Читать книгу Wünsch dich ins große Wunder-Weihnachtsland Band 1 - Martina Meier - Страница 52

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Melinda und das Pony

Seit Tagen schneite es beinahe ununterbrochen. Die waldigen Hügel, die Melinda von ihrem Fenster aus sehen konnte, waren weiß und die Bäume bogen sich unter ihrer schweren Last. Eigentlich war das ja wirklich schön, dachte Melinda, aber ausgerechnet jetzt kam ihr der Schnee ganz ungelegen, denn sie konnte nicht zum Ponyhof, weil Autofahren so problematisch war. Aber es waren nicht nur der Ponyhof und ihre Reitstunden, die Melinda fehlten. Da war auch noch das graue Pony, das nicht weit von ihnen auf der Weide stand. Es sah gar nicht gut aus: Es war abgemagert, sein Fell war struppig und glanzlos, es hinkte und ließ traurig den Kopf hängen. Der Besitzer war ein unfreundlicher Kerl, der sie schon ein paar Mal verscheucht hatte. Seit die kleine Stute auf der Weide stand, sparte Melinda ihr Taschengeld, um sie zu kaufen, aber das würde noch lange dauern.

Irgendwann hielt sie es einfach nicht mehr aus. Sobald ihre Mutter außer Sichtweite war, schlüpfte Melinda in ihre Winterstiefel und die warmen Sachen und machte sich auf den Weg. Es war anstrengend, durch den Schnee zu marschieren. An manchen Stellen war der Gehweg geräumt, an anderen nicht und ab und zu gab es gar keinen Gehweg. Als sie endlich bei der Weide ankam, war diese leer. In der Nähe konnte sie den Hof sehen. Eine Weile zögerte sie und überlegte, ob sie es wagen konnte, aber dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und schlich sich heran. Zwischen den großen Gebäuden gab es auch einen kleinen, halb verfallenen Schuppen. Melinda duckte sich und huschte zu dessen Eingang hinüber.

Das Pony war tatsächlich hier untergebracht, aber Melinda lief es kalt den Rücken hinunter, als sie sich umsah. Der Schuppen war dunkel und eisig, überall waren Ritze und Öffnungen in den Wänden, durch die der Wind hereinblies, und im Dach war ein großes Loch, durch das es sogar hereinschneite. Das Pony stand in einem schmalen Verschlag auf dem nackten Steinboden. Es war mit einer kurzen Leine angebunden, sodass es sich kaum bewegen konnte, und es hatte weder etwas zu fressen noch etwas zu trinken zur Verfügung. Es sah einfach erbärmlich aus, ganz apathisch und halb erfroren und verhungert. Melinda schob sich nach vorne zum Kopf des Tieres durch und fütterte ihm alles, was sie dabei hatte. Sie musste die arme Stute praktisch dazu überreden, etwas zu fressen. Sie weinte, als sie nach Hause ging.

Mitten in der Nacht, als es schon lange dunkel war und ihre Eltern sie schlafend im Bett glaubten, kam sie zurück. Das war nicht leicht, denn sie musste warten, bis ihre Eltern zu Bett gegangen waren, um sich hinausschleichen zu können, und natürlich war es riskant. Wenn einer der beiden auf die Idee kam, nach ihr zu sehen, würden sie bemerken, dass sie nicht da war. Melinda wollte sich gar nicht erst vorstellen, was dann passieren würde.

Allein bei Nacht durch den Schnee zu stapfen, war sonderbar. Sie fürchtete sich eigentlich nicht, fühlte sich aber die ganze Zeit beobachtet und sah immer wieder über ihre Schulter, ob da jemand war. Doch es war nur ihre Einbildung und schließlich erreichte sie den Schuppen vollkommen außer Atem, weil sie sich so beeilt hatte. Während sie versuchte, den Knoten des Strickes zu lösen, redete sie dem Pony beruhigend zu, aber eigentlich wollte sie hauptsächlich sich selbst beruhigen. Was sie da tat, war Wahnsinn, aber sie ertrug es nicht, das arme Geschöpf noch einen Tag länger in den Klauen dieses Mannes zu lassen!

Die nächste Woche war hart für Melinda. Sie hatte das Pony im geräumigen Gartenhaus untergebracht, das weit hinten auf dem Grundstück gelegen war und außerdem zu dieser Jahreszeit so gut wie nie aufgesucht wurde. Trotzdem zitterte sie jeden Tag, dass ihre Mutter oder ihr Vater aus irgendeinem Grund hineingehen könnte. Sie hatte sorgfältig die Hufspuren verwischt. Morgens stahl sie sich in aller Frühe zum Gartenhaus. Sie hatte Eimer dorthin gebracht und schmolz Schnee zum Trinken für das Pony. Sie kaufte säckeweise Karotten und Äpfel von ihrem gesparten Taschengeld, außerdem Heu in Tüten und schleppte alles zu ihrem neuen Schützling. Sie ging sogar außen herum zum Gartenhaus, damit nicht ein Trampelpfad vom Haus dorthin sie verriet. Es war unglaublich anstrengend, für das Pony zu sorgen, aber nach ein paar Tagen sah es schon fröhlicher aus und beschnupperte sie neugierig. Sie putzte es regelmäßig und entsorgte seinen Mist auf einem Feld in der Nähe. Einen Namen für ihre Freundin hatte sie auch schon: Cinderella. Sie fand, dass die kleine Stute wie eine Prinzessin war, die bisher im Elend leben musste und nun endlich zu ihrer höheren Bestimmung gefunden hatte.

