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Die Große Königsgemahlin

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Nach den großen Feierlichkeiten kehrte langsam der Alltag in der Stadt und im Palast wieder ein. Teje hatte neue, der Gemahlin des Pharaos gebührende Räumlichkeiten bezogen. Sie hatte nun ständig eine ganze Schar von Dienerinnen um sich, die sich um ihr Aussehen und ihr Wohlergehen zu kümmern hatten. Sie selbst hatte jetzt die Aufsicht über den königlichen Harem am Rande der Oase Fajjum, den Amenhotep von seinem Vater Thutmosis übernommen hatte. Zwar hatte der junge Pharao keine der Frauen zur Nebenfrau genommen, doch die Pflicht gebot es, dass er weiterhin für ihr Leben sorgte. Das junge Paar, beide waren erst sechzehn Jahre alt, genügte sich selbst.

Eje hatte wenig Zeit, seinem Kummer zu frönen. Das hätte auch nicht seinem Charakter entsprochen. Er richtete sich sein Haus ein und hatte auch sonst viel mit den Truppen zu tun, die er befehligte. Viel Zeit verbrachte er in den Ställen mit den Pferden und maß sich mit andern Offizieren bei Pferderennen. Er kannte die Pferde so gut, dass er stets die beiden schnellsten vor seinen Wagen zu spannen wusste. Sein Ehrgeiz hätte es nicht zugelassen, einmal nicht zu gewinnen. So fand er denn auch immer spärlicher Gegner, die bereit waren, gegen ihn anzutreten.

Vom Palast hielt er sich, so gut dies ging, fern. Wenn er doch einmal zum Pharao gerufen wurde, um mit ihm und den Generälen die Lage in Nubien oder im Norden zu besprechen, dann vermied er es, Teje zu begegnen. Bei solchen militärischen Besprechungen war auch immer Huy Amenhotep, der Sohn des Hapu, dabei, auf dessen Rat man besonders hörte. Dieser bemerkenswerte Mann war nicht nur Chef der Rekruten, sondern auch Wahrer der Geheimnisse des Kep, einer militärischen Organisation im Palast, in der Söhne nubischer Fürsten streng erzogen wurden. Manche dieser „Kinder des Kep“ kehrten nach ihrer Ausbildungszeit nach Nubien zurück, andere blieben am Hof als Erzieher oder nahmen hohe Stellungen im Heer oder als Beamte ein.

Teje, selber nubischer Abstammung, war glücklich, solche jungen Leute, die kaum älter waren als sie, um sich zu haben, und unterhielt sich oft mit ihnen. Manchmal verglich sie den einen oder andern, der einen besonders gestählten Körper und kräftige Muskeln besaß, mit Eje. Sie alle hatten, wie sie selber ja auch, eine braune Haut, dunkle Augen und ein feuriges Temperament.

Obwohl sie gerne ihren alten Freund wieder gesehen hätte, zögerte sie, ihn zu sich in den Palast kommen zu lassen. Als sie es nach Monaten tun wollte, erfuhr sie, dass er in den Süden aufgebrochen war, um von dort aus eine militärische Expedition zu leiten, die vor allem zum Ziele hatte, die Goldminen und die Transportwege durch die Wüste zu sichern, die in letzter Zeit von räuberischen Banden überfallen worden waren.

Mit einem leichten Erschrecken stellte sie fest, dass sie ein starkes Bedauern in sich aufsteigen fühlte. Monate würden jetzt vielleicht vergehen, bis sie ihn wieder sehen könnte. Auch musste sie, als sie in sich hineinhorchte, gestehen, dass sie um ihn bangte. Auf einer solchen Expedition könnte viel geschehen. Schon die Fahrt auf dem Nil, durch die Katarakte konnte gefährlich sein. Die Nilpferde konnten ein Boot zum Kentern bringen, und schon mancher gute Schwimmer war von Krokodilen geschnappt worden. Und die wilden Tiere auf dem Land, die Löwen und Elefanten. Und dann die Räuber...

Als sich das erste Jahr ihrer Ehe dem Ende zu neigte, kam Teje in die Wehen. Tuja und Mutemuia sorgten dafür, dass alles für die Geburt in die Wege geleitet wurde. Als es so weit war, wurden Amenhotep, Juja, Huy, der Sohn des Hapu, Cheriuf, der Verwalter des Besitzes der Königin und weitere hohe Beamte als Zeugen gerufen.

Teje gebar eine gesunde Tochter. Sie bekam den Namen Sat-Amun.

