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2.5 Berufen – zum Schaf und zum Hirten

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Jeder Christ, jede Christin, jeder Mensch, der sich zu Jesus Christus hingezogen fühlt, ist ein Gerufener und Berufener. Jesus ruft Menschen zusammen aus allen Richtungen, gesellschaftlichen Schichten, Milieus und Strömungen. Er sammelt Menschen, macht sie vertraut mit der Liebe Gottes, behütet sie wie ein guter Hirt seine Schafe und gibt ihnen zugleich Anteil an seiner Hirtensorge. Im biblischen Bild vom guten Hirten (vgl. z.B. Joh 10,11–18 und Joh 10,27–30) können wir erkennen, wie Gott für uns Menschen da ist und wie wir für unsere Mitmenschen zum Segen werden können.

Der gute Hirt freut sich über jedes neue Schaf. Er kennt alle seine Schafe und weiß, was sie brauchen und wie viel. Seine Schafe liegen ihm am Herzen. Er denkt und fühlt sich in seine Schafe hinein und studiert aufmerksam ihr Verhalten, um sie nicht zu überfordern und frühzeitig Schaden von ihnen abwenden zu können. Hat sich ein Schaf verirrt, sucht der gute Hirt, bis er es gefunden hat. Verfängt sich ein Schaf im Dornengestrüpp, befreit er es. Muss die Herde eine gefährliche Stelle an einem steilen Abgrund passieren, leitet der gute Hirt sie vorsichtig weiter. Hat sich ein Schaf verletzt, verbindet er sorgfältig die Wunde. Besonders gibt der gute Hirt auf die Muttertiere acht. Ist ein Lamm erschöpft, trägt er es auf seinem Rücken. Bedroht ein Wolf seine Herde, stellt sich der gute Hirt schützend vor seine Schafe. Verantwortungsvoll führt er seine Schafe immer wieder auch in unbekannte Gebiete. Er freut sich mit den Schafen, wenn sie die saftigen Wiesen und das frische Wasser erreicht haben. In der Nacht wacht der gute Hirt über seine Herde.

Jesus Christus ist der gute Hirt der Menschen. Das hat er selbst von sich gesagt. Wir dürfen uns ihm anvertrauen und uns von ihm rufen und berufen lassen: im Gebet, im Evangelium, in der Feier der heiligen Zeichen und in den Menschen, denen wir täglich begegnen. Jesus Christus hat viele, sehr viele Menschen berufen, als Hirtinnen und Hirten den Mitmenschen beizustehen. Christen sind also dazu berufen, in ihren Nöten und ihrer Hilfsbedürftigkeit Schaf zu sein sowie mit ihren Erfahrungen, Charismen und Fähigkeiten, Beauftragungen und Weihen für all unsere Mitmenschen Hirtin und Hirt zu sein. Beides ist Geschenk Gottes, beides ist Gnade!

Mit was für einer Gesellschaft haben wir es zu tun, wenn sich – wie so oft – nicht einmal Nachbarn kennen, sie sich gegenseitig nicht über den Weg trauen und überhaupt kein Interesse aneinander zeigen? Es kann uns doch nicht egal sein, wenn sich Menschen rechts- oder linksradikalen Gruppen anschließen oder in Sekten ihre geistliche Heimat suchen, in denen sie manipuliert und ausgebeutet werden. Es kann uns doch nicht gleichgültig sein, wenn sich Menschen immer tiefer in Schuld verstricken. Es kann uns doch nicht kaltlassen, wenn Ehen und Familien zerbrechen und Menschen aus Arbeitslosigkeit und Trauer nicht herausfinden. Es darf doch nicht sein, dass seelische Krankheiten in unserer Gesellschaft oft zu wenig anerkannt werden und dass junge Eltern und Alleinstehende oft über die Maßen ausgelaugt sind, da ihnen die Hilfe, die sie benötigen, verwehrt wird. Es kann doch nicht sein, dass viele Kinder in unserem Land durch das Schulsystem krank werden, weil sie dem Druck nicht standhalten können, dass so viele Jugendliche für ihre Zukunft keine Perspektive sehen und dass Menschen in ständiger Angst vor Übergriffen und Misshandlungen leben müssen. Wir dürfen uns doch nicht damit abfinden, dass es nicht gelingen mag, die Güter dieser Erde gerecht zu verteilen, und dass abends so viele Menschen zu Bett gehen müssen, ohne zu wissen, wie sie am nächsten Tag über die Runden kommen sollen.

Mit Blick auf die vielfältigen Nöte der Menschen in unserer Nachbarschaft bedeutet Lokale Kirchenentwicklung erst einmal, genau hinzusehen, hinzuhören und wahrzunehmen und dann Räume und Zeiten zu gestalten, in denen Menschen bewusst geben und empfangen, empfangen und geben können. Für lokale Gemeinden geht es nicht in erster Linie darum, große, aufwändige und medienwirksame diakonische Projekte durchzuführen, sondern es kommt hier auf die persönlichen Begegnungen und die konkrete Unterstützung im Alltag an, auf gut gestaltete kleine Liturgien, in denen Menschen Mut schöpfen und heilende Erfahrungen machen können. Offene Kirchen, brennende Kerzen und betende Menschen sind wichtige und wirksame Zeichen unseres Glaubens. Glaubwürdige Zeugnisse vieler Gemeindeglieder helfen dabei, dem lebendigen Gott zu vertrauen.

Gesegnet, um Segen zu sein

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