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Das Geheimnis des Bergmonsters

„Kiara, hast du alles gepackt?“

Kiki, die nur von ihrer Mutter Kiara genannt wurde, sah ein fünftes Mal ihren Koffer durch. „Ja, es ist alles drin!“, schrie sie die Treppe hinunter.

Ihre Familie wollte nämlich in den Urlaub und drehte deshalb vollkommen durch. Ihre Mutter war hysterisch und hatte Angst, etwas zu vergessen. Ihr Vater sah sich tausendmal die Strecke an, die sie fahren wollten. Sie hatten zwar ein Navi, aber dem traute er nicht über den Weg. Ihrem kleinen Bruder Kai war das alles egal. Er las wie immer sein Micky-Maus-Heft und überlegte sich wahrscheinlich schon die nächsten Streiche, die er seiner Schwester spielen wollte. Das war eines seiner größten Hobbys.

Was er ihr nicht alles schon angetan hatte. Das Schlimmste war bis jetzt gewesen, als er Farbe in ihr Shampoo gemischt und sie mit lilafarbenen Haaren in die Schule gemusst hatte. Das war kein schöner Tag für Kiki gewesen.

Kiki freute sich vor allem auf den Urlaub, weil sie mit den Beckers fuhren. Die Beckers waren eine befreundete Familie, allerdings mit zwei Jungs. Jonas war der jüngere, acht Jahre wie Kikis kleiner Bruder. Sein älterer Bruder war Christian und der war Kikis bester Freund. Solange sie denken konnte, hatten Christian und sie alles zusammen gemacht. Und jetzt fuhren sie sogar gemeinsam in den Urlaub.

Nur war der Ort nicht unbedingt das, was sie wollten. Wandern in den Bergen war nicht unbedingt die Aktivität, die die beiden sich ausgesucht hätten. Nur waren ihre Eltern unheimlich begeistert von der Idee.

Endlich ging es los. Sie setzten sich ins Auto und Kiki steckte sich direkt ihre Kopfhörer in die Ohren. Ihren kleinen Bruder wollte sie nicht ständig quasseln hören.

Sie schmiedete Pläne, was sie mit Christian alles anstellen könnte. Sie würde ihn erst in dem gemeinsamen Ferienhaus treffen. Tja, was sollte man schon in den Bergen anstellen? Gab es da noch was außer Wiesen und Hügeln?

„So, alle aussteigen!“

Kiki erschrak. Sie war eingeschlafen und wurde von den lauten Worten ihres übermotivierten Vaters aufgeweckt.

Mit verschlafenen Augen sah sie aus dem Autofenster und entdeckte ein kleines Haus. Es sah eigentlich gar nicht schlecht aus. Neben dem Haus war ein kleiner Spielplatz und von dem führte ein Weg in den Wald. Alles in allem ganz nett.

Kiki stieg aus und im selben Moment drückte Christian die Tür vom Haus auf und schrie begeistert ihren Namen. Die Beckers waren offenbar vor ihnen angekommen.

Am Abend grillten sie alle miteinander und Michael, Christians Vater, begann am Lagerfeuer, eine Geschichte zu erzählen.

„Kennt ihr die Geschichte vom Bergmonster?“ Alle schüttelten den Kopf.

Kiki liebte seine Geschichten, die hatte sie schon immer gemocht.

„Nun gut, also, die geht so: Ein verliebtes Pärchen machte eines Abends einen gemeinsamen Spaziergang ...“

„Ihhh“, schrie Jonas. „Ich hasse Liebesgeschichten.“

Michael schnaubte. „Nun hör doch erst mal zu. Also, sie tätigten einen gemeinsamen Spaziergang. Während sie liefen, kamen sie an einen See und setzten sich auf den Steg. Auf einmal hörten sie ein Rascheln. Erst dachten sie, es wäre nur ein kleines Tier, aber dann wurde das Rascheln lauter. Es musste ein großes Tier sein. Sie bekamen es beide mit der Angst zu tun und beschlossen, auf schnellstem Weg umzukehren. Doch immer wieder hörten sie dieses Rascheln. Sie wagten es nicht, sich umzuschauen. Irgendwann wurde der Mann zu neugierig und wandte sich doch um. Er sah ein Monster, doppelt so groß wie er selbst, und es bestand aus purem Stein. Jetzt sah auch die Frau hinter sich und sog scharf die Luft ein. Das Paar schaute einander an, drehte sich um und rannte weiter. Plötzlich stolperte die Frau und dann ...“

Kai fing an zu kichern. „War ja klar, immer diese Weiber.“

Jetzt schnaubte auch Kiki. „Oh Mann, Kai, du machst die ganze Spannung kaputt. Du bist so nervig.“

Michael stand auf und setzte sich zwischen die beiden Streithähne. „So, soll ich jetzt weitererzählen?“

Beide nickten mit rotem Kopf.

