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Professor Marquez

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»Was szoll das heißzen, er ist noch nicht aufgewacht! Das kann doch gar nicht szein!«

»Herr Professor, bitten entschuldigen Sie, aber Nr. 6 ist seit der roten Injektion nicht wieder zu Bewusstsein gekommen. Sie können gerne die Protokolle seines Vitalometers prüfen.«

»Rote Injektion, so ein Blödszinn! Können Szie sich nicht etwas fachkundiger auszdrücken? Habe ich esz hier wirklich nur mit blutigen Laien zu tun? Dasz ist eine Schande für dasz Projekt und eine Schande für Ihren Berufszstand junger Mann!«

»Äh, ich wollte ja nur plastisch darzustellen dass die Injektion des Neurosynapsenunterbrecherserums der letzte Punkt war, an dem der Patient bei Bewusstsein war.«

»Dasz wird ja immer schlimmer mit ihrem unwisszenschaftlichen Gestammel, also halten szie lieber den Mund. Neurosynapszenunterbrecherszerum, ein kürzeresz Wort ist Ihnen wohl nicht eingefallen, wasz? Und dasz mit der Terminologie desz Patienten können Szie szich auch gleich mal aus dem Wortschatz sztreichen. Dasz hier szind szubversive Elemente und würde esz szich nicht so unwisszenschaftlich anhören, würde ich Labor-Ratten szagen. Und jetzt lasszen Szie mich endlich in Ruhe Nr. 6 unterszuchen! Oder glauben Szie ich würde meinen wohlverdienten Szonntag wegen Ihnen und ihres dilettantischen Geschwafelsz unterbrechen?«

Ganz das Gehabe eines furchtbar wichtigen Professors. Getragen auf einer Welle aus Arroganz und maßloser Selbstverliebtheit, die keinen Widerspruch duldete. Immer leicht aufbrausend mit einem Hang zum Cholerischen gewürzt, um den Gedanken einer anderen Meinung gleich im Keime zu ersticken. Wäre er als Primat auf die Welt gekommen, hätte er sich vermutlich so lange auf die Brust getrommelt und böse gegrunzt, bis die junge Horde den Blick gesenkt und sich davon getrollt hätte. Die so genannten Silberrücken bei Berggorillas und graue Eminenzen sind sich gar nicht so unähnlich, wie man im ersten Augenblick glaubt.

Sicherlich hatte der Professor wie so viele seiner Kollegen seine Fachpublikationen auf den frischen Ideen seiner Studenten aufgebaut. War ja auch einfach. Thema vorgeben, die interessantesten Beiträge der Studenten als aberwitzigen Blödsinn abtun, um sie danach dezent umformuliert als eigene inspirierend-innovative Ideen zu verkaufen ...

Jedenfalls hatte er den jungen Pfleger oder Assistenzarzt ordentlich eingeschüchtert. Ich stellte mich weiterhin schlafend und versuchte das Geschehen mit zu Sehschlitzen leicht geöffneten Augen durch den Schleier meiner eigenen Wimpern zu verfolgen. Ich rührte mich nicht und lag still und starr da. Eine der wenigen Tätigkeiten, die ich seit Kurzem bis zur Perfektion weiterentwickelt hatte … Ich freute mich, dass das Serum nicht auch noch meine Selbstironie aufgefressen hatte.

Professor Marquez stand mit einem langen weißen Ärztekittel vor dem Display des Vitalometers. Er schaute sich die Pupillen von Nr. 6 an, tastete und pikste ihn mit einem Kugelschreiber an den Armen, dem Oberkörper und sogar im Gesicht. Prüfend sah er auf die Anzeigen des Vitalometers, um gleich darauf Notizen auf seinem mobilen Medi-Pad zu machen. Dabei schüttelte er immer wieder sein graues Haupt.

Seine fahle Haut und sein scharf geschnittenes Gesicht erinnerten mich abermals an Christopher Lee als Graf Dracula. Der lange, weiße Arztkittel machte ihn einerseits noch größer als er ohnehin schon war und ließ andererseits seine Erscheinung noch unnatürlicher, beinahe schon geisterhaft wirken. Es hätte mich vermutlich keine Sekunde lang gewundert, wenn er mit wehendem Gewand herumgewirbelt wäre, um seine langen Eckzähne in die Halsschlagader von Nr. 6 zu schlagen und sich an ihm zu nähren.

