Читать книгу Losers' Ball - Martin Selm - Страница 4
Kapitel 1
ОглавлениеSo, oder so ähnlich hatte er sich das eigentlich immer vorgestellt. Im Prinzip war das Erlebte dem Erträumten sogar relativ nahe. Irgendwie war es dennoch intensiver als er gedacht hätte. Die Kleine schlief noch. Sie war immer noch komplett nackt. Er zog die Decke über sie, bis zu den Nippeln, die ließ er frei. Sie hatte schließlich phantastische Nippel, nicht zu groß, nicht zu rund und nicht zu spitz. Einfach perfekt. Er selbst saß neben ihr und hatte nur seine Unterhose an, die schon wieder kräftig spannte, da er eine monströse Morgenlatte hatte und dringend pissen musste.
Da saß er nun auf ihrem Klo, welches er nach einigem torkelnden Suchen gefunden hatte und versuchte seinen Ständer in die Schüssel zu hebeln, was schmerzte, jedoch nicht so sehr, wie das Brennen, als er schließlich zu pissen begann. Er hatte seine Ladung letzte Nacht scheinbar nicht mit genug Druck in den Gummi gefeuert, da schien noch einiges in der Leitung zu hängen, was die Bahn deutlich verengte. Er stöhnte und musste dabei über sich selber und die abstruse Situation lachen.
Sie schlief noch immer. Außer seinem Pullover konnte er alle seine Sachen finden, auf den Pullover war also geschissen, er konnte ihn genauso gut bereits gestern Nacht irgendwo verloren haben, besoffen genug war er in jedem Fall gewesen. Ob er wohl seine Nummer hinterlassen sollte? Nein, das wäre keine gute Idee. Zum einen war sie verdammt besoffen gewesen und würde es sicher bitter bereuen sich mit einem derart abgerissenen Versager eingelassen zu haben, wenn sie ihn jemals nüchtern zu Gesicht bekäme, zum anderen hatte er nach dem Ficken in ihre Spüle gekotzt, was mächtig stank. Er hatte jedoch nicht die geringste Lust sich in seinem verkaterten Zustand darum zu kümmern. Nein, es war sicher besser die Flucht anzutreten. Die drei wichtigsten Sachen hatte er wieder gefunden, Handy, Geldbeutel und Schlüssel, also ließ er nichts von Bedeutung zurück.
Sie stöhnte kurz auf, wobei er erschrak und kurzzeitig in Panik ausbrach, dann drehte sie sich jedoch auf die Seite und schlief weiter. Nun konnte er zum Abschied nochmal ihren prallen Arsch sehen, der sich aus der Decke hervor geschoben hatte. Mann, dachte er, wie bei einem Banküberfall davon zu kommen. Ob sie wohl wusste was für ein Loser sie da letzte Nacht entsetzlich schlecht gefickt hatte?
Es nieselte und die Welt war grau. Das war ihm recht, Sonnenschein und Hitze machen den schlimmsten Kater noch unerträglicher, wogegen klare, verregnete Luft ein Segen sein kann. Die Menschen, denen er auf dem Weg zum nächsten Bus, oder zur nächsten U-Bahn, oder was es hier auch immer gab, begegneten, waren genauso grau wie das Wetter. Keiner würdigte ihn eines Blickes, alle waren im Stress, mussten zum Meeting, zu einer wichtigen Präsentation der Bilanz, mussten dies und das tun. Es war ein Donnerstag und es musste wohl so gegen acht Uhr früh sein, dass wusste er daher, dass er nie länger als bis halb acht schlafen konnte, wenn er gesoffen hatte. Der Kater weckte ihn stets und fand er keine Kopfschmerztabletten, so war es sein Schicksal in den Tag zu starten. Er war noch gut besoffen, zumindest in einem Maße, das angenehm betäubte, so dass er die Verachtung der ihn umgebenden Menschen zwar spürte, sie ihn jedoch nicht im geringsten interessierte.
