Читать книгу KÖRPER-HAFT - Martin Romey - Страница 13
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ОглавлениеNatürlich sah ich den Spot mit den Augen des Werbeprofis. Am Anfang des Films blieb der Inhalt völlig offen – es hätte sich genauso gut um die Werbung einer Versicherung handeln können. Der Spannungsbogen wurde bis zum Schluss aufrecht erhalten, dass Versuchspersonen für eine Art Casting gesucht wurden, ohne jedoch zu sagen, um was es eigentlich geht. Nahezu alle emotionalen Trigger wurden eingesetzt. Der etwas unbeholfen wirkende Kellermann sollte die Harmlosigkeit des Projekts symbolisieren. Der weiße Hubschrauber stand für den Fortschritt. Das hässliche Bild des Gefängnishofes sollte abschrecken, die grünen Landschaften im überdeutlichen Gegensatz eine heile Welt darstellen. John Mc Lay und seine Fitness-Jünger köderten mit Kumpanei und nackter Haut. Der Glaspalast von Skyline Technologies mit seiner Parkanlage und dem Pavillon strahlte Kompetenz und den fürsorglichen Umgang mit der Natur aus. Professor Marquez sollte mit seinem Erscheinungsbild und seinen zischenden »sz« vom eigentlichen Inhalt ablenken. Zum Schluss ein kleiner, auflockernder Scherz mit den Farben des Serums. Und als Dreingabe noch der halbe Preis.
Wenn man den Aufwand der Videoproduktion plus den logistischen Aufwand in Relation mit den lediglich sieben Teilnehmern setzte und dann noch die Hafterleichterung sah, mussten eigentlich bei jedem die Alarmglocken klingeln.
Aber wie heißt es immer, wenn Nacktbilder von Prominenten in den Medien auftauchen? »Ich war jung, wusste es nicht besser und brauchte das Geld!«
Ich hingegen verkaufte meine Seele aus einem anderen Grund. Der Hafterlass würde auf einen Schlag meine zwanzig Jahre auf zehn reduzieren und ich setze alles daran, dass mich mein Anwalt früher herausboxte. Außerdem konnte ich mir nur zu gut vorstellen, was mir blühen würde, wenn das Medieninteresse nachgelassen hätte. Der Luxus meiner Einzelzelle, die ich während der Untersuchungshaft hatte, würde sich ganz schnell in Gar-nicht-Wohlgefallen auflösen. Und daran, dass ich in der Gemeinschaftsdusche nicht nur meine Seife verlieren könnte, wollte ich gar nicht denken …
Dann doch lieber die verkappte Hirnwäsche!
Noch bevor die Werbung für das Programm in den Medien richtig angelaufen war, stürzten sich die selbigen darauf und bekamen von der politischen Opposition Rückenwind.
Hintergrund für dieses ganze Theater um das Pilotprojekt war folgender: Kritiker des BSS-Programms vermuteten, dass es früher oder später auch in Alten- und Pflegeheimen eingesetzt werden sollte, um Personal und damit Kosten zu sparen. Für diese Vermutung sprachen auch das Engagement von Mc Bed und Skyline Technologies, die ihre Investitionen sicherlich gewinnbringend wieder einfahren wollten.
Die Renten- und Pflegekassen waren leer, der Staat hatte aber weiterhin die politische Verpflichtung eine lebenserhaltende Grundversorgung zu bieten. Dem standen zwar die enormen Investitionskosten für das BSS-Programm im Weg. Mit den zu erwartenden gewaltigen Personaleinsparungen hätte sich das Ganze aber schnell gerechnet. Darüber hinaus hatte die verheerende Sozial- und Rentenpolitik der letzten Jahre zu einem rapiden Anstieg der Verbrechensrate geführt. Insbesondere die Beschaffungskriminalität wuchs in erschreckendem Ausmaß. Viele der alten Menschen konnten sich ihre Medikamente nicht mehr leisten und brachen für sich, Freunde und Verwandte in Apotheken und Krankenhäusern ein. Diesen Trend erkannten auch viele der arbeitslosen jungen Generation und bedienten neben dem eigenen Bedarf auch einen gut florierenden Schwarzmarkt der Alten. Die Generationenzusammenkunft hatten sich die Politiker in ihren Planspielen sicherlich anders vorgestellt. Aber sie funktionierte!
Kurz nachdem ich mich auf Drängen meines Anwalts Thomas für das Projekt gemeldet hatte, wurde der Clip abgesetzt. BSS hatte seine sieben Versuchskarnickel im Sack. Und eines davon war ich! Nur wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, welche folgenschwere Entwicklung diese Entscheidung mit sich bringen würde.