auf falsche Gedanken kommt, haben wir da schon reagiert.“
Ich drückte ihm meine Karte in die Hand.
„Falls Ihnen noch was einfällt, rufen Sie mich an.“
„Hot Fox, Porno-Versand?“
„Äh, DAS hier ist meine Karte, die hier ist... von einem anderen Fall.“
Ich machte mich aus dem Staub, bevor er weitere Fragen stellte, die ich nicht beantworten konnte. Dabei war das genau falsch herum. ICH sollte die Fragen stellen und ER sollte sie nicht beantworten können. So hatte ich das im Fernsehen gelernt. So machte man das bei der Polizei. Und wer die wenigsten Fragen beantworten konnte, war schuldig. Aber nein, heute war ja auf einmal alles anders. Heute mussten sie es mir ja besonders schwierig machen!
Ich wusste nicht, wo ich hin sollte. Im Präsidium wartete nur mein Chef auf mich, der nichts besseres zu tun haben würde, als mich anzuschreien, in der Pathologie lauerten mir schwangere Frauen auf, die nichts besseres zu tun hatten, als mich zu bedrohen und... was blieb da noch. Der Tatort war sauber und... ich hatte eine Spur. Naja, etwas, das einer Spur nahe kam. Naja... ich hatte irgendwas, womit ich den Nachmittag totschlagen konnte.
Also machte ich mich auf den Weg. Leider wusste ich nicht, auf welchen, aber dann kam ich auf die blendende Idee, einfach mal in die Akten zu schauen, die ich schon den ganzen Tag mit mir herumschleppte. Das half weiter! Ich war selbst überrascht. Also, was stand da über die fünf ermordeten Fliesenleger... Wo hatten sie eine Lehre gemacht? Es... stand natürlich nicht drin. Super. War ja klar. Warum sollten die Antworten auch einfach sein? Ich hängte mich ans Telefon und klapperte die Firmen ab, bei denen die Toten gearbeitet hatten.
Da ich keins dabei hatte, fuhr ich dafür wieder in die Pathologie. Anschließend verglich ich meine Ergebnisse mit Dr. Schnippler, den das alles merklich nicht interessierte.
„Es stört Sie doch nicht, wenn ich währenddessen Zeitung lese?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Also, was haben Sie herausgefunden?“
„Nun, ich habe die Theorie, dass es eine Verbindung zwischen den Toten gibt. Sie arbeiten nicht in derselben Firma und sie haben nicht für denselben Bauherren gearbeitet, aber es muss eine Verbindung geben.“
„Und welche Verbindung?“
„Die Lehre! Sie müssen nicht in derselben Firma arbeiten, aber vielleicht haben sie ja alle in derselben Firma die Lehre gemacht.“
„Und?“
„Tjaaaaaa, zwei der fünf sind im Betrieb von Willy Wurstig ausgebildet worden – was so klingt, als sollte mir das etwas sagen. Offensichtlich ist das so eine Art Star im Bereich des Fliesenlegens.“
„Das ist er! Sie kennen ihn nicht?“
„Äh, nein.“
„Willy Wurstig ist der Erfinder der selbstreinigenden Pathologieraumfliesen. Ohne ihn wären Autopsien eine sehr unschöne Angelegenheit.“
„Sind sie das nicht so auch?“
„Hm, guter Punkt.“
„Wie haben Sie die Schweinerei hier denn sonst immer sauber gekriegt?“
„Da gibt’s so ne Firma, die sich auf sowas spezialisiert hat. Die sind ziemlich gut, haben aber jetzt nicht mehr viel zu tun. Weiter.“
„Gut, einer hat eine Lehre bei Firma Fliesig gemacht, einer bei Fliesen & Sanitär Blöker und der letzte bei Dachdeckerbedarf Kachelmann.“
„Soviel also zu Ihrer Theorie!“
„Ja. Da ist nur folgendes...“
„Und das wäre?“
„Sie hatten alle fünf denselben Ausbilder! Arnie Wilscheck! Ich nehme an, es ist die übliche Geschichte: Wilscheck hat sie in der Ausbildung zur Schnecke gemacht, hat sie sexuell missbraucht oder was auch immer, und jetzt wollen sie sich an ihm rächen.“ Mir fiel ein leichter Fehler in meiner Theorie auf. „Nein, Blödsinn! SIE sind ja tot. ER will sich an ihnen rächen. Vielleicht haben SIE ihn in der Ausbildung zur Schnecke gemacht und missbraucht? Oder etwas in der Art. Irgendetwas ist damals vorgefallen, und jetzt hat sich Arnie Wilscheck dafür gerächt.“
„Sie sagten Arnie Wilscheck?“
„Ja.“
„Arnold P. Wilscheck, von Fliesen Wilscheck?“
„Äh... ja?!“
„Der hat ein Alibi.“
„Ein gutes?“
„Das beste! Er ist tot!!!“