Читать книгу Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 7 - Martina Meier - Страница 8
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Ziemlich super Freunde
Es war vor vielen Jahren, als die Menschen noch nicht so hektisch waren, die Technik das Leben nicht beherrschte und der Lebensstil einfacher war. Es gab keine Supermärkte, keine Versandhäuser und man kaufte im kleinen Tante-Emma-Laden um die Ecke gemütlich ein: pikante Salzbutter und würzige Salzgurken im Butterhaus, Zucker und Mehl, abgewogen in reißfesten Tüten, im Lebensmittelgeschäft – und Blumen im Blumenladen. Die Kinder lasen Bücher; Fernsehen und Telefone gab es nur wenige in den Haushalten.
Eben zu dieser Zeit bummelte ein kleines Mädchen nach der Schule durch die kleine Stadt und schaute sich die Auslagen in den Fenstern der Geschäfte an. Die Kleine hatte keine speziellen Wünsche und ihr Taschengeld war nicht hoch: 2,- D-Mark im Monat. Ihre Eltern waren zwar nicht arm, aber eben auch nicht reich. Das Mädchen musste mit seinem Geld haushalten.
An der Ecke, an der das zierliche Mädchen die Straße überqueren musste, gab es ein Sämereigeschäft, langweilig, aber trotzdem schaute die Kleine ins Schaufenster hinein. Sie musste lächeln. Hinter der Fensterscheibe tummelten sich kleine Küken von Enten, Gänsen und Hühnern.
„Sind die süß“, dachte die Kleine und ging spontan in den Laden, legte ihr gesamtes Taschengeld für einen Monat auf die Theke und sagte kess: „Ich möchte ein Gänseküken.“ Die Besitzerin wunderte sich ein wenig, hatte aber keine Bedenken – denn das hier war nicht der große Deal. Mit einem kleinen Karton in der Hand, in den Löcher gebohrt waren und aus dem es aufgeregt piepste, ging das Mädchen nach Hause.
„Was bringst du denn da mit?“, fragte die erstaunte Mutter.
„Eine Gans.“
„Wie bitte? Und was sollen wir damit?“
„Schwimmen lassen.“
„Schwimmen lassen. Du bist ja gut. Wir haben keinen Garten und auch keinen Teich.“
„Nee, aber Oma hat doch einen Garten.“
„Das stimmt schon, aber sie hat auch eine Katze …“ Mittlerweile hatte die überraschte Mutter sich beruhigt, eine große Spülschüssel aus der Kammer nebenan geholt, frisches Wasser in die Schüssel gefüllt und das kleine gelbe Federknäuel auf das Wasser gesetzt. Der Quirl paddelte vergnügt im Zickzack in dem Mini-Teich herum. „Da musst du erst mal die Oma fragen, ob sie den kleinen Pieper beaufsichtigen will. Außerdem müsstest du jeden Tag hingehen, um das Tier zu füttern. Der Oma kannst du das nicht zumuten. Das Tier braucht ein Gehege und und …“ Dieses Kind!
„Ich könnte ja erst einmal aus Draht provisorisch ein kleines Viereck umzäunen“, äußerte sich der Vater sachlich zu dem Chaos.
Erst vor Kurzem war die Familie in diese Mietwohnung gezogen, Bedingung: keine Tiere. Vorher lebten sie mit Oma beengt in dem alten Haus, nicht weit von hier, vielleicht 20 Häuser entfernt in der gleichen Straße.
Das Mädchen ging am späten Nachmittag zur Oma, um das piepsende Problem zu besprechen. „Oma, kannst du ein kleines Gänseküken in der Waschküche gebrauchen?“
„Wa...as?“
„Ich habe mir heute einen Gottlieb gekauft. Kann ich den behalten?“
„Wer ist Gottlieb?“
Das Mädchen erzählte, die Oma hatte Verständnis und schmunzelte. Die Waschküche war vor einiger Zeit angebaut worden, um das alte Haus moderner zu machen. An eine Waschküche mit Piepstönen in der Nacht hatte dabei wohl keiner gedacht. Der Vater baute im Garten ein kleines Karree mit festem Maschendraht und eine alte Weinkiste für den tagtäglichen Transport, abends rein und morgens raus, fand sich in der rumpeligen Scheune. Futter musste auch gekauft werden, aber fürs Erste taten es Haferflocken.
Eigentlich glaubte keiner, dass Gottlieb die abenteuerliche Einquartierung lange überstehen würde. Außerdem gab es noch andere Leute, die hier einen kleinen Garten gepachtet hatten, und die wunderten sich wahrlich über das einsame Küken. Na ja, Omas Kater Pepe würde sich schon um den Gottlieb kümmern. Aber der, der schaute nur zu, wie der Pieper herumlief, leise Töne von sich gab und etwas Gras pickte. Er beobachte das merkwürdige Piepsknäuel und sonst passierte nichts.
