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Weihnachtsbasar

Wenn es etwas gibt, worüber sich alle Kinder auf der Welt einig sind, dann bestimmt darüber, dass die Weihnachtstage zu den schönsten Tagen des Jahres gehören. Während jedes Kind an einem anderen Tag Geburtstag hat, so gibt es beim Weihnachtsfest einen Grund, sich gemeinsam zu freuen, Geschenke zu bekommen und selbst welche zu verschenken.

An diesen besonderen Tagen ist kaum ein trauriges Gesicht zu sehen. Es gibt mehr Kekse, als ein Kindermagen verträgt, funkelnde, selbst geschmückte Weihnachtsbäume und farbenfrohe Lichter, die jedes Fenster schmücken. Wer könnte auch nur daran denken, da Trübsal zu blasen?

„Wahrscheinlich bin ich im Moment das einzige traurige Kind auf der Welt“, dachte Kai missmutig, während er auf seinem Bett saß und aus dem Fenster hinaus in die Finsternis starrte.

Vor Kurzem hatte es angefangen zu schneien. Bestimmt kamen ihn morgen früh seine Freunde besuchen, um ihn zur ersten Schneeballschlacht des Winters abzuholen. Sein Blick verfolgte die dicken weißen Flocken, die stetig zu Boden fielen. Nicht sehr spannend, aber immer noch besser, als das große pinke Ungetüm anzustarren, das auf der anderen Seite seines Bettes auf ihn wartete.

Vor wenigen Stunden noch, als er mit seiner Familie unten im Wohnzimmer saß und darauf wartete, dass die Bescherung endlich anfing, hatte er an nichts anderes denken können. Das riesige Paket, auf dem in fetten schwarzen Buchstaben sein Name stand, zog seine Blicke magisch an. Vielleicht hätte ihn das rosa Geschenkpapier mit den aufgedruckten Feen stutzig machen sollen. Doch er dachte, es handle sich nur um einen kleinen Scherz, den sich der Weihnachtsmann erlaubt hatte.

Ha! Von wegen!

Anstatt der coolen Playmobil-Ritterburg oder des knallroten ferngesteuerten Autos, das ganz oben auf seiner Wunschliste stand, hatte er ein Pony geschenkt bekommen. Ein pinkes Stofftier-Pony mit riesigen blauen Glupschaugen und goldener Mähne. Schnell hatte sich das erwartungsfreudige Grinsen in eine enttäuschte Grimasse verwandelt.

„Das ist das letzte Mal, dass wir dein Geschenk beim Weihnachtsmann bestellen“, versuchte sein Vater ihn zu trösten. „Nach den Feiertagen fahren wir in den Spielzeugladen und du darfst dir ein neues Geschenk aussuchen.“

Das nutzte Kai in der jetzigen Situation überhaupt nichts! Was war nur passiert? Er hatte sich so bemüht, den Wunschzettel ordentlich zu schreiben. Konnte der Weihnachtsmann etwa seine Schrift nicht lesen? Oder gab es eine Verwechslung? Vermutlich würde er es nie erfahren.

Während er dasaß und in seinen traurigen Gedanken versank, sah er aus seinen Augenwinkeln, wie auf einmal ein gleißendes Licht mitten in seinem Zimmer auftauchte. Erschrocken zuckte er zusammen, zwang sich jedoch, genau hinzusehen, was geschah. Eine kleine rundliche Gestalt trat aus dem Lichtkreis hervor, schnaubte mehrmals und blickte den Jungen aus großen waldgrünen Augen an. Sie trug eine spitze Zipfelmütze und ein grünes Jäckchen. An ihren Beinen ringelte sich eine weiß-rote Strumpfhose empor, die aus spitzen, nach oben gebogenen Schuhen entwuchs.

„Ein Weihnachtself!“, entfuhr es ihm, ehe er sich beherrschen konnte. Hastig schlug er sich eine Hand vor den Mund, um das fremdartige Wesen nicht aus Versehen zu verärgern. Doch der Elf lächelte nur und verbeugte sich vor ihm.

„Ganz recht. Ich bin ein Weihnachtself“, verkündete er mit heller Stimme. „Und ich bin zu dir geschickt worden, um mich im Namen des Weihnachtsmannes zu entschuldigen. Uns ist ein schlimmer Fehler bei der Zuteilung der Geschenke unterlaufen.“ Sein Blick fiel auf das pinke Pony. Er blinzelte. „Ein wirklich schrecklicher Fehler“, fügte er hinzu.

