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Irren ist menschlich, auch bei Aposteln
ОглавлениеDie Anekdote von Jesu Rausschmiss aus seiner Heimatstadt hat uns den Spruch beschert: Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterland. Bis heute ist der Satz ein geflügeltes Wort geblieben in unserer Sprache. Offensichtlich entsprach er verbreiteter Erfahrung und tut es immer noch.
Noch eine andere Lehre können wir aus dieser Geschichte ziehen, und die hat mit Gesundheits- und Kirchenbehörden zu tun. Dazu muss man vorab wissen: Zu Jesu Zeit fiel die Gesundheitsaufsicht in die Kompetenz der Religionsverwaltung. Ihre Aufgabe war es, über die Einhaltung der Gesetze, also auch der Gesundheitsgesetze zu wachen. Krankheit wurde damals übrigens als etwas verstanden, das den ganzen Menschen betrifft und beeinträchtigt – seinen Geist, seinen Körper, seine Gefühle, sein Herz = seine Identität. Eine Einsicht, der wir uns heute erst mühsam wieder annähern. – Was wir also aus dieser Episode lernen können ist: Nicht nur Gesundheitsamt und Kirchenbehörden liegen bisweilen völlig daneben mit ihren Urteilen, gerade auch wenn es um die Beurteilung von Fragen geht, für die sie zuständig sind. Fehleinschätzungen von Organisationen lassen sich häufig recht einfach erklären: Eigeninteressen, vor allem Machtansprüche, trüben oder verhindern regelmäßig die Wahrnehmung von Realität und Wahrheit. Das galt damals, das gilt auch heute.
Aber, wie gesagt, nicht nur Behörden täuschen sich. Es irren sich auch Menschen, die dem Glauben besonders nahestehen. Wie hier die beiden Personen, die Jesus in seiner Familie am besten kennen müssten: Maria, seine Mutter, und Jakob, sein nächster Bruder. Überliefert sind uns die oben geschilderten Begebnisse ja von Verfassern, die zwischen den Jahren 70 und etwa 90 schrieben. Zu jener Zeit war Maria als Mutter Jesu längst eine Persönlichkeit, die Verehrung genoss. In bestimmten Gemeinden wurde sie bereits als Jungfrau verehrt. Jakob, Jesu Bruder, galt unwidersprochen als Apostel – in der urchristlichen Gemeinde war das die höchste Autoritätsbezeichnung.
Wir sehen: Die Bibel berichtet – hier wie auch an anderer Stelle – ganz schonungslos von der grundlegenden Fehlbarkeit christlich-kirchlicher Autoritätspersonen. Unfehlbarkeit, absolute Gewissheit in Glaubensfragen, lässt sich mit dem Zeugnis der Evangelisten nicht begründen. Die Sehnsucht nach Unfehlbarkeit, nach totaler Sicherheit wird wohl aus anderen, nicht-christlichen Quellen gespeist.