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Das Mädchen auf dem See

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Es war Donnerstag, spät am Abend. Er kam vom Billardspielen. Weil es Winter war, war die Dunkelheit schon über das Land hereingebrochen.

"Tschüß, Leute", verabschiedete er sich von seinen Freunden.

"Ciao, Mischa", meinte sein Freund Hugo. "Und komm gut nach Hause!"

"Klar. Und danke für die Zigarre."

"Gern geschehen."

"Bis morgen."

Mischa fuhr los. Es war ein schöner Abend. Er fühlte sich gut und ihm war noch nicht danach, nach Hause zu fahren. Vielleicht würde er vorher noch in dem Park, der auf seinem Weg lag, Hugos Zigarre qualmen.

Am Bahndamm entlang, unter der kleinen Unterführung hindurch und dann lag er auch schon vor ihm. Er fuhr ein paar Meter über den beleuchteten Fahrradweg und dann hinein in den dunklen Park. Hugo hatte ihm einmal den Tipp gegeben, auf unbeleuchteten Wegen sein Fahrradlicht auszuschalten, was er nun tat. Seine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit und er sah, wie er den mittleren der drei Teiche passierte. Beim letzten Teich hielt er vor einer Bank an und sah sich um.

Es war ruhig und angenehm und der Teich war mit einer Eisschicht überzogen. Das reizte ihn. Sollte er mal testen, ob das Eis wohl halten würde? Lust hätte er, aber-

Zeit für ein bisschen Genuss. Er zog die Zigarre aus der Tasche und ließ den Blick schweifen. Um den Teich herum standen Schilder, die das Betreten der Eisfläche untersagten. Sogar im Sommer! Er musste grinsen.

"Hallo."

Gerade hatte er sich die Zigarre anzünden wollen, aber nun fuhr er erschrocken zusammen. Hinter ihm stand ein Mädchen. Sie schien, wie er in dem spärlichen Licht erkennen konnte, unglaublich hübsch zu sein.

"Oh, hallo", murmelte er inzwischen mehr erstaunt als erschrocken.

Ihre nahezu vollkommene Figur hatte sie in eine Daunenjacke gehüllt und über ihre Schulter hatte sie ein Paar Schlittschuhe gehängt.

"Was machst du denn hier?" fragte er.

"Ich will das Eis testen! Kommst du mit?"

Sie war einfach zu verführerisch. Und wann traf man schon mal mitten in der Nacht ein attraktives Mädchen? In einem Park? Es musste ein Traum sein. Er steckte die Zigarre wieder in die Tasche, deutete auf das Eis und sagte: "Ist das denn schon fest genug?"

Das Mädchen lächelte: "Ich denke, es wird uns schon tragen!"

Sie legte ihre Schlittschuhe auf die Bank, an die er sein Fahrrad gelehnt hatte, lächelte ihn himmlisch an – und betrat das Eis des Teiches.

"Sei vorsichtig", mahnte er.

Sie schien seinen Einwand nicht gehört zu haben, denn sie schritt weiter auf den Teich hinaus. Ohne jede Furcht. Sie war wirklich ein tolles Mädchen, dachte er. Wo sie wohl herkam?

"Du solltest vielleicht nicht so weit rausgehen", versuchte er es ein letztes Mal bevor bei ihm gewissermaßen das Eis brach. "Das ist ja eigentlich verboten. Hast du die Schilder nicht gelesen?"

"Nun komm schon, die gelten nur im Sommer!" Ihr vom Mond beschienenes, lächelndes Gesicht war einfach unwiderstehlich.

"Und wenn wir einbrechen?"

"Werden wir nicht."

"Was macht dich da so sicher?"

"Ich kenne diesen Teich sehr genau!"

"Mich würde interessieren, woher", murmelte er, während er auf das Eis trat. "Warte..."

"Komm", lockte sie ihn. Sie stand fast in der Mitte des Teiches. Lächelnd streckte sie ihm die Hände entgegen und sein mulmiges Gefühl verschwand. Er lächelte.

"Wie oft nimmst du denn jemanden mit aufs Eis?"

"Och, alle paar Jahre!"

"Hmm. Ist sicher nicht ungefährlich."

"Das Eis wird uns schon tragen!"

Er ging auf sie zu. Er war nur noch ein paar Schritte von ihr entfernt. Ihr Lächeln war so strahlend. Und dann war es um ihn geschehen. Er verliebte sich in sie. Mit ihr, das wusste er plötzlich, würde ihm nichts passieren. Sie war… dann hatte er es begriffen. Sie war die Frau seines Lebens. Mit ihr wollte er zusammenbleiben, bis zu seinem Tod, nein, bis in alle Ewigkeit! Ihm war auf einmal klar, dass sie füreinander bestimmt waren. Er lächelte glücklich. Sie öffnete ihre Arme… und er brach ein. Das Eis war zu dünn gewesen. Jedenfalls für einen Menschen.

Mischas Leiche wurde nie gefunden. Das einzige, was man von ihm fand, war sein an die Bank gelehntes Fahrrad. Was er nicht gewusst hatte, war, dass vor etwa acht Jahren ein Mädchen, das ungefähr in seinem Alter gewesen war, beim Schlittschuhlaufen in der Mitte des Teiches durch zu dünnes Eis gebrochen und ertrunken war. Auch ihre Leiche hatte man nie gefunden.


Ein paar Jahre später.

Ein junges Paar saß ineinander verschlungen auf einer Bank in einem Park. Sie sollten eigentlich auf einer Fete sein, doch sie wollten die Einsamkeit des Parkes zum Schmusen nutzen.

Weil es Winter war, hatten sie einen triftigen Grund, sich eng aneinander zu schmiegen, um die Körperwärme (und wahrscheinlich auch ein paar Körperflüssigkeiten) auszutauschen. Denn es war kalt. Und der Teich war mit einer Eisschicht überzogen!

Als sie ein "Hallo" hörten, fuhren sie erschrocken zusammen.

"Oh, wart ihr auch auf der Fete?" fragte der Schmuser. "Ist etwas warm da drinnen, nicht?"

"Nein", antwortete der Junge, der den Arm um sein Mädchen gelegt hatte. Sie trug ein Paar Schlittschuhe über der Schulter. "Habt ihr vielleicht Lust mitzukommen?" Mischa und das Mädchen lächelten. "Wir wollen das Eis testen!"

Nochmal Blut gegangen

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