Kai rümpfte die Nase. „Ist auch egal. Jetzt ist es zu spät, um etwas daran zu ändern.“ Aber ihm tat es schon leid, dass irgendwo auf der Welt ein kleines Mädchen vergeblich auf sein Stofftier gewartet hatte.

„Keinesfalls!“, rief der nächtliche Besucher aus. „Du ahnst ja gar nicht, wie anstrengend unser Job ist! Wir müssen jedem Kind auf der Erde ein Geschenk bringen. Wir arbeiten hart daran, unser System zu verbessern, aber der Weihnachtsmann ist auch nicht mehr der Jüngste und Fehler passieren eben. Auch bei uns. Deswegen möchte ich dich herzlich auf den Weihnachtsbasar einladen!“

Der Weihnachtself deutete auf den leuchtenden Kreis, in dem Kai die Umrisse mehrerer Personen erkannte. Es musste sich um eine Art Portal handeln, das mitten in seinem Zimmer schwebte. Aufgeregt klopfte das Herz in seiner Brust. Was hatte das Ganze nur zu bedeuten?

„Irgendwo dort ist das Mädchen, dem das Geschenk gehört“, erklärte der Elf. „Es heißt auch Kai, genauso wie du. Deswegen ist uns diese Verwechslung passiert. Wenn ihr euch findet, könnt ihr die Geschenke tauschen.“

Das ließ sich Kai nicht zweimal sagen. Hastig sprang er von seinem Bett, umfasste den Hals des Ponys mit beiden Armen und folgte seinem Besucher auf den Weihnachtsbasar. Ein Kribbeln überlief seinen Körper, als er das Portal durchschritt.

Danach schallte ihm eine wahre Geräuschwelle entgegen. Hunderte Kinder aus aller Welt standen hier beisammen, unterhielten sich und lachten gemeinsam. Mit großen Augen spähte er hinter dem Stofftier hervor, beobachtete das Geschehen neugierig.

Selten hatte er außerhalb eines Spielzeuggeschäfts so viele Spielzeuge auf einmal gesehen. Von geschnitzten Holztieren über funkelnden Plastikschmuck bis hin zu Spielkonsolen war wirklich alles da. Zwischen den Kindern huschten zahllose Weihnachtselfen umher, verhinderten, dass Streit ausbrach, und übersetzten Gespräche, wenn die Basargäste einander nicht verstanden.

Plötzlich spürte er, wie jemand am Hemd seines Pyjamas zog. Überrascht drehte er sich um und blickte in die dunklen fragenden Augen eines etwa sechsjährigen Mädchens. Schwarze Locken hingen ihm ins Gesicht. Auf seinem gelben Schlafanzug tanzten rosa Einhörner mit grünen Waldfeen.

„Ich bin Kai“, sagte das Mädchen. Anklagend zeigte es auf das Stofftier in seinen Armen. „Und du hast mein Pony.“

„Ich bin auch Kai“, gab er zurück. „Wo hast du mein Geschenk?“

Das Mädchen deutete auf ein rotes ferngesteuertes Auto, das in einiger Entfernung auf dem Boden lag. Ruckartig wurde das pinke Ungetüm aus seinen Fingern gerissen. Mit tapsigen Schritten rannte das andere Kind davon.

„Gerne geschehen!“, rief er ihr hinterher, erhielt jedoch keine Antwort. „Dann eben nicht.“

Mit einem Schulterzucken sammelte er sein hübsches, rotes Auto ein und mischte sich unter die anderen Kinder. Bestimmt durfte er noch eine Weile hier bleiben. Die Weihnachtselfen würden ihm schon Bescheid sagen, wenn er nach Hause zurück musste.

Lily Beier (geb. 1989) schreibt bereits seit vielen Jahren Geschichten. Besonders kreativ wird sie nachts, deswegen kommt ihr die Arbeit als Krankenschwester im Nachtdienst sehr gelegen. Mehr aus Interesse als aus Ehrgeiz studiert sie Germanistik und Geschichte in Bochum. Im Moment schreibt sie vor allem Kurzgeschichten.

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 6

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