Читать книгу Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 7 - Martina Meier - Страница 6

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Hüpfer, Lena und Herr Wurstbrot

„Mir ist soooo kalt“, maulte Hüpfer und zog Lena kräftig am Ärmel.

„Dann mache einfach das, was du am besten kannst.“ Lena grinste ihren Bruder an und begann, wild umherzuspringen. „Siehst du, mir ist schon ganz warm“, rief sie.

Felix, den ja nicht umsonst alle Welt Hüpfer nannte, zeigte nun seinerseits, was er drauf hatte. Sprungdrehungen, die konnte keiner so gut wie er. Und wenn er besonders viel Schwung nahm, schaffte er es sogar, sich einmal komplett herumzudrehen. Doch heute schien sein Spezialsprung nicht klappen zu wollen. Egal, wie oft er auch springend herumwirbelte, die Superdrehung wollte einfach nicht gelingen. „Das liegt an der dicken Jacke“, murrte er und zog sie kurzerhand aus.

„Die Jacke bleibt an“, erwiderte Lena sofort streng, „außerdem war dir eben doch noch so furchtbar kalt!“

„Jetzt nicht mehr!“, schrie Hüpfer und vollführte seine Drehsprünge. Einer nach dem anderen glückte. Hüpfer war so in seinem Element, dass er nicht bemerkte, wie er in immer schneller werdendem Tempo auf einen knienden Mann zusteuerte.

„Hüpffeeer! Stopp!“, brüllte Lena.

Jedoch zu spät. Es knallte und schepperte. Ein Plastikbecher kullerte über den Asphalt, während einzelne Euromünzen um Hüpfer und den alten Mann kreisten, die mehr aufeinander als nebeneinander lagen. „Oh nein! Es tut mir ja so leid. Entschuldigen Sie bitte, aber mein kleiner Bruder …“ Lena kam in Windeseile herbei und half dem Mann, sich wieder aufzurichten.

„Danke, mein Kind“, krächzte er behäbig, streckte sich und hob nun auch Hüpfer zurück auf die Beine. „Du bist ja ein hervorragender Sprungmeister“, lächelte er. Hüpfer nickte und kniff die Lippen fest zusammen. Ihm war zum Weinen zumute, denn er schämte sich plötzlich sehr, dass er nicht besser aufgepasst hatte. „Aber, aber“, rief der Alte, „wer wird denn da ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter ziehen?“

Lena knuffte unterdessen Hüpfer auffordernd in die Seite. „Es tut mir leid, dass ich Sie umgesprungen habe“, flüsterte der kleine Unfallverursacher verlegen und erntete ein anerkennendes Nicken seiner großen Schwester.

„Kein Problem“, lachte der Mann, „und weißt du, was?“ Er beugte sich weit vor, ehe er sprach: „Ich konnte als Bub die eineinhalbfache Sprungdrehung!“

„Echt??“ Hüpfers Augen weiteten sich, schnell war die Traurigkeit vergessen.

„Sicher! Damals war ich der Meister der Sprünge.“

„Und heute?“ Der Alte lachte erneut. Jedoch weniger fröhlich als zuvor. „Heute bin ich ein armer, alter Mann.“

„Sitzen Sie darum auf der Straße?“, fragte Lena.

„Ja, mein Kind, darum sitze ich hier.“ Ein tiefes Seufzen folgte.

„Aber da vorne steht doch eine Bank!“ Hüpfer streckte den Arm aus und wies auf die Sitzgelegenheit hinter ihnen. „Warum setzen Sie sich nicht dort hin? Das ist doch viel bequemer.“

Der Alte fing auch jetzt an zu lachen. Ein noch traurigeres Geräusch. „Ich sitze nicht nur so auf der Straße. Ich bettle um Geld. Und das tut man nun einmal vom Boden aus“, erklärte er knapp.

„Das verstehe ich nicht!“ Lena sah ihren Bruder lange an. „Mir geht es genauso“, stimmte sie zu, „wenn man schon betteln muss, warum darf man dann nicht wenigstens auf einer Bank sitzen?!“

„Ja, das ist voll unfair!“, schrie Hüpfer und sprang wütend in die Höhe.

