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Die Privatisierung des Todes

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In der Finsternis lauerte der Tod. Und wenn ich lauerte sage, dann meine ich saß. Lag schon fast. Etwas gelangweilt. Eigentlich extrem angeödet. Und mit Finsternis war auch eigentlich eher ein naßtrüber Regentag gemeint. Und mit Tod... nun, es war jemand, der für den Tod arbeitete. Ein Lizenznehmer.

Seit der Tod seine Arbeit auf Subunternehmer outgesourced hatte, lief vieles nicht mehr so glatt, wie man das vom Tode gewohnt war. Seelen wurden plötzlich an die falschen Orte gebracht. Manche Sterbende wurden zu früh abgeholt, manche gar nicht. Hin und wieder wurde auch mal eine Seele gestohlen. Es war furchtbar. Also noch furchtbarer, als der Tod ohnehin schon war.

Früher konnte man sich wenigsten noch auf den Tod verlassen. Heute war das nicht mehr so. Und das war schlecht, für alle. Was, wenn auf einmal zig Krebspatienten gar nicht starben, obwohl ihre Ärzte etwas anderes prognostiziert hatten? Dann würde man das nicht den schlechten Ärzten vorwerfen, sondern den guten Medikamenten. Die Leute würden anfangen zu glauben, dass Chemotherapie tatsächlich eine Wirkung hätte, ja, dass es ein Mittel gegen Krebs geben würde. Dass sie dabei übersahen, dass die Kinder in der nahe gelegenen Kita plötzlich und ohne erfindlichen Grund alle das Zeitliche gesegnet hatten, war nur zu verständlich.

Der Tod müsste sich doch in dem Grabe, das er sich zwar selbst ausgehoben, aber nie benutzt hatte, umdrehen – und das laufend. Das Fährunternehmen über den Styx würde privatisiert werden, soviel stand fest. Aber wie üblich sparte man an Wartung und Service. Und nahm nebenbei noch andere Aufträge an – das alles unter irgendeiner Billigflagge. Die Folge würde unweigerlich sein, dass der Kahn von irgendeinem besoffenen Kapitän gegen einen Felsen gesteuert wurde und der Hades in einer riesigen Ölpest unterging.

Walhalla würde wegen mangelnder Rentabilität geschlossen werden. Oder wegen ruhestörenden Lärms. Im Garten Eden käme es zu Streiks der Müllabfuhr und in kürzester Zeit wäre aus dem Paradies eine Müllkippe geworden – im wahrsten Sinne des Wortes. Einzig die Hindus mit ihrem Karma würden von der Privatisierung des Todes verschont bleiben. Vorerst. Und wofür das alles?

Damit der Tod auf der faulen Haut liegen konnte. Damit seine müden Knochen auf irgendeiner Südseeinsel in der Sonne lagen und er einen Cocktail nach dem anderen schlürfte, während irgendwelche Manager die Rechte an ihm an der Börse verspielten. Sie setzten alles auf Tod – doch der erhoffte Krieg blieb aus. In Afrika gab es eine Rekordernte. Es war ein Jahr ohne Naturkatastrophen. Die Börse brach ein – und der Tod mit ihr.

Von nun an musste man es sich leisten können, zu sterben. Nur, wer eine Option auf den Tod erwarb und jahrelang in einen Todesfond einzahlte, konnte noch entschlafen. Alle anderen waren zum Untode verdammt. Und dann...

„Ich habe genug gehört“, unterbrach der Tod.

„Aber“, der Manager fingerte an seiner Powerpoint-Präsentation herum, „ich habe Ihnen doch das Modell „Spar und Stirb“ noch nicht gezeigt. Oder unsere Ideen für die Karma-Modernisierung: Wenn man zahlt, kriegt man ein besseres Leben, da ist gutes tun gar nicht mehr notwendig. Und wie ist es mit unserer...“

„Ich muss Sie bitte, zu gehen.“

Der Tod erhob sich. Die Manager sahen ihn enttäuscht an.

„Der Tod bietet so viele Möglichkeiten.“

„Ich weiß“, sagte er. „Aber Sie übersehen dabei eine Kleinigkeit.“

„Und die wäre?“

„Was mit Leuten geschieht, die wirklich schlimme, wirklich dumme Dinge getan haben.“

Die Manager sahen sich an. Dafür hatten sie noch kein Konzept ausgearbeitet. Aber es klang vielversprechend.

„Und... was geschieht mit diesen Leuten?“

Der Tod lächelte.

„Nun, das werden Sie sicher bald erfahren!“

Nochmal Blut gegangen

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