Читать книгу Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 6 - Martina Meier - Страница 8
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Die Weihnachtssabotage
Schneeflocken fielen in der kalten Luft zu Boden. Mindestens ein Meter dieses Wintertraums überzog das Land. Die Wolken hingen an diesem Abend tief, nur ab und an rissen sie auf und zeigten den sternenübersäten Himmel. Diesen Blick in das Firmament bekam man einzig und allein, wenn man abgelegen von jeder Zivilisation war.
Trotzdem sah man hinter einem Hügel Rauchsäulen aufsteigen, die auf Leben hindeuteten. Oder?
Das Klingeln von Glöckchen unterbrach die Stille. Es kam von einem Schlitten, der von Schneefüchsen gezogen wurde und die Anhöhe hinaufpreschte. Der Rodelschlitten war beladen mit Holz und der Fahrer war kein Mensch. Eher ein Menschlein, klein wie ein Kind.
Nichtsdestotrotz erkannte man, das er ausgewachsen war, denn er trug ein Kinnbärtchen. Es handelte sich um einen Elf, ein dicker Wollmantel schützte ihn vor der Kälte, ebenso eine Mütze, welche ihm ins Gesicht hing. Sein Name war Buttercreme, und obwohl er ihn hasste, hörte er jederzeit darauf. Seine Laune war miserabel, da er hinausgeschickt wurde, um Holz zu holen. Das war eigentlich Arbeit für die Anfänger. Allerdings konnte der Weihnachtsmann sehr überzeugend sein.
Buttercreme spornte noch einmal die Füchse an. An der Kuppel des Hügels angekommen, blickte man hinab in ein kleines Tal. Darin stand ein Fachwerkhaus mit unzähligen Schornsteinen, aus denen es qualmte. Der Wind blies heute kräftig und wehte ihm ein Duft von Schokolade, Zimtwaffeln, Anisplätzchen und allem, was es an Weihnachten gab, entgegen. Dieser Geruch zauberte ein Lächeln in das grimmige Gesicht. Der Gedanke, dass er jetzt bald Feierabend hatte, machte ihn glücklicher.
Der Schneefall hatte nachgelassen, als er an der Einfahrt zum Haus ankam. Mit großen Buchstaben war zu lesen:
Am Nordpol 1
„Hallo Buttercreme!“, begrüßte eine rothaarige Elfe ihn. Sie hatte eine gekringelte Strumpfhose und ein braunes Kleid an.
„Hallo Zuckerwatte“, sagte er zu ihr und im gleichen Moment fragte er sich in Gedanken, wer sich ihre Namen ausgedacht hatte.
„Und gibt es etwas Neues da draußen?“
„Was soll es da geben? Schnee, Schnee und nochmals Schnee.“ Buttercreme sprang vom Schlitten und zog die Mütze aus. Er hatte ebenfalls rotes Haar und Sommersprossen im Gesicht, obwohl er noch niemals einen Sommer erlebt hatte.
„Schnee ist doch gut, oder? Stell dir vor, es wäre keiner mehr da.“
Er hatte keine Lust zu reden, winkte Zuckerwatte ab und ging in sein Zimmer. Aber dazu musste er erst durchs Haus des Weihnachtsmanns, wo die anderen Elfen wohnten. Es war wie eine große Familie, allerdings hatte Buttercreme die Nase voll. Nicht von den Elfen, aber von der Arbeit. „Ständig diese Spielzeuge machen, die von den Kindern auf der Welt nicht respektiert werden!“, dachte er wütend. „Meist werden die Sachen schon innerhalb von einem Tag mutwillig kaputt gemacht.“ Dies sah er nicht mehr ein. „Es kostete viel Mühe, die Spielsachen herzustellen und die Bälger zerstören alles. Der Weihnachtsmann äußert sich dazu in keinster Weise. Warum auch, er stellt die Spielwaren ja nicht her. Er hat nur einmal ihm Jahr Stress und wir, die Elfen?“ Schleunigst ging er durch den Flur und ignorierte die gut gelaunten Arbeitskollegen.
Erleichtert kam er in seinem Zimmer an und schloss fix die Tür hinter sich. Er atmete tief durch und kickte seine Schuhe in die Ecke. Anschließend machte er es sich in dem Sessel bequem und schaltete den Fernseher an. Eine Dokumentation erweckte sein Interesse. Es ging darum, warum Kinder keinen Bezug mehr zu ihren Sachen hatten und warum sie so aufgedreht waren. Forscher behaupteten, dass ihre Umwelt daran schuld war. Soviel geschah jeden Tag um die Kinder herum, sodass ihre Sinne die ganze Zeit über beansprucht waren. Dadurch wären sie überfordert – und das zeigte sich in ihrem übermütigen Verhalten.
Aber Buttercreme wusste den wahren Grund. „Die Bälger sind zu verwöhnt“, grummelte er vor sich hin. Ärger packte ihn erneut. Was konnte er bloß dagegen unternehmen? In zwei Tagen war Weihnachten. Ein schrecklicher Plan entstand in seinem Kopf.
