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Die Grube
ОглавлениеSchweißgebadet wachte ich auf. Mein Atem ging schnell, mein Puls raste. Die Tür wurde aufgerissen und zwei Pfleger sprangen auf mich zu. Währenddessen flammte die Deckenbeleuchtung auf und blendete mich wie das stechende Licht bei einer Migräneattacke. Ein ohrenbetäubender Pfeifton erfüllte den Raum. »Sein Vitalometer hat den Alarm ausgelöst – los hau ihm schnell was von dem Beruhigungszeugs in den Arm, bevor der Alarm die anderen auch noch in Panik bringt.«
Der andere Pfleger nahm grob meinen rechten Arm und schob den Ärmel hoch. Ohne auch nur an eine Desinfizierung zu denken, setzte er die Nadel an und spritze mir eine klare Flüssigkeit in den Arm. »Verdammt noch mal, steh nicht so blöd rum und schalt den Alarm aus. Oder soll ich vielleicht spritzen und mit dem Fuß den zwei Meter entfernten Schalter drücken?«, blaffte er den anderen Pfleger an. Dieser schaffte es endlich, den Mund zu schließen und den Alarm zu beenden. Der Inhalt der Spritze arbeitete sich von einem Brennen begleitet den Arm hoch und ließ mein Herz langsamer schlagen, obwohl mein Inneres immer noch aufgewühlt war. Ich kannte die beiden Pfleger noch nicht. Sie waren neu oder hatten aus einem anderen Block die Nachtschicht übernommen. Aber anscheinend kannten sie mich. »Hat wohl schlecht geträumt unser Regenschirm-Mörder. Kein Wunder, wenn ich meinen Kumpel umgebracht hätte, könnte ich auch nicht mehr schlafen.« Sie tupften mir emotionslos den Schweiß von der Stirn, als wäre es Kondenswasser an einer Fensterscheibe und zogen sich dann zurück.
Ich hatte wirklich schlecht geträumt, aber nicht von Sunny. Ich stand in einem rechteckigen tiefen Loch und grub immer tiefer. Das Tageslicht kam nur noch spärlich zu mir herunter, der Himmel darüber schien unglaublich weit entfernt. Mit jedem Spatenstich entfernte ich mich noch weiter vom diesem kleinen, rechteckigen Fleckchen Himmel, auf dem ein paar weiße Wolken dahintrieben. Ich sah sie immer nur kurz, wenn ich meinen Aushub unendlich weit hinaufwerfen musste, um die gelöste Erde aus dem Loch zu schleudern. Dann durchsiebten die fliegenden Erdkrumen dieses kleine Fleckchen Himmel wie eine Schrotsalve, um kurz darauf in kleinen Bruchstücken wieder auf mich herabzuregnen und sich in meinen tränenden Augen festzukleben.
Irgendwann wurde mir plötzlich bewusst, dass ich inzwischen so tief gegraben hatte, dass ich ohne fremde Hilfe nicht mehr heraus konnte. Panik machte sich breit. Wie sollte ich bloß wieder aus diesem verdammten Loch herauskommen? Ich versuchte mit bloßen Händen an den lehmigen Wänden hochzuklettern und rutschte ab. Ein neuer Versuch, meine Fingernägel gruben sich tief in die feuchte Erde. Dicke, schwarze Klumpen Lehm blieben unter den Nägeln stecken. Ein Nagel riss ab, gleich darauf ein weiterer. Ich bekam keinen Halt! Die Luft roch schwer und modrig.
Ich kam mir vor, als hätte ich mein eigenes Grab geschaufelt.
Ich kam einfach nicht aus diesem verdammten Loch raus! Nicht einmal einen panischen Schrei brachte ich zustande. Es war nur ein Röcheln, das sich anhörte, als würde der letzte Rest Wasser einen Abfluss hinunterlaufen. Ich werde hier drin vermodern und verrecken. Oder, sehr viel wahrscheinlicher, in umgekehrter Reihenfolge!
Das war wohl der Moment gewesen, als mein Vitalometer den Schwellenpuls für den Alarm ausgelöst hatte. Die Spritze wirkte und ich dämmerte weg.