Einige Tage nachdem Teje erfahren hatte, dass Eje nach Memphis zurückgekehrt war, schickte sie einen Diener in sein Haus.

Als er kam, warf er sich vor ihr auf den Boden und küsste ihre Füße. Sie aber bat ihn aufzustehen.

„Ich dachte, du möchtest mein Kind sehen“, begründete sie die Botschaft ihres Dieners, als Eje gekommen war. Natürlich hatte auch er von der Geburt Sat-Amuns gehört, aber vor allem war er wegen Teje gekommen, und es schien ihm, als hätte auch sie die kleine Sat-Amun nur als Vorwand erwähnt.

Das Kind war schon einige Monate alt. Beide beugten sich über die Wiege, in der Sat-Amun schlief. Als sich ihre Köpfe berührten, wich Teje nicht zurück, und Eje spürte wie früher jenes erregende Gefühl

„Verzeih mir“, entschuldigte er sich schnell für das leichte Zusammenstoßen, ergriff dabei aber Tejes nackten Arm, was sein Prickeln in der Haut nur noch verstärkte.

Teje lächelte. Sie schien es ihm nicht übel zu nehmen. Es war ja auch nicht absichtlich geschehen.

Das Betrachten des schlafenden Kindes erschöpfte sich bald. Und als Sat-Amun erwachte und Teje nach der Amme gerufen hatte, damit sie das Kind hinausbringe und stille, setzten sie sich auf Kissen einander gegenüber.

Ejes Augen ruhten lange auf der Großen Königsgemahlin. Sie schien durch die Geburt reifer geworden zu sein.

„Du bist noch schöner geworden, Teje“, sagte er, „Pharao ist zu beneiden.“

Er erwartete, dass sie ihn zurechtweisen würde. Doch sie tat es nicht. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht.

„Du bist ein Schmeichler“, wehrte sie sich nur gegen das Kompliment, doch er beteuerte, dass er die Wahrheit gesagt habe.

„Majestät, du weißt, ich bin ein großer Anhänger der Maat“, antwortete er. „Sie verkörpert ebenso Wahrheit wie Ordnung und Gerechtigkeit. Du darfst meinen Worten glauben.“

Sie schien ihn nicht ganz ernst zu nehmen. Sie lachte so ungezwungen, wie sie früher gewesen war.

„Du musst mich nicht Majestät nennen. Und du brauchst dich vor mir auch nicht auf den Boden zu werfen, wenn wir allein sind. Wir sind doch Freunde.“

Langsam erkannte er in ihr wieder das fröhliche Mädchen von früher, das manchmal auch schmollen konnte, allerdings meist zum Schein, nur um mit einem anerkennenden Wort, einer freundschaftlichen Geste wieder aufgeheitert zu werden.

Eje fühlte die alte Ungezwungenheit zwischen ihnen wieder aufleben. Das machte ihn froh.

„Ich freue mich, wenn du wieder kommst“, sagte sie zu ihm, ehe er ging.

Zum Abschied küsste er sie auf die Wange. Sie ließ es geschehen, auch wenn sie mit einem Lächeln ihre Hand wie abwehrend auf seine nackte Brust legte.

Zu einem baldigen Wiedersehen kam es nicht. Aus dem Norden hatten die Botschafter Nachrichten gebracht, wonach die Hethiter unter ihrem jungen König Suppiluliuma in einer Schlacht die Churriter in Mesopotamien besiegt hatten und ihnen eine große Anzahl von Streitwagen in die Hände gefallen waren. Amenhotep und der Sohn des Hapu waren beunruhigt. Die erbeuteten Streitwagen verliehen den Hethitern eine Stärke, die Ägypten bedrohlich werden konnte. Dem musste zweifach entgegen gewirkt werden. Einmal musste das Heer im Süden Syriens verstärkt werden. Dazu sollte Eje, den Amenhotep zum General ernannte, weitere Truppen in den Norden schicken. Da er schon beim Hilfszug für Rib-Addi nach Gubla Erfahrungen in diesem Teil des Reichs gesammelt hatte, schien er der geeignetste Mann zu sein. Zum andern aber sollten mit den Truppen Unterhändler gesandt werden, die dann weiter bis nach Hattuscha, der Hauptstadt des Hethiterreiches gehen und mit Suppiluliuma friedliche Beziehungen aufnehmen sollten. Diese Botschafter wurden ermächtigt, im Namen des Pharaos einen für Ägypten günstigen Vertrag auszuhandeln, der die Sicherheit bewahren und Handelsbeziehungen ermöglichen sollte.

