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Der Traum des Bauern von den Ratten, den Reichen und dem System

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In jener Nacht regnet es. Jede Nacht um diese Zeit regnet es sehr viel. Der Regen spült den ganzen Dreck der Straßen hinunter in die Kanalisation. Unter dem Gehweg sammelt sich alles, was durch die Schlitze der Gullys passt. Eine wahre Schlachtpartie für die ganzen Ratten, die in der Unterwelt der Stadt ihre Zelte aufgeschlagen haben. Hier brodelt das Leben wie in der Pappstadt. Dicht gedrängt, rennen sie auf und ab, um den einen oder anderen verrottenden Leckerbissen zu erhaschen. Es sind viele von ihnen. Viel essbarer Dreck wird jeden Abend vom Regen zu den Ratten gespült. Man könnte meinen das die Ratten mit dem Regen eine Abmachung haben.

Der Regen ist Europa und verteilt die Reste. Die Straßen sind Afrika. Die verwesten Essensreste kommen vom Bauern.

Nein die Ratten sind nicht die Armen Afrikas. Die Ratten sind die Reichen, die mit dem ungeniessbaren Essen nochmals Gewinn machen. Dazwischen irgendwo liegen natürlich die Armen. Die braucht es, um die Reichen reicher zu machen. Das Schmiermittel, welches das Rädchen der Maschine am Laufen hält, ist die unterste Schicht. Hier gibt es ein perfektes System. Wehe dem, der aus der Rolle tanzen will. Wehe dem, der von unten her das System blockieren oder nach oben will. Wer unten ist, muss unten bleiben, ob er will oder nicht. Denn unten muss Unten sein, damit es ein gesundes Oben gibt. Ohne ein gesundes Oben kann das Unten eh nicht existieren. Darum ist es wichtig, sich an all diese Regeln zu halten. Die oben sind klug. Sie kennen Möglichkeiten, die Situation immer in das Gleichgewicht zu bringen. Das es manchmal vorkommt, dass einer von unten seinen Platz verlässt, ist leider nicht zu verhindern. Jeder will nach oben.

Wenn der Revoluzzer die erste Zeit alleine überlebt, ist es vielleicht möglich, nach oben zu kommen. Wahrscheinlicher aber wird er mit den Fischen schwimmen, bevor er überhaupt seine Forderungen stellen kann. Die oben wollen das nicht. Jeder hat seinen Platz. Verlässt du ihn, dein Risiko. Schaffst du es, ein bisschen nach oben zu kommen gibt es eine Bedingung an die sich jeder hält. >Die unter sich unten zu halten<. Der, der aufsteigt und seine Familie könnten dann in einem kleinen Wohlstand leben. Natürlich nur ein wenig besser. Zuviel braucht es dann auch wieder nicht. Es sind ja meistens sehr ungebildete Leute. Gewalttätig, bereit, alles zu riskieren, um aufzusteigen. Hauptsache heraus aus den Zahnrädchen der Mühlen, welche sie unten hält. Niemand verlässt das Hamsterrad. Auch wenn sie glauben, sie haben sich befreit, sind sie immer noch gefangen.

Der Bauer erwacht aus seinem Traum. Er dreht sich vom Rücken zur Seite und schläft wieder ein.

Annisas Flügel

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