Er hatte seinen letzten Job hingeschmissen, nachdem er genug Geld zusammen hatte um die nächsten drei Monate zu überstehen, hatte die Miete im voraus gezahlt und ließ sich nun treiben. Natürlich war das Geld bereits nach einem Monat knapp und er war eigentlich in einer prekären Lage, doch da schiss er drauf, wie auf so ziemlich auf alles, was ihn, oder sein Leben betraf.
>>Entschuldigung, wo fährt hier denn der nächste Bus?<<
Typisch. Da waren lauter graue Menschen unterwegs und den einzigen, den er nach dem Weg heraus aus dieser morgendlichen Hölle fragte, war wohl so etwas wie der Hitler unter den grauen Menschen.
>>Quatsch mich nicht an, du Penner.<<
>>Hey, Mann, ich will doch nur zum Bus, oder zur U-Bahn, oder Zug, oder sonst was.<<
>>Interessiert mich nicht wo du hin musst. So wie du aussiehst am besten zum Arbeitsamt, oder noch besser ins Arbeitslager.<<
Er ließ ihn stehen und ging weiter. In zügigen Schritten, die von der Zielstrebigkeit und dem Fleiß erzählten, mit denen dieser graueste unter all den grauen Menschen sein Leben wohl bestritt. Mit solchen Menschen hatte er nichts gemeinsam und sie waren einer der Gründe dafür, dass er sich auf dieser Welt oftmals unfassbar verloren fühlte.
Der Alkohol hatte auch nachgelassen. >>Bekackter Wichser<< flüsterte er vor sich hin. Immerhin mal wieder gefickt. Wann der graue Hitler wohl das letzte mal gefickt hatte? Ach was, der ging sicher in den Puff.
Mit der Selbstachtung war das auch so eine Sache. Im einen Moment ein klasse Typ, der dem total dämlichen, sexistischen, aber leider nun mal vorherrschenden Ideal vom männlichen Individuum entsprach, indem er in Clubs Tussies aufriss - im nächsten Moment ein verkaterter Trottel, der eine arme, besoffene Unbekannte ausnutzte, um sie dann, nachdem er vergeblich versucht hatte sie zu befriedigen, mit seiner Kotze zurück ließ.
Schließlich fand er den Weg zur nächsten U-Bahn Station und fuhr zurück in bekanntes Terrain.
Seine schäbige, kleine Wohnung befand sich auf der Rückseite eines Hauses aus den 1930er Jahren. Er wohnte unter dem Dach, so dass jede Jahreszeit beschissen war. Im Winter fror er sich trotz aufgedrehten Heizungen den Arsch ab und im Sommer herrschte eine drückende Hitze, die es ihm unmöglich machte genug zu trinken, da er konstant literweise schwitzte. Er hatte sich arrangiert. Die Gegend war nicht die beste, aber sie war billig und er kam zurecht. Bei seinen Eltern hatte er es nicht mehr ausgehalten. Nach und nach war die Beziehung zersetzt worden, angetrieben von dem Unverständnis seiner Eltern ihm und seiner Einstellung zum Leben gegenüber. Es war zwar vielmehr so, dass er überhaupt keine Einstellung zum Leben hatte, da er auf so ziemlich alles schiss, was man im allgemeinen als Erstrebenswert ansieht, doch das machte auch keinen Unterschied. Es hatte die Angelegenheit sogar noch verschlimmert, denn wie kann man das erklären, oder verstehen, was einfach keinen Sinn ergibt, weil es einfach egal ist?
Er war einfach irgendwann hängen geblieben. Jetzt, so empfand er es zumindest, war es ohnehin vorbei, es war ein langer Weg gewesen, doch jetzt – mit Mitte 20 – war die Unbeschwertheit verloren gegangen. Ihm war klar, dass er keine Chance mehr haben würde eine Nische zu finden, einen Platz, an dem er sich wohl fühlen würde. Da konnte man nichts machen. War aber im Prinzip auch egal, wen kümmerte es, was er über die Welt dachte, oder wie er sich fühlte.
Er machte sich Kaffee und legte Musik auf. Rivers Cuomo von Weezer sang 'the world has turned and left me here' und er musste schmunzeln. Immerhin gab es Songs die ihn zu verstehen schienen.
