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Reise in die Literatur

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Ich stöberte schon immer gerne in Buchläden herum, aber ganz besonderen Spaß machte es mir, in besonders kleinen und alten Läden nach Schätzen zu suchen. Deshalb war ich hellauf begeistert, als ich am 20. dieses Monats auf HILLMEIER, ANTIQUITÄTEN UND BÜCHER (AN- UND VERKAUF) stieß. Gerade der Text in Klammern erfreute mich besonders, denn, auch wenn ich alte Bücher sehr schätze, bin ich nicht reich genug, sie mir auch immer leisten zu können, und so war mir dieser Text, welcher auf nicht allzuhohe Preise schließen ließ, nur willkommen. Der Laden befand sich an der Ecke Burgstraße und Lindenallee und er wirkte wirklich recht alt – fast so, als gehöre er in die Zeit, aus der er Ware anbot.

Die Tür betätigte eine kleine, alte Glocke, die über ihr angebracht war, wieder etwas Nostalgie, denn sie klang noch nach einer Glocke, nicht nach einem Videospiel. Behutsam schloss ich die Tür und als ich mich dem Laden zuwandte, stand hinter der kleinen Theke des kleinen Ladens ein kleiner, alter Mann. Auch er schien vollkommen in diese Umgebung zu passen. Anheimelnd war das richtige Wort für das Lädchen. Ruhig, und in keiner Weise überlaufen.

"Guten Tag", sagte ich.

"Guten Tag, mein Herr, was kann ich für Sie tun?"

"Hmm, ich möchte mich bitte umsehen, nur mal so schauen..."

"Mein Laden steht Ihnen zur Verfügung. Wenn Sie Hilfe brauchen, ich bin nebenan", sagte der Mann und verschwand wieder. Ich nickte noch einmal und begann, mich umzusehen. Es gab Stühle, Schränke, Gemälde, einen Sekretär, altes Silber, Porzellan – und, natürlich, Bücher!

Ich nahm mal hier eines aus dem Regal, sah mir den Titel an, ließ die Seiten wehen, stellte es wieder zurück, prüfte dort, beschnupperte dieses, las jenes; es gab eine Menge, die ich nicht kannte, weil ich sie nicht gelesen hatte, zum Beispiel DAS KAPITAL. Andererseits gab es aber auch Werke, deren Namen mir in keiner Weise geläufig waren. SCHWEIGEN UNTER DEM REGENBOGEN von Desmond Black, STEIN AUS GOLD von Jonathan T. McFried, DIE NACHT HAT IHRE TÜCKEN von Arnold O´Brien oder DER HENKER MIT DEM ROTEN SCHAL vom selben Autor. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

Zugegeben, es gibt tausende von Autoren, Millionen von Büchern, so dass es schwer ist, sie alle zu kennen. Diese jedoch machten auf mich den Eindruck, bekannt zu sein, oder aber zu einer anderen Zeit in der Literatur keine Unbekannten gewesen zu sein. Vielleicht irrte ich mich auch. Handelte es sich um Groschenromane oder war es das, was man allgemein als anspruchsvolle Literatur bezeichnete? Doch darüber würde ich mir ohnehin kein Urteil anmaßen, wusste ich doch, wie fließend die Grenzen waren und dass der Wert eines Textes nicht zuletzt von der Sympathie bestimmt wurde, die der Leser zum Text oder sogar zum Autoren selbst entwickelte oder schon entwickelt hatte. Nicht umsonst hatte man seine Lieblingsautoren.

Wie beschworen fiel mir nun ein Buch mit dem Titel REISE IN DIE LITERATUR in die Hände. Auf dem Einband wurde kein Autor genannt, nur der Titel, sonst war er schwarz. Wahrscheinlich handelte es sich um ein Sachbuch, dachte ich und warf einen Blick hinein.

Lieber Leser,

Sie haben das Buch REISE IN DIE LITERATUR aufgeschlagen. Ich bewundere Ihren guten Geschmack – und Ihren Mut! Lehnen Sie sich zurück, machen Sie es sich bequem, treten Sie ein und lassen Sie sich fesseln von dem, was die Welt zu ihrer Literatur erkoren hat, von dem, was aus der Feder von Autoren stammt, deren Gräber schon längst vergessen sind, deren Kinder schon längst gestorben sind, deren Nachfahren sie alle aus ihrer Vergangenheit gelöscht haben im grauen schnellen Alltag dieser Welt. Treten Sie über die Schwelle, die die Lebenden von der Welt der unsterblichen, niemals auszulöschenden und stets lebendigen Literatur trennt. Ergeben Sie sich der Schöpfung der Menschen selbst, die länger andauert, als die Gottes. Tauchen Sie aus der realen Welt in die Welt der Literatur, der Phantasie. Hier werden Sie Schätze finden, Orte sehen, die Sie nie für möglich gehalten hätten. Tauchen Sie ein!

Ich muß gestehen, dies ist kein Sachbuch, falls Sie das gedacht haben. Aber lassen Sie sich dadurch nicht verwirren, begeben Sie sich stattdessen mit mir auf eine lange Reise. Versetzen Sie sich in meine Lage. Die Geschichte beginnt so:

Ein junger Mann betritt einen Buchladen, um zu sehen, ob er vielleicht ein gutes Buch günstig kaufen kann. Diese Szene können wir ausschmücken, wie wir wollen, können sie in jeder Variation und mit jeder Person besetzen, die wir wollen. So beginnt die Geschichte meistens, es gibt auch ein paar andere Anfänge, aber dies ist eigentlich der Ausgangspunkt, von dem wir normalerweise unsere Reise beginnen. Jedenfalls findet unser Protagonist ein ganz besonderes Buch, er fängt an zu lesen, liest weiter und weiter...

Er kann sich nicht mehr von dem Buch lösen, ist gefesselt von der Handlung, von der Umgebung, vom Buch selbst...

So beginnt die Geschichte meistens, meine Version kennen Sie ja bereits. Hiermit möchte ich Sie in diesem Buch herzlich willkommen heißen, auch im Namen der anderen. Wenn Sie weiter lesen, und das werden Sie zwangsläufig, werden Sie die unglaublichste und vielleicht schönste Reise Ihres Lebens machen. Sie werden sich der Schönheit der Gedichte erfreuen, sich in die Erzählungen und Geschichten einfühlen können und irgendwann werden Sie selbst Ihren Beitrag leisten und Ihre eigene Geschichte erzählen. Sie haben es geschafft, der realen Welt Lebewohl zu sagen, Sie sind nun ein Teil dieses Buches, so, wie wir alle, die wir begannen, dieses Buch zu lesen, ein Teil davon wurden. Nett, dass Sie uns Gesellschaft leisten, denn dies ist ein wahrhaft fesselndes Buch!

Nochmal Blut gegangen

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