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Gummigewehr und Papier-U-Hakerln
ОглавлениеZur Verteidigung unserer Burg verfügten wir über zwei Waffen, das Gummigewehr und U-Hakerln. Das Gummigewehr war bei den Kindern von Weitersfeld allgegenwärtig. Es bestand aus einem Stück Holz, eigentlich einem Stück Brett, das wie ein Gewehr zugeschnitten wurde. Auf der Schmalseite des Brettes wurde bei zwei Drittel der Länge eine Kluppe auf das Brett genagelt. Zu dem Zweck musste man die Kluppe auseinander nehmen. Der Unterteil wurde auf das Brett genagelt, ehe die Kluppe wieder zusammengesetzt wurde.
Das Geschoß war ein Rex-Gummi. Rex war der Name der Firma, die Einkochutensilien produzierte, von Gläsern über Gummiringe bis zu großen Einkochbehältern. Diese Gummiringe gab es im Laden im Dorf zu kaufen. Da auch mein Vater gerne Kompotte und wunderbare Marmeladen einkochte oder wie es auch hieß „einrexte“, gab es diese Gummiringe auch bei uns daheim in Hülle und Fülle.
Wirklich gut flogen aber nur neue Gummis, weshalb wir sehr oft mit den Rädern ins Dorf fuhren, um neue Rex-Gummis – es gab sie in Zehnerpackungen – zu kaufen.
Diese Rex-Gummis musste man mit ihrer Ausbuchtung (die eigentlich zum Herausziehen aus dem Spalt zwischen Deckel und Einkochglas dienten) auf dem Ende des Gewehrs festhalten und dann den Gummi soweit nach hinten ziehen, dass er in der Kluppe einrasten konnte. Ein gut gespannter Gummi konnte im Idealfall bis zu zwanzig Meter weit fliegen. Er verursachte keine Verletzung. Nur auf der bloßen Haut brannte er etwas.
Mit Rex-Gummis konnte man auch herrlich Papier-U-Hakerln schießen. Diese flogen dann je nach Beschaffenheit sogar noch um einiges weiter. Um entsprechende Lager am Heuboden anlegen zu können, von wo wir auf die herbeieilende Frau Sirf oder die Magd Lina schossen, saßen wir vier lange Nächte und wickelten U-Hakerln. Dies war ein recht mühsamer Prozess, aber wir entwickelten bald eine erstaunliche Fingerfertigkeit.
Ideal für U-Hakerln war ein etwas stärkeres Papier. So eigneten sich insbesondere Firmenkataloge in ganz hervorragender Weise für die Produktion unserer Geschosse, die wir uns zu beschaffen wussten. Jedes Frühjahr und jeden Herbst fand in Graz die Große Messe statt. Der Messebesuch war schon wegen des Vergnügungsparks ein Pflichttermin für uns Kinder. Auch die Eltern gingen gerne auf die Messe. Mein Vater war ständig auf der Suche nach Verbesserungen für das Weitersfelder Haus und ein begeisterter Hobby-Handwerker und Gärtner. Da es damals noch keine großen Baumärkte gab, war die Messe der perfekte Ort für ihn. Auch im Bereich der Elektronik und der Wohnungs- und Kücheneinrichtung zeigte die Messe jedes Jahr die neuesten Produkte und das oft mit einem Messesonderangebot und besonders günstigen Einführungspreisen.
Wir wanderten durch die Messehallen und sammelten so viele Kataloge, wie wir nur tragen konnten. Und dann hatten wir die Abende während des Schuljahres, an denen wir in weiser Voraussicht unserer „Notwendigkeiten“ in den Sommerferien an der U-Hakerl-Produktion arbeiten konnten. Die fertigen U-Hakerln wurden in Kakao-Dosen gelagert, über ihren Bestand wurde sorgfältig Buch geführt.
Im darauf folgenden Sommer waren wir besser als je zuvor „gerüstet“. Ein genauer Plan zeigte, an welchen Stellen des Heubodens Lager mit U-Hakerln versteckt waren, so dass wir jederzeit „nachladen“ und die „angreifende“ Frau Sirk und ihre Magd beschießen konnten. Oftmals wurde auch meine Mutter versehentlich beschossen, wenn sie kam, um uns von der Burg zum Essen zu holen.