„Naja, ein Gesetz gibt es dafür nicht“, sagte der Mann, „demnach ist es auch nicht unfair. Leider ist es aber so, dass die Menschen den Leuten auf dem Boden Geld in ihre Büchsen werfen und nicht denen, die auf einer Bank sitzen.“

„Ich würde das anders machen“, entgegnete Lena.

„Ich auch, Lena, ich auch!“ Hüpfer, der gerade dabei war, die Euromünzen aufzusammeln, wurde plötzlich nachdenklich. „Warum betteln Sie überhaupt? Also wenn Mama und Papa Geld brauchen, dann gehen die mit so einer Karte zum Geldautomaten. Vielleicht wissen Sie das ja noch nicht, aber da ist ganz viel Geld drin, das reicht bestimmt auch für Sie!“ Der Mann strich dem Jungen über das strubblige Blondhaar.

„Weißt du, mein Kind, die Sache mit der Karte ist nicht für jedermann geeignet. Um so eine Karte zu bekommen, brauche ich zum Beispiel auch eine Wohnung“, erklärte er.

„Sie haben keine Wohnung?“ Lena war fassungslos. „Es ist Winter!“

„Und Heiligabend“, fügte Hüpfer hinzu.

„Genau! Und an so einem Tag solltet ihr rasch nach Hause gehen und euch auf das große Fest vorbereiten“, wiegelte der Alte schnell ab und reichte den beiden Kindern zum Abschied die Hand. Doch Hüpfer verschränkte die Arme vor der Brust. „Magst du mir nicht die Hand geben, Kleiner?“ Hüpfer sprang einmal auf den Boden auf. „Das heißt Nein“, folgerte der Mann.

„Woher wissen Sie das?“

„Na, ich sagte doch bereits, dass ich der Meister der Sprünge war. Die Fachsprache beherrsche ich immer noch“, zwinkerte er grinsend.

Lena legte gerade Hüpfer die Jacke über die Schultern, als dieser die Hand nach dem Bettler ausstreckte. „Ich heiße Hüpfer, also eigentlich Felix, aber alle nennen mich Hüpfer. Und wie heißen Sie?“

„Ich heiße Springer, also eigentlich Herr Wurstbrot, aber alle nennen mich Springer“, sprach der Alte und wünschte den Kindern ein frohes Fest.

Auch wenn die Kinder sich köstlich über den Namen, sowohl Springer als auch Herr Wurstbrot, amüsierten, bedrückte sie doch etwas, als sie heimkehrten. „Da seid ihr ja“, rief Mama aus der Küche. Es duftete herrlich nach Zimt und Lebkuchengewürz. Hüpfer sprang sofort auf die Theke und angelte sich ein Plätzchen vom Backblech. „He, die sind für heute Abend und die Weihnachtstage gedacht“, sagte Mama und hob lachend den linken Zeigefinger. „Und, wie war der Stadtbesuch im vorweihnachtlichen Einkaufsgerangel? Habt ihr trotzdem alles bekommen?“

„Nö!“

„Nein?“ Mama sah erst Hüpfer fragend an und drehte sich dann zu Lena. „Ihr wolltet doch unbedingt noch ein Geschenk für Knusper und Müsli besorgen.“

„Die Meerschweinchen haben doch alles“, sagte Lena und griff ebenfalls zum Backblech.

„Genau!“, rief Hüpfer, „aber der arme Springer hat nichts!“

„Springer?“

„Hüpfer meint Herrn Wurstbrot“, erklärte Lena.

Mama kratzte sich verwirrt am Kopf. „Ich glaube, ihr wollt mich auf den Arm nehmen.“

„Nein Mama! Springer, also Herr Wurstbrot, sitzt auf der Straße und bettelt.“ Hüpfer sprang hinab und zeigte, wie Herr Wurstbrot kniete und den Arm ausstreckte. Lena machte es nach. „Und dann werfen die Leute Geld in seine Büchse.“

„Aber nur ganz wenig“, warf Hüpfer aufgebracht ein, „da kann man sich nicht mal die coolen Sticker für kaufen!“

„Die braucht er doch auch gar nicht!“ Lena verdrehte die Augen.