Das Telefon klingelte.
>>Hallo?<<
>>Na, waren wir gestern Nacht mal erfolgreich unterwegs?<<
>>Hallo. Ja, kann man so sagen. Fühlt sich allerdings auch nicht unbedingt so toll an.<<
>>Ja, Ficken wird doch sowieso überbewertet. Rein, raus, Feuer frei, viel schwitzen und danach brennt der Kolben.<<
So konnte man es auch sehen.
>>Naja, das Brennen hält sich in Grenzen. Wann seid ihr eigentlich gegangen? War ich da noch da?<<
>>Keine Ahnung. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht mehr wie wir nach Hause gekommen sind. Vermutlich mit dem Taxi, weil ich keinen Cent mehr habe, aber, naja, das spricht jetzt auch nicht unbedingt für das Taxi, bei dem Kater, verdammt, ich glaub ich hab schon wieder lauter widerliche Cocktails getrunken. Sollte beim Bier bleiben.<<
>>Ja, ist besser so. Aber was nützen all diese Vorsätze, wenn man sich betrunken in einen total debilen Vollidioten verwandelt. Tja so ist das eben. Wieso bist du überhaupt schon wach? Es ist doch erst – wie viel Uhr ist es eigentlich?<<
>>Es ist halb zehn. Ich hab vorhin gekotzt und jetzt hab ich nen ganz fiesen Hals. Du weißt schon, dieser eklige Kotze-Geschmack in Kombination mit Halsschmerzen wegen der Magensäure. Kann nicht mehr schlafen.<<
Diese Phänomen kam ihm bekannt vor, er war davon jedoch verschont geblieben. Es war eine saubere Angelegenheit gewesen, über ihrer Spüle. Ein kurzer kräftiger Schwall, keine allzu großen Brocken, hauptsächlich nur Flüssigkeit. Immerhin in dieser Hinsicht eine gute Performance.
>>Ja, das kennt man. Also gekotzt hab ich auch, hab sozusagen das Geschirr gespült. Was machst du heute noch so?<<
>>Ja, also wenn ich dann mal was zu essen runter gewürgt haben sollte und es auch drinnen bleibt, werde ich wohl noch mal bisschen schlafen. Aber sonst, keine Ahnung, das übliche eben. Du?<<
>>So in etwa dasselbe. Hast du Lust später mal vorbei zu kommen und mir bisschen meinen Kater zu versüßen?<<
>>Klar. Ich komme wenn ich wieder geradeaus laufen kann. Bis dann.<<
Als er kurz eingeschlafen war, wurde er geweckt von irgendwelchen Bauarbeiten, die sich am Nachbarhaus vollzogen. Klar, dachte er, wenn schon der Mann mit dem Hammer im eigenen Kopf sitzt und gegen den Schädel hämmert, wieso nicht auch noch einen von außen dagegen hämmern lassen, unterstützt von Presslufthämmern, Bohrmaschinen und allerlei anderen lärmenden Instrumenten.
Er beschloss, dass es egal war, dass er aussah wie ein versiffter Penner und verzichtete dementsprechend darauf zu duschen, ehe er sich aufmachte, um im Supermarkt um die Ecke was zu Essen zu besorgen. Seine Haare waren fettig und standen in alle Richtungen ab. Sein T-Shirt, ein uraltes Adidas Shirt, das eigentlich cool wäre, da es wirklich vintage war, war leider schon mit so vielen kleinen und größeren Löchern gesegnet, dass es höchstens Anfang der 90er auf einen Konzert irgendeiner Grunge Band cool gekommen wäre. So war es einfach nur ein abgewichstes Shirt, in dem ein abgewichster Typ steckte.
Da stand er nun inmitten all der Hausfrauen und Rentner. In ausgelatschten Birkenstock Schlappen. In dem Outfit hätte er eigentlich einen Tetrapak Wein kaufen sollen, aber das war wirklich das Allerletzte.