Mir war aufgefallen, dass sein zischelnder spanischer Akzent bei Weitem nicht mehr so stark war, wie ich ihn aus dem Werbefilm für BSS in Erinnerung hatte. Dennoch fragte ich mich, ob lange Eckzähne sein zischelndes Szpanisch aus logopädischer Sicht begünstigen würden.

Zufrieden mit seinem Einschüchterungsversuch sah er immer wieder zu dem Assistenzarzt oder Pfleger hinüber, der seinerseits unruhig umherschaute und mehrfach Anlauf nahm, etwas zu tun, nur um gleich darauf mitten in der Bewegung innezuhalten. In den Blicken, die er dem Professor zuwarf, glaubte ich neben Scheu auch eine Spur Hass zu erkennen. Nervös nestelte er an seinem Kittel herum und blätterte immer wieder in seinen Aufzeichnungen.

»Wollen Szie mir Ihre fachliche Meinung kundtun oder wollen Szie mich mit ihrem grobmotorischen Gefummel ausz der Ruhe bringen?«, fragte Professor Marquez scharf. »Wenn Sie etwas szinnvolles tun wollen, bringen Szie mir fünf Milligramm von dem grünen Szerum!«

»Ich dachte, das heißt nicht grünes Serum«, antwortete der Angesprochene in einem Anflug von Aufbegehren und beruflichem Suizid.

Die Stimme von Professor Marquez formte sich zu einer eisigkalten, scharfen Klinge. »Szie sind wohl heute unglaublich mutig oder ganz einfach nur dumm. Ich vermute aber, esz könnte auch eine Mischung ausz beidem szein. Ich habe nur deszhalb von einem grünen Szerum gesprochen, um mich auf ihr intellektuellesz und szprachlichesz Niveau zu begeben. Nicht, dasz Szie mir noch dasz Falsche bringen. Und Szie haben die Frechheit, mein Entgegenkommen alsz Schwäche auszulegen … Gehen Sie jetzt und holen Sie dasz Serum oder Szie werden mich kennenlernen …«

»Tut mir leid Herr Professor, ich wollte nicht ...", murmelte dieser kleinlaut, als ihn der Professor schon wieder unterbrach.

»Nun gehen Szie endlich und kommen Szie mir nicht mit Ihren faulen Auszreden, kommen Szie mir lieber mit dem Szerum – fünf Milligramm verstanden!«

Die hängenden Schultern des Assistenzarztes passten überhaupt nicht zum schnellen Schritt seiner Beine, die ihn aus dem Zimmer hinaustrugen. Kurz darauf kam der mit einer grünen Ampulle und einer Einwegspritze wieder. Nervös zitternd zog er die Spritze auf und hielt sie dem Professor hin.

»Ich glaube das Szpritzen übernehme ich am besten szelbst. Szo unsicher wie Szie szind, perforieren Szie Nr. 6 noch den ganzen Unterarm! Szie müßzen noch viel dazulernen!«

Der Professor setze die Spritze an und drückte Sie in die Armbeuge von Nr. 6. »Szo das war’s, spätestens morgen dürfte er die Augen aufmachen. Halten Szie mich auf dem Laufenden, aber rufen Szie mich nicht an. Schreiben Szie mir eine E-Mail, dann können Szie sich ihre Wortwahl besszer überlegen und ich mußz mir nicht ihr Gesztammel anhören.«

Professor Marquez beendete seine Ausführungen mit einem Blick, der sagte: »Wenn Du jetzt noch ein Wörtchen sagst, dann beiß ich Dich!« Er drehte sich schwungvoll um, schritt mit wehendem weißen Kittel aus dem Zimmer und ließ den anderen Weißkittel zurück.

»Und dafür habe ich den Numerus Clausus erfüllt, Medizin studiert und im Accessment-Center mein fachliches Wissen unter Beweis gestellt! Nur um mich von so einem bornierten Arschloch rundmachen zu lassen. Hätte ich doch nur was Vernünftiges gelernt!« Ein tiefer Seufzer hob seine Schultern, bevor er niedergeschlagen aus dem Raum schlurfte.

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