Читать книгу Losers' Ball - Martin Selm - Страница 3
Prolog
ОглавлениеMan kannte doch diese Horrorgeschichten. Von grausamen Verstümmelungen war da die Rede, davon, dass Gliedmaßen abgetrennt und durch die Gegend geschleudert wurden. Er verschwendete keinen Gedanken daran. Hinter ihm lag der Sommer und er, so empfand er es, hatte gerade den Herbst hinter sich gebracht. Es würde der Winter und die Dunkelheit kommen, nein, das stimmte so ja gar nicht, der Winter war doch schon da.
Fragt man schlaue Menschen, die durch ihren Intellekt und die Fähigkeit sich hochgestochen zu artikulieren in der Lage sein müssen, die Beschissenheit dieser fragilen Welt zu erklären, dann stößt man auf Erklärungen, die einen nur vertrösten. Warum gibt es Leid? Damit man die guten Zeiten zu schätzen weiß. Der Mensch braucht schließlich Gegensätze. Ohne Schwarz kein Weiß, ohne Schmerz keine Freude. Ohne Winter keinen Sommer. Was für eine Scheiße, dachte er.
Das kam ihm in etwa so vor, als sagte man all denen, die in der Dritten Welt für unseren Wohlstand schufteten, dass sie eines schönen Tages auch billige T-Shirts kaufen könnten, um so mehr Geld für den neuen Golf, einen gut erhaltenen Mercedes, oder irgendeinen anderen Scheißdreck, mit dem sie sich vor den Nachbarn, diesen bornierten Päderasten profilieren könnten, zu haben. Alles was sie tun müssten, sei zu warten. Klar. Scheiße.
Die Frage war also demnach, den Winter irgendwie hinter sich bringen, um sich dann im Sommer jeden Tag darüber zu freuen, dass es nicht schneite, oder aber, und da blieb ihm ja quasi gar nichts anderes mehr übrig, den Winter Winter sein zu lassen.
Wieder und wieder hatte er über seinen Plan nachgedacht, doch irgendwann war er zu dem Entschluss gekommen, dass er keinen Entschluss fassen konnte, dass die schiere Unmöglichkeit in Gedanken alles durchzuspielen ihm eine Grenze setzte, die zu überwinden er nicht im Stande war. Irgendwie war er dann in die Situation geraten, in der er jetzt war. Der Moment, es ging einfach nur um den Moment. Mit Vielem hatte er gerungen, was, wenn diese Horrorgeschichten stimmten, was, wenn es schief ging? Was, wenn er sich dumm anstellen würde? Klar, dachte er, was soll man da denn schon falsch machen können, aber es war ja andererseits auch keine alltäglich Handlung, die man da vollzog.
Loslassen müsste er, sich einfach seinem Unterbewusstsein hingeben. Sich auf das Innerste und damit auf das Elementarste seiner Persönlichkeit verlassen. Die bewusste Kontrolle an sich selbst abgeben. Scheiße, er klang wie seine Mutter. So ein esoterischer Quatsch. Drogen und Vollsuff hatten ihm den Rest gegeben. Er war im süßen Zustand der Verwirrtheit. Klaren Gedanken war er nicht mehr zugänglich. Da hatte er sich in Bewegung gesetzt und war es noch immer. Bald würde sein Unterbewusstsein wohl eine Entscheidung fällen und er hoffte, dass er dann in der Lage sein würde, sie auch zu akzeptieren. Denn nichts war schlimmer als davon zu laufen, auch wenn man eben davor davon lief.