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Weihnachtswichteln

Ausgerechnet Jana hatte er gezogen. Jana, die er überhaupt nicht mochte. Sie war vor einigen Wochen neu in die 7a gekommen und hatte noch immer keine Freunde gefunden. Kein Wunder, so wie die aussah! Sie hatte einen hässlichen Pottschnitt und trug immer dieselben Klamotten. Außerdem redete sie fast nie. In der Pause stand sie immer in derselben Ecke und starrte auf den Boden. Und jetzt musste Jan ihr ein Geschenk im Wert von fünf Euro kaufen oder selbst etwas basteln. So hatte es die Klasse beschlossen. Gleich von Anfang an hatte Jan die Idee doof gefunden. Doch insgeheim hatte er gehofft, dass er mit etwas Glück vielleicht Emilie ziehen würde. Emilie war der Star der Klasse. Alle Jungen waren in sie verliebt. Auch er. Sie sah einfach toll aus, hatte immer diese tollen Klamotten an und hatte in der Klasse den Cupsong eingeführt. Jetzt versuchten alle Schüler, genauso zu singen wie Emilie und dabei diesen dämlichen Becher im Rhythmus zu drehen. Sogar Jan hatte sich heimlich dabei ertappt, wie er das Klatschen und das Drehen des Bechers am letzten Wochenende in der Küche geübt hatte. Der Becher war dauernd auf den Boden gefallen und er hatte das mit dem Klatschen nicht kapiert. Seine Mutter hatte ihn ausgelacht. Alles nur wegen Emilie!

Je näher die Weihnachtsfeier rückte, desto unbehaglicher fühlte sich Jan. Er hatte keine Idee, was er Jana schenken sollte, und eigentlich wollte er ihr auch gar nichts schenken. Nachher würde man ihn vermutlich auslachen und ihn immer mit Jana in Verbindung bringen. Das durfte auf keinen Fall geschehen. So hatte er beschlossen, einfach so zu tun, als hätte er das Wichtelgeschenk vergessen. War ihm doch egal, ob Jana an dem Tag ein Geschenk bekam oder nicht.

Schließlich war der 21. Dezember gekommen und die Klasse feierte Weihnachten. Zuerst wurden einige Spiele gemacht, dann trug Emilie mit ihrer besten Freundin den Cupsong vor, anschließend schaute man sich noch einen Film an und aß Chips.

„So, Kinder!“, rief schließlich Frau Meier, die Klassenlehrerin, und klatschte fröhlich in die Hände. „Es ist Zeit, dass ihr euch die Geschenke gebt und dann habt ihr Ferien!“ Durch die Klasse ging ein Raunen. Jeder wühlte in seiner Tasche und stellte das mitgebrachte Geschenk schließlich auf einen kleinen Wagen. „Vergesst die Namensschilder nicht!“, rief Frau Meier in den allgemeinen Tumult. Wenige Minuten später durfte sich jeder sein Geschenk heraussuchen. Auch Jan steuerte auf den Wagen zu. Wer ihm wohl etwas gekauft hatte? Vielleicht Emilie? Doch nachdem er alle Geschenke durchgeschaut hatte, ging er etwas enttäuscht wieder auf seinen Platz zurück.

Frau Meier hatte ihn beobachtet. „Was ist los?“, fragte sie besorgt, als sie seinen traurigen Gesichtsausdruck sah.

„Jemand hat das Geschenk für mich vergessen!“, sagte er leise. Frau Meier verdrehte die Augen. Dann klopfte sie dreimal auf den Tisch und rief: „Hört mal alle her! Wer hat jetzt nichts zum Auspacken?“ In der hinteren Ecke meldete sich jemand. Jana. „Ihr beiden kommt kurz mit mir mit!“, sagte Frau Meier, die mit vergessenen Geschenken schon gerechnet hatte. „Ich habe im Kunstraum noch zwei Notfallgeschenke!“

Widerwillig gingen Jana und Jan hinter ihrer Lehrerin her. In der Schule herrschte heute eine eigenartige Stimmung. Es war alles so anders als sonst: Es duftete nach Plätzchen, aus manchen Klassenzimmern hörte man Weihnachtsmusik, alles wirkte still und friedlich. Jan spürte eine gewisse Magie und konnte sich nicht erklären, warum.

„Ihr müsst kurz warten, ich muss erst noch suchen!“, erklärte Frau Meier und war im Kunstvorbereitungsraum verschwunden. Jan ahnte bereits, was das bedeutete.

„Das kann dauern!“, hörte er sich plötzlich sagen.

„Wieso?“, fragte Jana leise. Ihm fiel auf, dass er noch nie ihre Stimme gehört hatte.

„Frau Meier findet fast nie etwas. Schon gar nicht im Kunstvorbereitungsraum. Wenn wir hier dieses Jahr noch raus kommen, haben wir Glück gehabt!“

Jana lachte. Sie hatte ein ansteckendes Lachen. Jan lachte automatisch mit. Jana sah Jan direkt ins Gesicht. Was für schöne braune Augen sie hatte! Sie fuhr sich durchs Haar und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Frau Meier kam tatsächlich nicht zurück. Eine peinliche Stille war entstanden. Jan fühlte sich plötzlich etwas unwohl. Sein Herz schlug ungewohnt schnell.

Plötzlich stand Frau Meier vor ihnen.

„Es tut mir so leid, ich habe nur noch ein Geschenk gefunden!“, brachte sie hervor. „Könnt ihr euch das irgendwie teilen? Es ist ein Bastel-Set.“

„Du kannst es haben, Jana!“, entschied Jan.

Doch Jana schüttelte verlegen den Kopf.

„Ich muss dir etwas gestehen ...!“, sagte Jana plötzlich zögerlich. Jan wurde neugierig. „Ich habe dich gezogen und dir extra kein Geschenk gekauft, weil ich dich ziemlich doof fand!“

Jan starrte das Mädchen an. Plötzlich musste er lachen. „Mir ging es auch so!“, sagte er schließlich.

„Tut mir leid!“, sagten beide gleichzeitig. Dann lachten sie wieder.

Frau Meier klatschte vor Freude in die Hände. „Jetzt kommt mit zurück in die Klasse und dann lasst uns in die Ferien gehen!“

„Fröhliche Weihnachten!“, riefen sich alle zu.

Jans Mutter staunte an diesem Nachmittag nicht schlecht, als er am Küchentisch saß und ihren Handarbeitskorb geplündert hatte. „Übst du nicht mehr den Cupsong?“, fragte sie neugierig.

„Nein, ich mache jetzt ein Freundschaftsband!“, gestand er fröhlich und er war sich sicher, dass er im neuen Jahr auch eins bekommen würde.

Dörte Müller, geboren 1967, lebt und arbeitet zurzeit in den Niederlanden. Sie hat bereits mehrere Kurzgeschichten veröffentlicht und schreibt unter dem Pseudonym Carolyn2.

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 7

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