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Einleitung
(fur ältere Leser) Weitersfeld

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Als ich auf die Welt kam, fanden meine Eltern, dass die Wohnung in Graz bei der Herz-Jesu-Kirche für zwei Kinder zu wenig Auslauf bieten würde. So kauften sie in dem kleinen südsteirischen Ort Weitersfeld, etwa fünf Kilometer von Mureck entfernt, ein Stück Grund und begannen ein kleines Wochenendhaus zu bauen.

Der Ortsteil Weitersfeld-Mur besteht nur aus zwei Bauernhöfen und einem Fährübergang über die Mur (damals nach Jugoslawien, heute nach Slowenien). Daneben gibt es Weitersfeld-Dorf und ganz draußen an der Bundesstraße, schon fast zwei Kilometer von unserem Haus entfernt, Weitersfeld-Straße.

Das kleine, fischerhüttenartige Häuschen mit Erdgeschoss und erstem Stock war 1962 bezugsfertig, und ab dann verbrachten wir jede freie Minute, Wochenenden, Feiertage und alle Ferien (als wir größer wurden mit Ausnahme von Urlaubsreisen) in Weitersfeld.

Weitersfeld war ein Kindertraum. Es war unberührte, wilde Auenlandschaft mit Tierreichtum, es war die für Stadtkinder faszinierende Welt der Bauern, es war Freiheit und Lebenserfahrung.

Es ist das Einssein mit dem Ort, das nicht neu Erfahren-Müssen, das Bescheid-Wissen. Der Ort atmet in einem. Jede kleine Veränderung in der Umgebung, im Geruch und in der Atmosphäre des Orts wird vom Körper wahrgenommen, gewogen, bewertet und zu den Erfahrungswerten eingereiht.

Glücklich, wer einen Ort hat, aus dem er entwachsen ist und mit dem er einen ewigen Faden der Zugehörigkeit gesponnen hat. Es ist Kraft, pures Lebenselixier, das ein solcher Ort ungefragt anbietet – injiziert.

Das Dort-Sein ist der Wert an sich, das Dort-Leben wird zum Ereignis.

Erst später lernte ich, dass dieses Land an der Mur auch eine sehr bewegte Geschichte hatte. Römer, Awaren, Slawen, Bayern, Ungarn, Türken kamen, siedelten und verließen das Land, nicht ohne Spuren zu hinterlassen. In Weitersfeld gab es ein Wasserschloss, das der Sage nach von einem grausamen Raubritter bewohnt wurde. Bis 1919 war die Auenlandschaft an der Mur kein Grenzgebiet. Die Katastrophen der beiden Weltkriege forderten von der Bevölkerung an der Mur große Opfer. Viele kehrten aus den Kriegen nicht mehr zurück. Noch heute gibt es keinen Ort entlang der Mur, der nicht auf einem Kriegerdenkmal die Namen der Gefallenen verzeichnen würde.

Eine besondere Gruppe unter den Einheimischen in Weitersfeld bildeten die in der ehemaligen Untersteiermark beheimateten deutschsprachigen Steirer, die nach dem Ersten oder nach dem Zweiten Weltkrieg das heutige Slowenien verlassen mussten und sich – möglichst nahe ihrer ursprünglichen Heimat – ansiedelten. Oftmals hörte ich als kleiner Bub die Geschichten von den blühenden Landwirtschaften, die sie jenseits der heutigen Grenze besessen hatten.

Durch große Regulierungsarbeiten an der Mur existieren viele der in diesem Buch beschriebenen Orte heute nicht mehr, Schlägerungen zur Vergrößerung der Ackerflächen haben das Gebiet weiter verändert. Viele der im Buch vorkommenden Personen leben heute nicht mehr. Noch immer gibt es, vor allem zwischen Lichendorf und Spielfeld, aber auch zwischen Gosdorf und Radkersburg dichte Auenlandschaften mit ihren natürlichen Schönheiten.

Auch das Jugendparadies der Viererbande gibt es nicht mehr. Es lebt aber im Herzen derer weiter, die diese Zeit erlebt haben. Das vorliegende Buch stellt den Versuch dar, die Erinnerungen an Kinder und Jugendliche weiterzugeben und ihre Abenteuerlust zu wecken.

Steirische Lausbubengeschichten

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