Einer dicken Hausfrau mit einer vermutlich gefälschten D&G Sonnenbrille fiel eine Packung Cornflakes aus der Hand, als sie mit selbiger, deren fette Finger ihm sagten, dass sie eine grobe, unfreundliche Person war, danach gegriffen hatte. Er bückte sich, hob die Schachtel auf, betrachtete sie kurz und beschloss diesen Wink des Schicksals anzunehmen. Cornflakes bedeuteten, dass man nicht kochen musste und das bedeutete, dass man keine Töpfe oder Pfannen abspülen musste und das wiederum bedeutete, dass man mehr Zeit hatte sich selbst zu verwirklichen, was auch immer das wiederum bedeutete.
Die dicke Frau, die zudem unerträglich nach irgendeinem Parfüm stank, was ihr ihr Alter vermutlich mal geschenkt hatte, weil er ein schlechtes Gewissen hatte, da er auf der letzten Geschäftsreise mit dem Vorstand die neue Sekretärin, die junge, mit den dicken Titten, die zwar total dämlich war, aber eben auch verdammt geil, hart sexuell belästigt hatte, bis sie irgendwann nachgegeben und ihm schließlich unter dem Schreibtisch in seinem Hotelzimmer kniend einen geblasen hatte, grunzte vor Empörung.
Ihm war es egal, er war zu fertig und brauchte Nahrung. Die Kassiererin machte keinen Hehl aus ihrer Verachtung, als er Cornflakes im Wert von 2,99 mit EC-Karte bezahlte. Das war ihm sympathisch, sie war wenigstens echt, anstatt ihm mit einem aufgesetzten Lächeln einen schönen Tag zu wünschen, wo sie sich doch eigentlich dachte, dass er abhauen und ihr nie wieder begegnen solle.
Seine Wohnung war etwa 25 Quadratmeter groß. Es gab nur einen Raum, in dem eine Kochnische war, sein Bett, ein Tisch und ein altes Sofa, auf dem er oft saß und über die Dächer der Stadt starrte, während er sich Joints rollte, oder einen runter holte. Nun saß er auf dem Bett und starrte in seinen lächerlich winzigen, alten Röhrenfernseher. Angesichts der Tatsache, dass man keinen Fernseher mehr unter einer Größe bekam, die einen im Alter von Zehn Jahren die Kinnlade herunterfallen lassen hätte, hätte man doch auf diesem riesigen Bildschirm diese wahnsinnige Batman Serie aus den 1960er schauen können, war sein Fernseher schon kein Fernseher mehr, sondern eine Art Statement. Ein Statement gegen die Obsoleszenz, gegen die Wegwerfgesellschaft – ein Relikt aus Zeiten, in denen noch Wertigkeit die Produktion dominierte, in denen Outsourcing das war, was es nun einmal war, ein hochgestochener Begriff, den dämliche Business-Kasper benutzten, um modern, global und hip zu klingen. Derartiges politisches Denken war ihm jedoch fremd, er hätte sich auch gern Christopher Nolan Filme auf Plasma- oder LCD-Fernsehern angesehen, aber dafür fehlte ihm die Kohle.
Neben dem Hauptzimmer gab es noch ein kleines Bad, das er jedoch nur zum Toilettengang frequentierte und wenn es die Motivation erlaubte auch um sich zumindest einmal täglich zu duschen.
Da saß er nun und ließ sich verdummen. Dass das Fernsehen, abgesehen von einigen wenigen Kultursendern in etwa so etwas wie 'Opium fürs Volk' war, das sollte eigentlich jedem klar sein. Entsprechend konnte er auch nicht verstehen, wenn sich von ihrem Leben gelangweilte Menschen über scripted Reality und den ganzen Scheißdreck, der einem nun mal entgegen geschleudert wurde, aufregten. Man wusste doch was man bekam. Das war in etwa so, als würde man einen Porno schauen und dann voller Entrüstung monieren, dass darin Leute in den Arsch gefickt werden. So war das eben.
Während er so vor sich hin dämmerte, klingelte es an der Tür. Nachdem er aufgemacht hatte, voller Verwunderung, dass Tim es schon geschafft hatte vorbei zu kommen, erschrak er zum zweiten mal an diesem Tag. Vor seiner Tür stand die Kleine von letzter Nacht.