„Die Frau stolperte also, dann stellte sich das Steinmonster vor sie hin. Der Mann flehte das Monster an, seine Freundin in Ruhe zu lassen, doch es war zu spät. Die Augen des Ungetüms fingen an zu leuchten und die Frau versteinerte. Der Mann wurde wütend und versuchte, das Monster mit anderen Steinen zu erschlagen. Doch kein Stein war groß genug und das Wesen zerschmetterte einen nach dem anderen. Schließlich gab der Mann auf und rannte weg. Doch das Monster verfolgte ihn weiter. Der Mann wusste, dass er es nicht ansehen durfte, sonst würde auch er zu Stein werden. Doch das Ungetüm trickste ihn aus. Der Mann versteckte sich hinter einem Baum, als er wieder das Rascheln des Monsters hörte. In einer Pfütze sah er das unheimliche Wesen und dessen leuchtende Augen. Doch nun passierte etwas Seltsames. Der Mann wurde nicht zu Stein, sondern er verwandelte sich ebenfalls in ein Steinmonster. Was danach geschah, weiß niemand.“

„Cool“, sagte Christian und selbst Jonas und Kai waren beeindruckt.

„Schade, dass es so was nicht in Wirklichkeit gibt“, überlegte Kiki.

„Woher willst du das wissen?“, fragte Michael. „Die Geschichte steht in einem Buch über Sagen und Legenden aus den Bergen. Wer weiß, vielleicht läuft das Steinmonster hier in diesem Wald hinter uns herum.“

Jetzt fingen alle an zu lachen und Jonas und Kai spielten die Geschichte nach. Natürlich war Kai das Steinmonster.

Am nächsten Tag fuhren sie gemeinsam mit dem Fahrrad an einen Bergsee. Der war toll, es gab eine kleine Rutsche und einen Felsen, von dem aus man ins Wasser springen konnte. Die Mütter hatten ein riesiges Picknick vorbereitet, es gab von Wassermelone bis hin zum Hähnchenschenkel einfach alles. Da es wirklich warm war, machte es gar nichts aus, dass der See eiskalt war.

Ursprünglich war der Plan gewesen, noch ein kleines Stück zu wandern, aber allen gefiel es dort so gut, dass sie bis zum Abend blieben.

Jonas und Kai taten so, als wäre der See derjenige aus Michaels Geschichte. Die beiden Jungs hatten so einen Spaß bei ihrem Spiel, dass sie alle mit ansteckten. Schließlich waren ihre Väter die Bergmonster und jagten die Kinder. Auch Kiki und Christian ließen sich mitreißen und zum Schluss rannten alle wie wild durch die Gegend. Doch bei ihnen verloren die Bergmonster. Sie wurden von den Kindern gekonnt in den See geschubst.

Als sie spät am Abend bei ihrem Ferienhaus ankamen, schliefen alle direkt ein. Kiki hatte feststellen müssen, dass die Berge bis jetzt gar nicht mal so schlecht waren.

In der Nacht wachte Kiki wegen eines Geräuschs auf. Sie stupste Christian an. „Du, hör mal! Was ist das?“

Christian sah sie verwirrt an und begann zu lauschen. Er fing an zu grinsen und sagte: „Das Bergmonster.“

Kiki schlug ihm auf die Schulter. „Hör auf, das ist nicht witzig. Komm, lass uns mal schauen.“

Beide stiegen aus ihren Betten und schlichen vor die Tür. Man sah nichts, deshalb gingen sie ein paar Schritte weiter. Und was sie dann entdeckten, hätten sie sich nie vorstellen können. Das konnte doch nicht wahr sein ... das Steinmonster ging am Spielplatz vorbei in Richtung Wald!

Sie mussten hinterher. Heimlich schlichen sie weiter, immer wieder hinter einem Baum in Deckung gehend.

„Du, ich habe eine Idee“, meinte Christian. „Wenn man sich in ein Steinmonster verwandelt durch einen Blick auf sein Spiegelbild. Vielleicht verwandelt es selbst sich dadurch ja in einen Menschen zurück.“ Das hielt Kiki für eine gute Idee.

Sie lockten das Wesen durch Steine, die sie warfen, in Richtung Bergsee. Doch irgendwann wurde das Monster wütend. Kiki und Christian rannten, so schnell sie konnten, und sprangen in das eiskalte Wasser. Das Monster stapfte ihnen hinterher und erblickte prompt sein eigenes Spiegelbild. Es begann zu schreien. Doch was weiter geschah, sahen die Freunde nicht.

Am anderen Ende des Sees verließen sie das Wasser, rannten zu ihrem Haus zurück und legten sich schnell wieder ins Bett.

Am nächsten Morgen waren sich beide nicht sicher, ob sie sich das ganze Geschehen vielleicht nur eingebildet hatten.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Kikis Vater stand auf und öffnete sie. Christian und Kiki spitzten die Ohren.

Vor der Tür stand ein Mann, der verwahrlost und verwirrt aussah. „Hallo, es mag merkwürdig klingen, aber glauben Sie mir, ich sage die Wahrheit. Ich war ein Monster und jetzt bin ich wieder ein Mensch.“

Kiki und Christian sahen sich geschockt an. Es war also doch kein Traum gewesen ...

Anna Wissenbach ist gebürtige und vor allem stolze Hessin. Schon in frühen Kindheitstagen fing sie an, sich die wildesten Geschichten auszudenken und niederzuschreiben. Heute hat sie sich ganz dem Fantasy-Genre verschrieben. Ihre erste Kurzgeschichte wird im Frühjahr 2018 veröffentlicht.

Das Lachen des Schmetterlings

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