Als er am nächsten Morgen zum Weckruf „Stille Nacht“ die Augen aufschlug, waren diese zwar rot unterlaufen, aber das Grinsen ließ nichts Gutes erahnen. Er stand auf und machte sich auf den Weg in die Werkstatt. Noch bevor er ankam, hörte er aufgeregte Schreie von den Elfen.
Er trat in die Arbeitsräume und erblickte sofort den Weihnachtsmann. Dieser trug eine normale Jeans und ein Holzfällerhemd, bloß der Bart und das Haar waren voll wie eh und je. „Was ist denn hier los, meine Freunde?“
„Weihnachtsmann, unsere Arbeit wurde sabotiert!“, sagte eine aufgebrachte Elfe.
„Inwiefern?“
„Holzspielzeug ist angesägt worden, Schrauben entfernt und ganz viele andere Sachen!“
„Was bedeutete das für uns?“, wollte er wissen.
„Das heißt, dass die ganze Arbeit umsonst war. Wir bekommen dies alles nicht mehr bis morgen repariert.“
„Das wäre ja schrecklich“, sagte er und blickte nachdenklich in den Raum. Dann fiel sein Blick auf den sommersprossigen Elf. „Buttercreme!“
Der Elf zuckte zusammen, als wäre er auf frische Tat ertappt worden. „Ja, Chef?“
„Komm mit mir. Du bist der Erfahrenste hier. Wir müssen eine Lösung finden.“
Er folgte dem Weihnachtsmann ins Büro. Dieser setzte sich an den Schreibtisch, der am Ende des Raumes stand. „Setzt dich, mein Freund“, sagte er zu dem Elfen.
Unbehaglich nahm dieser Platz und legte sofort los. „Also, Weihnachtsmann, das ist keinesfalls zu schaffen.“
„Uns bleibt keine Wahl. Wir müssen! Ich wäre der erste Weihnachtsmann, bei dem Weihnachten ausfällt, und glaub mir, das möchte ich nicht in meiner Chronik stehen haben. Es muss eine Möglichkeit geben!“ Er blickte gedankenversunken auf den Schreibtisch, in den ein Bildschirm eingelassen war, und Buttercreme rutschte unwohl auf dem Stuhl hin und her. Der Weihnachtsmann hob kurz den Blick und schaute auf den Elfen. „Schau dir das an“, sagte er schließlich. Buttercreme musste sich strecken, um zu sehen, was der Weihnachtsmann meinte. Beide schauten jetzt auf den Bildschirm.
„Was ist das?“, fragte der Elf.
„Hier beobachte ich die Kinder.“
Buttercreme sah einen Raum voller Kinder, in dessen Mitte ein Weihnachtsbaum stand. Zehn Kinder sangen fröhlich ein Lied – bis auf ein Mädchen, das sich Abseits aufhielt und traurig drein schaute.
„Was ist mit diesem Kind?“, fragte Buttercreme.
„Das ist Anna. Sie ist noch nicht lange in dem Kinderheim. Vor drei Monaten hat sie ihre Eltern bei einem Autounfall verloren. Jetzt hat sie niemand, der sich um sie kümmert.«
„Das ist ja furchtbar“, sagte der Elf betroffen.
„Ja, dieses Schicksal ist schrecklich und jetzt habe ich noch nicht einmal ein Geschenk für Anna, das sie ablenken könnte.“
Buttercreme war völlig elend zumute. An so etwas hatte er nicht gedacht. Er hatte stets nur ein Bild von Kindern, die keinen Respekt zeigten, im Kopf. Aber Anna ging ihm nicht aus dem Sinn. Er brach in Tränen aus. „Es tut mir so leid. Ich war es, der alles sabotiert hat. Ich dachte, die Kinder respektieren unsere Arbeit nicht. Ich wollte doch niemals ...“
Der Weihnachtsmann unterbrach ihn. „Schon gut, Buttercreme. Ich sehe, dass du es bereust und es dir leidtut.“
„Aber was ist mit den Geschenken?“, fragte der Elf und wischte sich die Tränen weg.
„Ich wäre doch nicht der Weihnachtsmann, wenn ich dieses Problem nicht in den Griff bekommen könnte.“ Der weiße Bart verzog sich zu einem Lächeln.
Im gleichen Moment riss eine Elfe die Tür auf. „Es ist alles repariert! Wie von Geisterhand!“
Der Weihnachtsmann zwinkerte Buttercreme zu. „Dann soll morgen Weihnachten stattfinden und Buttercreme begleitet mich.“ Der Elf war überrascht, dass er mitgenommen werden sollte.
Am nächsten Tag machte er sich mit dem Weihnachtsmann auf den Weg, um viele Kinder glücklich zu machen. Denn es gab nichts Schöneres.
Oliver Lehnert ist 34 Jahre alt und wohnt im Saarland. Zu seinen Hobbys zählen, neben dem Schreiben und Lesen, Fußball und Laufen. Bisher hat er einige Kurzgeschichten in Anthologien veröffentlicht sowie auf seiner Facebook-Seite „Lesefelder“, auf der die User per Wahlverfahren die Themen der nächsten Kurzgeschichte mitbestimmen können. Oliver Lehnert arbeitet derzeit an seinem vierten Roman.