Ejes Truppen waren so gut ausgerüstet, dass schon in den nächsten Tagen der Abmarsch mit Streitwagen und Fußsoldaten erfolgen konnte. Zwei Unterhändler und einige Begleiter schlossen sich ihnen an. Ohne Zwischenfall kamen sie bis zum Libanon, wo die Truppen zurückblieben. Die Unterhändler zogen weiter und erreichten zwanzig Tage später nach einem anstrengenden Marsch in den Bergen Hattuscha. Sie wurden von Suppiluliuma freundlich empfangen.

Der König der Hethiter war ein junger kräftiger Mann mit wildem Gesicht, das durch seinen buschigen Schnauzbart noch grimmiger aussah. Auf dem Kopf trug er eine farbige Stoffkappe, die er Tag und Nacht zu tragen schien. Denn nie sahen sie ihn baren Hauptes.

Suppiluliuma war an guten Beziehungen zu Ägypten interessiert. Es schien, dass auch er Frieden mit seinen Nachbarn haben wollte. Bereits hatte er mit den besiegten Churritern in Mitanni und den Amoritern einen Friedensvertrag geschlossen.

Als die Unterhändler mit ihren Begleitern zurückkehrten, schloss sich ihnen Eje an. Daheim konnten sie dem Pharao die beruhigende Nachricht überbringen, dass Suppiluliuma den Frieden wünsche und die Grenzen Ägyptens respektiere. Er betrachte den Pharao als seinen Bruder.

Nachdem die Unterhändler reichlich belohnt worden waren, erbat Eje eine Audienz beim Pharao, zu der er auch die Anwesenheit Amenhoteps, des Sohns des Hapu wünschte.

„Majestät“, begann er, „ich wollte dich nach der guten Nachricht, die deine Gesandten dir überbracht haben, nicht beunruhigen. Doch ich mag auch nicht schweigen über eine Begegnung, die wir auf dem Heimweg gehabt haben. Die andern haben davon kaum Kenntnis genommen. Doch ich habe mich mit einigen Hirten, denen wir unterwegs begegneten, unterhalten können. Sie erzählten, dass sie sich von Palästina aus auf den Weg gemacht hätten, um einer Hungersnot, die ihnen dort drohe, zu entkommen. Sie wollten mit ihren Herden nach Ägypten ziehen in der Hoffnung, hier genügend Nahrung für Mensch und Tier zu finden. Ich fürchte, sie werden ins Delta ziehen und dort ihre Tiere auf deinen Ländereien weiden lassen.“

„Wie viele waren es?“, fragte Huy.

„Es war eine kleine Gruppe, die wir angetroffen haben. Doch ich fürchte, dass noch mehr unterwegs sind. Sie haben dies auch angedeutet, konnten uns aber keine Zahlen nennen. Wenn aber in Palästina eine Hungersnot herrscht, dann dürften noch weitere zu uns kommen wollen.“

„Wir danken dir für deinen Bericht“ sagte Amenhotep.

Und Huy meinte: „Solange es nur kleine Herden sind, sollte uns dies nicht beunruhigen. Doch wir sollten sie im Auge behalten. Wenn es zu viele sind, können wir sie immer noch an der Grenze aufhalten.“

„Da ist aber noch etwas anderes. Ich habe mich nach ihren Göttern erkundigt. Wenn ich sie richtig verstanden habe, beten sie keine Götter an. Sie verehren nur einen einzigen Gott, den Gott Abrahams.“

Amenhotep, der Sohn des Hapu, beschwichtigte ihn: „Wenn sie den Gott Abrahams anbeten, dann gehören sie jenem Volk der Hebräer an, von denen ein großer Teil schon lange Zeit bei uns lebt. Du hast deine Jugend in Ipu verbracht. Dort leben kaum Menschen aus jenem Volk, und du wirst nicht von ihnen gehört haben. Wir haben sie als Arbeitskräfte eingesetzt, und wir sind froh um sie. Allzu viele können wir allerdings nicht mehr brauchen. Darum werden wir an der Grenze unsern Wachen strenge Weisung geben. Es ist wahr, die Hebräer glauben an einen einzigen Gott. Aber wir haben schon für andere fremde Götter in unserm Land Schreine gebaut, wo die Fremden, die bei uns wohnen, ihre eigenen Götter anbeten können“, erklärte er. „Dass dieser Gott Abrahams unsere Götter bedrohen könnte, scheint mir unwahrscheinlich zu sein.“

Damit war die Audienz beendet, und Eje zog sich zurück.

