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Giluchepa

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Suppiluliuma, der junge König der Hethiter war ein ehrgeiziger Herrscher. Schon einmal hatte der Pharao dem König von Gubla, Rib-Addi, Hilfe leisten müssen. Nachdem in jener Gegend Friede und Ruhe eingekehrt war, hatte Suppiluliuma seinem „Bruder“ Amenhotep III. Freundschaft geschworen. Noch sahen der Pharao und seine Berater, Amenhotep, Sohn des Hapu, und Eje, keine Ver­anlassung, Suppiluliuma nicht zu trauen. Jedoch Tus-Ratta, der König der Churriter von Mitanni fühlte sich von der Streitmacht der Hethiter erneut be­droht und wandte sich an den Pharao.

Als die Botschaft von Mitanni eintraf, berief der Pharao eine Ministersitzung ein. Im Audienzsaal des Palastes wurden die Abge­sandten, die kostbare Geschenke mitbrachten, empfangen. Horus Neb-maat-Re Amenhotep saß im vollen Ornat auf dem Thron. Er trug über dem Nemes-Kopftuch mit der aufgerichteten Kobra die Doppelkrone, die rote Krone Unterägyptens mit der aufge­setzten weißen Krone Oberägyptens, auf dem Haupt, und am Kinn den Königsbart. Sein gefälteltes Gewand reichte bis zu den Knö­cheln, die Ärmel fielen ihm lose von den Schultern über die Ober­arme. In den Händen hielt er gekreuzt den königlichen Krummstab und den Wedel. Zu seiner Linken saß die Große Kö­nigsgemahlin. Auch sie trug ein fein gefälteltes, knöchellanges weißes Kleid mit einem breiten, farbig bestickten Halskragen. Ihr eigenes Haar hatte sie unter einer Perücke verborgen, auf der die Krone der Großen Kö­nigsgemahlin mit der Sonnenscheibe und zwei hoch aufragenden Straußenfedern ruhte, eine Krone, die vor ihr noch keine Königin getragen hatte und die ihre Teilhabe an der Macht des Pharaos un­terstreichen sollte.

Die Abgesandten schilderten die Lage und ihre Befürchtung, vom mächtigen Nachbar aus den unwirtlichen nördlichen Bergen angegriffen zu werden.

Am Abend fand ein großes Bankett zu Ehren der Abgesandten Tus-Rattas statt, zu dem weitere hohe Beamte mit ihren Frauen ge­laden wurden. Den Gesandten, Eje und dem Sohn des Hapu wurde die Ehre zuteil, am Tisch des Pharaos und der Großen Königsge­mahlin auf dem Podium Platz zu nehmen. Die übrigen Gäste saßen unten im großen Saal an kleinen Tischen. Frauen und Männer hat­ten ihre besten Gewänder angezogen. Ein betörender Duft von den im Raum zerstreuten Blumen und von den durchlöcherten Näpf­chen auf den Perücken der Damen, aus denen langsam parfümierter Wachs niedertropfte, erfüllte die Luft und vermischte sich bald einmal mit dem würzigen Geruch der Speisen, die von luftig bekleideten Dienerinnen hereingetragen wurden. Während des Es­sens wurde Musik gespielt, und später traten nackte Tänzerinnen auf.

Die Gesandten staunten über den Luxus und die Pracht. Das Dach des Saales wurde von Papyrusbündelsäulen getragen, der Bo­den bestand aus farbiger glasierter Keramik. Ihre Füße waren solch glatten Untergrund nicht gewohnt. Balancierend hatten sie sich vor­sichtig auf ihm bewegt. Das Podium, auf dem sie zusammen mit dem Königspaar saßen, trug goldene Verzierungen. Die Wände waren bemalt mit Gastmahlszenen. Ihre Blicke folgten den Regis­tern, übereinander angebrachten Bändern, auf denen ganze Ge­schichten in Bildern dargestellt waren. All das, was sie hier erleb­ten, das Auftragen der Speisen, den Verzehr von Fisch, Fleisch und Geflügel, von Gemüsen und Früchten und das Ausschenken von Wein aus kostbaren Krügen in goldene Becher, die Lautenspieler und die Tänzerinnen, fanden sie hier abgebildet wieder.

Und erst die Menschen, die hier oben auf dem Podium und unten im Saal an den Tischen aßen und sich im Gespräch unterhielten: Außer den wenigen jungen Töchtern der vornehmen Familien, de­nen noch ihre Jugendlocke über die Schulter fiel, und die Blumen in ihr Haar gesteckt hatten, trugen alle Frauen schwarze Perücken. Doch nicht nur die Frauen, auch die Männer hatten Perücken auf­gesetzt und waren geschminkt. Mit schwarzer Farbe hatten sie ihre Augen umrandet, die Lider grün bemalt, die Lippen rot und selbst die Hände geschminkt. Die Gesandten aus dem raueren Norden kamen sich ganz nackt unter den kostümierten und mit goldenen Armreifen und Ketten behangenen Ägyptern vor.

Nach dem Essen verließ der Pharao als Erster den Saal. Als nach ihm die andern aufbrachen, waren auch die Leute aus Mitanni satt, nicht nur von den köstlich mundenden Speisen, sondern auch von den Eindrücken, die durch Augen und Ohren in sie eingedrungen waren.

Am nächsten späteren Vormittag wurde ohne die Abgesandten Tus-Rattas über das Anliegen des Mitanni-Königs beraten.