Mit der Zeit verlor Klein-Gottlieb seinen Flausch und er bekam schöne weiße Federn und vor allen Dingen: Er wuchs. Er wuchs zu einem stolzen Ganter heran, mit langen schneeweißen Federn und kräftigen Flügeln. Manchmal schaffte er es sogar über den Draht und dann lief er in den anderen Gärten herum – sehr zum Ärger des grauhaarigen Gartennachbarn.
„Das geht doch nicht. Der pickt doch alles ab. ... Ich könnte die Hauptarbeit schon erledigen …“, maulte er verdächtig gestikulierend. Der Vater dachte an seine kleine Tochter, holte tief Luft und vergrößerte das Gehege.
Die Kleine umsorgte den Gänserich liebevoll. Jeden Abend ging sie zu ihm, fütterte ihn und sprach mit ihm. Sogleich war der neugierige Kater Pepe zur Stelle. Ab und zu hatte Gottlieb Langeweile und er meuterte ziemlich laut. Dem großen Kerl fehlte Betätigung, besonders an sommersonnigen Tagen. Das Mädchen grub eine Mulde in ein Gartenbeet und füllte sie mit Wasser, denn das Regenfass reichte mittlerweile für Gottliebs Größe nicht mehr. Wenn das kleine Mädchen ihn vorsichtig und liebevoll auf den Arm nahm, nahm er das ruhig und gelassen hin. Die beiden mochten sich. Allerdings war der gebuddelte Teich nur begrenzt haltbar – das Wasser versickerte nach einiger Zeit. Also das Ganze noch einmal, oder aber die Badezeit war beendet.
Der Herbst kam, Blätter fielen, und bald erfanden die beiden ungleichen Gartenbewohner ein neues Spiel. Oft saß der Kater nur still da und beobachtete Fliegen und sonstiges Kleingetier. Dabei zuckte sein Schwanz aufgeregt hin und her. Gottlieb biss gereizt hinein. Pepe erschreckte sich dann furchtbar und rannte im Katzengalopp los. Der Ganter behielt jedoch den Schwanz im Schnabel und düste mit flatternden Flügeln hinterher. Eine heitere, filmreife Gemeinschaftsproduktion, ein lustiges Gespann. Mit der Zeit bekamen die beiden Übung und wurden immer schneller. Gottliebs Watschelbeinchen kamen kaum mit, aber sie hoben sich sogar vom Boden ab.
Das Mädchen musste darüber lachen. Der griesgrämige Nachbar schaute interessiert zu. Ab und zu hob er den Gänserich hoch. Überprüfte er sein Gewicht? Wollte er ihn kaufen? Oder wollte er ihn gar …? Gottlieb fauchte; er mochte ihn nicht. Gottlieb und Pepe, die beiden mochten sich. Manchmal saßen sie nahe beieinander, und schauten sich nur still an. Der Nachbar kam in letzter Zeit verdächtig oft, zu oft, sogar an kühleren Tagen.
Argwöhnisch schauten sich die beiden Freunde an. „Das lässt nichts Gutes ahnen. Was machen wir?“ Leise gab jeder ein paar Töne von sich. „Unser Spiel ist gut. Wir müssen es nur verbessern. Du musst noch kräftiger mit den Flügeln schlagen.“ Am nächsten Tag wiederholten sie das Spiel und wieder und wieder. Es klappte schon besser. Der Ganter kam ein ganzes Stück voran. Er hatte das Fliegen ja vorher nie gelernt. „Mau. Heute versuchen wir es. Es wird Zeit. Die Tage werden kürzer. Zieh du los! Ich habe meine Menschenfamilie und das Haus. Los!“ Pepe rannte wie der Blitz, Gottlieb hinterher und dann ging er in die Lüfte, und Kater Pepe stand mit steilem, winkendem Schwanz am Boden.
„Tschüss Pepe“, schnatterte Gottlieb wehmütig. Er flog über Felder und über weihnachtlich beleuchtete Tannenbäume auf Marktplätzen. Unter ihm weites Land und mittendrin ein Fluss. Gottlieb verlangsamte seinen Flügelschlag und landete tölpelhaft in der Nähe einer Vogelversammlung. Geschnatter und Geschnatter. Höckerschwäne, Graugänse und Stockenten. Die Gefiederten schauten ihn an. „Wo kommst du Fremdling denn her? Bist du aus der Stadt?“
„Kr-kr.“
„Ja, jetzt ist das eine gefährliche Zeit. Aber hier sind wir sicher. Freundliche Menschenkinder bringen uns sogar Futter. Und im Frühjahr sprießen kleine runde, blütenweiße Blümchen, richtige Leckereien.“ Die bunt Gefiederten musterten diesen fremden, gewichtigen Eindringling und nahmen ihn schließlich freundlich auf. Es gab genug zu fressen, keine Konkurrenz. Schlaraffenland. Ganter Gottlieb musste allen Umherstehenden seine aufregende Geschichte erzählen, und sie feierten lautstark seine Freiheit. Er dachte noch einmal an Pepe, der jetzt im warmen Haus auf dem Sofa lag, und dann mischte er sich unter das Futter pickende Federvolk.
Doris Giesler machte eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin. Sie schrieb schon damals kurze Geschichten für Zeitungen und Tierkalender.