An einem der nächsten Tage besuchte er Teje. Er bemerkte, dass sie wieder in Erwartung war.

Mehr als an jenem Tag, da er ihre kleine Tochter Sat-Amun zum ersten Mal gesehen hatte, spürte er jetzt ein schmerzendes Gefühl, dass das Kind in ihrem Leib nicht von ihm, sondern von dem Mann war, dem er untertan und ergeben sein musste. Sie schien seine Gedanken zu erraten.

„Sei nicht traurig“, versuchte sie ihn zu trösten. „Ich möchte, dass du dich auch über mein Glück freuen kannst.“

Er fühlte sich ertappt und wollte das Gespräch auf die Reise, von der er eben zurückgekehrt war und auf seine Berichterstattung beim Pharao bringen. Doch sie hörte ihm nur mit halbem Ohr zu.

„Du musst mir nicht ausweichen“, mahnte sie ihn. „Vor mir brauchst du deine Gefühle nicht zu verstecken. Wir kennen uns doch gut genug. Lass uns immer offen gegeneinander sein.“

Er dankte ihr mit einem Händedruck. Doch dann bat sie ihn selber, von seiner Reise zu erzählen. Vor allem interessierte sie, welche Nachrichten die Unterhändler aus Hattuscha zurückgebracht hatten.

„Ich werde selber noch mit den beiden reden. Ich möchte wissen, was für ein Mensch dieser Suppiluliuma ist. Ich will genau wissen, was in unserem Reich vorgeht und wie wir zu unsern Nachbarn stehen und sie zu uns. Ich fürchte, Amenhotep lässt sich zu sehr vom Sohn des Hapu beeinflussen. Das gefällt mir nicht.“

„Ich denke, dass er sich auf ihn verlassen kann“, versuchte Eje ihre Bedenken zu zerstreuen. „Huy ist ein weiser Mann mit großer Erfahrung. Es gibt kaum ein Gebiet, in dem er sich nicht auskennt. Ich glaube, ihm kann man in der Politik sowohl vertrauen wie in der Theologie. So sicher wie seine Bauten sind, so unfehlbar scheinen auch seine Gedanken und Urteile zu sein.“

„Du magst ja Recht haben“, antwortete Teje. „Du vergisst aber, dass er auch ein großer Magier ist. Das ist mir manchmal unheimlich. Natürlich brauchen wir die Magie, aber zuweilen denke ich, Amenhotep erwarte zu viel davon. Vielleicht steht er zu sehr unter seinem Einfluss.“

Eje konnte ein feines Lächeln nicht unterdrücken. Sie ist reifer als Amenhotep, dachte er. Traut sie seiner Jugend keine eigenen Meinungen zu? Oder ist sie eifersüchtig, weil er mehr auf Huys als auf ihren Rat hört? Auf jeden Fall hatte er schon lange bemerkt, dass sie ehrgeizig war. Und dass sie sich nach Suppiluliuma erkundigt hatte, zeigte ihm, dass sie nicht nur die Rolle als fügsame Gemahlin an der Seite des Pharaos spielen wollte.

„Nein, ich glaube nicht, dass Pharao zu stark unter Huys Einfluss steht“, beruhigte er Teje. „Und wenn es so wäre, würde der Sohn des Hapu seinen Einfluss gewiss nicht missbrauchen. Huy ist nicht ein Mensch, der nur in der Welt der Magie lebt. Als Architekt und Mathematiker ist er auch ein Mensch der Realität, der genau weiß, wann man sich auf das eigene Wissen, den eigenen Verstand verlassen muss und wann es nötig ist, die Magie zu gebrauchen.“

„Ich hoffe, du hast Recht“, sagte sie. Doch es klang ein wenig ungläubig.

Eje sah, dass Teje dem Berater des Königs nicht wohl gesinnt war und am liebsten so wenig wie möglich mit ihm zu tun haben wollte, so dass er nicht weiter darüber mit ihr diskutieren wollte und sich verabschiedete.

„Du bist ein guter Freund“, sagte sie. „Ich brauche dich. Komm, wann immer du willst.“ Und sie hielt ihm die Wange hin. Doch diesmal hielt er Distanz und küsste sie nur auf die Stirne.

Am fünften Tag des Monats Khoiak gebar Teje ihren ersten Sohn. Er erhielt den Namen Thutmes.

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