Endlich war Heiligabend gekommen. Melinda und ihre Eltern gingen zur Kirche und wie jedes Jahr hatten sie einen wunderschön geschmückten Baum, unter dem die bunt und glänzend verpackten Geschenke lagen. Als Melinda zur Bescherung ins Wohnzimmer kam, war nur ihre Mutter da. Wenig später kam ihr Vater herein, blass und ernst starrte er sie an, als hätte er einen Geist gesehen. Melinda bekam weiche Knie, weil sie ahnte, was nun geschehen würde.

Ihre Mutter musterte besorgt ihren Mann. „Michael, ist dir nicht gut?“

Er schüttelte eine Weile stumm den Kopf, dann sagte er: „In unserem Gartenhaus steht ein Pferd!“

„Was hast du denn dort zu suchen gehabt?“, rief Melinda verzweifelt aus.

Die Blicke ihrer Eltern richteten sich auf sie. „Melinda“, sagte ihre Mutter streng, „was hat das zu bedeuten?“ Was blieb ihr anderes übrig, als die ganze Geschichte zu beichten? Als sie fertig erzählt hatte, saß sie mit hängendem Kopf da und ihre Eltern waren fassungslos.

„Ich kann nicht glauben, dass du ein Pferd gestohlen hast!“, rief ihre Mutter mit einem hysterischen Ton in der Stimme. „Connie, bitte beruhige dich. Wenn wir jetzt anfangen herumzuschreien, hilft das auch nichts.“ Melindas Mutter warf ihrem Mann einen giftigen Blick zu, erwiderte aber nichts. Melinda wurde in ihr Zimmer geschickt und die Geschenke blieben vorerst eingepackt.

Sie sah ihre Eltern erst wieder am nächsten Morgen. Mit ernsten Gesichtern forderten sie ihre Tochter auf, sich hinzusetzen. Melinda gehorchte und machte sich auf eine schlimme Predigt und Strafen gefasst. „Wir waren bei dem Besitzer“, begann ihr Vater. „Zunächst einmal haben wir ihm gesagt, wo sein Pony ist, und ihn gebeten, nachsichtig zu sein. Das war nicht einfach, er war sehr aufgebracht und verärgert und ich muss sagen, zurecht! Wir sind ebenfalls immer noch sehr wütend, das kannst du mir glauben.“ Melinda nickte und kaute schuldbewusst auf ihrer Unterlippe. Sie fühlte sich wirklich miserabel. Natürlich wusste sie, dass sie etwas Falsches getan hatte, aber sie hatte doch keine Wahl gehabt!

„Weil wir aber auch wissen, dass du die Wahrheit gesagt hast und es dem Tier dort sehr schlecht ging, haben wir ihn gefragt, ob er es uns verkaufen würde.“

Melinda konnte es kaum glauben. War das möglich? Ihre Eltern waren doch immer dagegen gewesen, dass sie ein eigenes Pferd hatte.

Ihre Mutter hob warnend den Zeigefinger. „Moment, Fräulein, das war ganz bestimmt noch nicht alles. Es gibt Bedingungen und eine Strafe wirst du auch erhalten. Als Wiedergutmachung wirst du in den Winterferien jeden Tag bei dem Mann vormittags arbeiten, und zwar ohne Bezahlung. Die Hälfte von dem, was das Pony gekostet hat, wirst du von deinem Taschengeld bezahlen, ganz egal, wie lange das dauert. Wir werden das Pony natürlich im Ponyhof einstellen. Das kostet ebenfalls viel Geld und als Gegenleistung wirst du zukünftig mehr Aufgaben im Haushalt übernehmen. Und wenn wir merken, dass deine Leistungen in der Schule schlechter werden, werden wir das Pony verkaufen. Verstanden?“

Es wurde dann doch noch ein schönes Weihnachtsfest. Sie brachten alle zusammen Cinderella in ihren neuen Stall auf dem Ponyhof, wo sie aufgeregt ihre neuen Kameraden begrüßte und eine große Box bezog, die kniehoch mit frischem Stroh gefüllt war. Melinda und ihre Eltern packten ihre Weihnachtsgeschenke aus und fanden, dass sie unglaublich viel geschenkt bekommen hatten. Melinda musste versprechen, nie wieder solchen Unsinn zu machen, was sie auch gern tat. Ihre Eltern waren nicht länger böse und beim traditionellen Käsefondue am Abend waren sie sogar richtiggehend ausgelassen.

Und es traf sich doch wirklich nicht schlecht, dass Melinda ausgerechnet diese Weihnachten neue Reithosen und Stiefel geschenkt bekam.

Simone Ehrhardt: Ich wurde am 18.10.1967 in Mannheim geboren, bin verheiratet, nach dem Abitur absolvierte ich eine kaufmännische Ausbildung, es folgten mehrere Jahre Berufstätigkeit und danach ein Studium in Germanistik, Anglistik, Medien- und Kommunikationswissenschaft mit Abschluss Magister Artium. Seit einigen Jahren bin ich selbstständig tätig, seit 2007 als Autorin. Eins meiner Hobbys ist Weihnachten,.

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