Als Erster richtete der Pharao, wie es die Tradition vorschrieb, das Wort an die Versammelten:

„Wir verstehen die Befürchtungen Tus-Rattas, doch wir müssen auch unsere Interessen wahren. Wir dürfen den Frieden an unserer Nordgrenze nicht gefährden. Suppiluliuma ist stark. Es wäre falsch, den Löwen zu reizen durch unüberlegte Entsendung einer Streit­macht. Anderseits wäre es gefährlich, die Hethiter glauben zu las­sen, es wäre uns gleichgültig, was mit Mitanni geschieht. Was rätst du, Huy Amenhotep, Sohn des Hapu?“

„Du sprichst weise, Majestät“, antwortete Huy. „Den Frieden zu erhalten ist das Wichtigste. Wir können uns keinen unnötigen Krieg leisten. Doch wir müssen Suppiluliuma zu verstehen geben, dass Tus-Ratta unser Freund ist und wir ihn nicht im Stich lassen.“

„Dem pflichte ich bei“, fuhr Eje fort. „Suppiluliuma muss wis­sen, dass er nicht ungestraft einen unserer Freunde angreifen kann. Unser Heer ist stark genug, um ihn von einem solchen Schritt ab­zuhalten.“

„Männer, ihr alle habt Recht“, ergriff nun auch Teje das Wort. „Ägypten braucht den Frieden. Aber ich fürchte, dass sich Suppiluliuma nicht lange aus Furcht vor unserer Heeresmacht abschrecken lässt. Wir müssen unsere Beziehungen zu den Babyloniern und Assyrern en­ger gestalten. Erst wenn sich diese beiden Völker mit uns und mit Mitanni verbünden, wird Suppiluliuma an unsere Bereitschaft, ihn nicht gewähren zu lassen, glauben.“

„Das ist ein kluger Vorschlag, den wir unbedingt in die Tat um­setzen sollten“, wandte sich nun Huy an die Große Königsgemah­lin. „Doch gestatte mir, Majestät, die Bemerkung, dass wir dazu Zeit brauchen. Wir dürfen die Abgesandten Tus-Rattas nicht mit leeren Händen nach Hause gehen lassen. Sie sollen nicht nur mit einem Versprechen, sondern mit einem sichtbaren Zeichen heim­kehren können. Was meinst du zu diesem Vorschlag, Majestät?“, fragte er den Pharao. „Du hast einen Harem, aber du hast offiziell keine der Frauen deines Vaters als Nebenfrau übernommen. Nie­mand, auch die Priesterschaft, kann etwas dagegen sagen, wenn du den König von Mitanni bittest, dir eine seiner Töchter zur Neben­frau zu geben. Eine solche Heirat wäre das sichtbare Zeichen und würde das Bündnis zwischen Ägypten und Mitanni besiegeln, so dass auch Suppiluliuma erkennen müsste, dass es uns mit dem Ver­spre­chen, Tus-Ratta beizustehen, ernst ist.“

Hätten Tejes Blicke töten können, der Sohn des Hapu wäre auf der Stelle umgefallen und hätte sein Leben ausgehaucht. Doch erst als der Pharao seinem Vorschlag mit sichtlichem Wohlgefallen zu­stimmte, erreichte ihr Hass in ihr seinen Siedepunkt. Doch sie be­herrschte sich. Nur ihre Mundwinkel verzogen sich nach unten und ihre Lippen erinnerten an den Schmollmund, der ihr als Kind eigen war, wenn sie mit sich und der Welt unzufrieden war.

Eje hatte seinen Blick der Freundin zugewandt. Er las ihr die ge­zügelte Auflehnung gegen dieses Vorhaben vom Gesicht ab. Doch gegen die allgemeine Zustimmung mochte er nichts einwenden. Es war ja nichts Ungewöhnliches, dass der Pharao sich Nebenfrauen nahm. Jeder seiner Vorfahren hatte sich einen Harem gehalten, und die eine oder andere Haremsdame war neben der Großen Königs­gemahlin zur Königin ernannt worden. Auch Teje hatte früher oder später damit rechnen müssen. Nicht zuletzt dachte er auch daran, dass sich so sein Umgang mit Teje in Zukunft etwas entspannter entwickeln könnte.

Am Nachmittag wurden die Abgesandten aus Mitanni wieder in den Audienzsaal gebeten. Wieder saß der Pharao im königlichen Ornat auf dem Thron, neben ihm die Große Königsgemahlin.

Der Pharao verkündete den Beschluss und bat die Gesandten, seinem Bruder, dem König von Mitanni, den Wunsch zu überbrin­gen, dass er eine Prinzessin nach Ägypten schicken wolle, wo er sie mit allen Ehren empfangen und sie als seine Gemahlin in den Ha­rem aufnehmen werde, wo sie unter der Obhut und dem Schutz der Großen Königsgemahlin stehen und alle Privilegien, die einer Prin­zessin zustehen, genießen werde.

Teje hörte sich die Worte ihres königlichen Gemahls regungslos an, und nur ihr Mund verriet Eje, der sie beobachtete, ihre gehei­men Gedanken.

„Als Schirmherrin des königlichen Harems“, sagte Eje zu ihr, als er sie später allein traf, „wirst du wohl die kleine Prinzessin in Schranken halten können.“

Doch Teje nahm seine Worte ziemlich unwirsch entgegen. Sie wusste zwar wohl, dass es nicht in seiner Macht gestanden hatte, dem Pharao den Vorschlag vom Sohn des Hapu auszureden. Aber dass er es jetzt vor ihr als etwas Selbstverständliches hinzunehmen schien, verdross sie.

Als einige Zeit später Prinzessin Giluchepa in Ägypten eintraf, machte der Pharao dieses Ereignis mit der Ausgabe von weiteren Skarabäen im ganzen Land bekannt, auf denen er verkündete:

„Ein Wunder geschah seiner Majestät, Leben, Gesundheit und Stärke, als Giluchepa, die Tochter des Königs Tus-Ratta von Mi­tanni, mit dreihundertvierzehn Dienerinnen eintraf.“

Echnatons Wahn

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