„Nein, die benötigt er wirklich nicht“, sagte Mama nachdenklich. Dann hellte sich ihr Gesicht auf. Entschlossen stemmte sie die Hände in die Hüften und sprach: „Kinder, packt die Kekse ein und holt von den Nachbarn einige Thermoskannen. Wir werden jetzt Herrn Wurstbrot und den anderen armen Leuten eine Freude machen!“

Hüpfer wirbelte herum und setzte zum Sprung an … „Die eineinhalbfache Drehung“, rief Lena bewundernd und umarmte ihren Bruder.

Jetzt gab es kein Halten mehr. Innerhalb einer Stunde wurde alles organisiert. Die Nachbarn waren so begeistert von der Idee, dass sie sich spontan bereit erklärten, etwas zu spenden. Und so kamen vier bis an den Rand gefüllte Bollerwagen zusammen, die von einigen Helfern in die Innenstadt gezogen wurden.

„Springer! Springeeeer!“, brüllte Hüpfer, als er den Bettler erkannte, und raste freudestrahlend auf ihn zu. Dieses Mal bremste er aber gerade noch rechtzeitig ab.

„Na, das ist ja eine Überraschung“, sagte der Mann und wischte sich eine Freudenträne aus dem Auge. Die Helfer stellten die Bollerwagen ab und begannen, die Leckereien an die Armen zu verteilen. Immer mehr Menschen kamen zu ihnen und freuten sich über die Gaben. Mama schenkte fleißig Tee und Kaffee aus. Lena spielte auf ihrer Blockflöte Weihnachtslieder. Hüpfer wunderte sich, dass es so viele arme Menschen in seiner Stadt gab, und kuschelte sich irritiert an seine Mama. „Ich weiß, es ist traurig zu sehen, dass es dieses Elend gibt“, erklärte sie sanft, „ihr habt jedoch etwas gemacht, auf das ihr sehr stolz sein könnt!“

„Was denn?“

„Ihr habt die Augen nicht verschlossen“, lächelte Mama weise.

„Dann würde ich ja auch nix mehr sehen!“

„Genauso ist das, mein Kind. Und nun lauf“, sagte sie, als sie den winkenden Herrn Wurstbrot entdeckte. Überglücklich beobachtete sie ihren Jungen, wie er dem Mann seine eineinhalbfache Drehung präsentierte.

„Jetzt bist du auch ein Meister der Sprünge“, jubelte Herr Wurstbrot und sprang mit Hüpfer um die Wette. Es wurde ein ausgelassenes Fest, das noch bis in die Abendstunden andauerte. Und als Hüpfer und Lena später unter dem Tannenbaum saßen, um die Geschenke auszupacken, fragte Hüpfer: „Wie Herr Wurstbrot wohl gerade feiert?“

Mama und Papa sahen sich lange an, dann sprach Papa: „Ich habe noch eine Überraschung für euch!“

Im Türrahmen stand Springer, also Herr Wurstbrot, und hielt zwei Weidenkörbe in den Händen. In beiden lagen leckere Mohrrüben und Äpfel. „Ich dachte, Knusper und Müsli brauchen auch noch ein Weihnachtsgeschenk“, sagte er und zwinkerte Mama zu.

Hüpfer machte einen Freudensprung und Lena fiel dem alten Mann in die Arme. „Das ist das tollste Fest aller Zeiten!“, rief er. Und während Knusper und Müsli ihr Futter verschlangen, feierte die Familie mit dem Meister der Sprünge das Fest der Liebe …

Britta Ahrens wurde als Novemberkind des Jahres 1978 geboren. Mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt sie in Lunestedt, einem kleinen Dorf nahe der Weser. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und konnte bereits einige ihrer Geschichten veröffentlichen.

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 7

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