Читать книгу Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 6 - Martina Meier - Страница 12

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Was macht Marie zu Weihnachten?

„Wer bist du?“, fragte Marie den Unbekannten ganz aufgebracht. Er sah ziemlich merkwürdig aus, ein brauner Bär, der nicht höher als bis zu ihren Knien reichte, mit einer großen roten Schleife um den Hals gebunden und einer großen Kristallkugel in der Hand, die hellrosa leuchtete.

„Mein Name ist Sorgenlos und ich bin hier, um dir zu helfen.“

Die kleine Marie staunte: „Warum denn?“

„Weil du ungeduldig bist, denn ich habe gesehen, wie du dich aufgeregt hast, weil du noch keine Geschenke bekommen hast.“

Tatsächlich war dem so. Heute war Heiligabend, doch die Geschenke durfte sie erst dann bekommen, wenn ihre Großeltern und ihre Tanten und Onkel bei ihnen angekommen waren. „Aber ich möchte jetzt schon meine tollen Geschenke!“, jammerte Marie uneinsichtig.

Der Bär seufzte darauf nur. „Damit du siehst, wie viel das Christkind an diesem Tag zu tun hat, werde ich dich jetzt mit zu ihm nehmen!“

Noch bevor Marie etwas sagen konnte, erstrahlte die Kugel ganz hell und verschlang die beiden im Nu. Nur Sekunden später stand sie schon auf einer der großen Wolken, die den Nachthimmel bedeckten. Wenn man an Weihnachten und die Heimat vom Christkind dachte, verband man es sofort mit einer großen Stadt, umgeben von zahllosen Süßigkeiten – und erst das große Schloss, in dem es wohnen sollte! Doch nichts lag ferner als die Annahme, dass das Christkind eitel und von glitzernden Dingen umgeben sei. Das Gegenteil war der Fall, was Marie gleich erkannte, denn Bescheidenheit war seine Tugend.

Vor ihren Augen stand das Christkind in einem normalen Zimmer und war höchstpersönlich damit beschäftigt, die Liste mit den Kindern der ganzen Welt durchzugehen.

„Hallo, Marie, ich habe dich bereits erwartet.“ Der Engel guckte sie freundlich an, eine ähnliche Kristallkugel haltend wie der Bär. „Es freut mich, dass du hier bist. Du bist heute Abend aber ziemlich ungeduldig gewesen, nicht wahr?“

Marie war es auf einmal unangenehm, dass sie nicht warten konnte, aber sie wollte doch schon so gerne die tollen Geschenke haben!

„Nun, wie du siehst habe ich viel zu tun und kann nicht überall gleichzeitig sein, das verstehst du doch?“

Marie war ihr Benehmen plötzlich so peinlich, dass sie beschämt zu Boden sah.

„Weißt du, wie ich das mit den Geschenken mache?“ Neugierig blickte das Mädchen nun hoch. Mit einem kurzen „Ich zeige es dir!“ hob er vorsichtig die Kristallkugel in seiner Hand auf Maries Augenhöhe. Viele traurige Gesichter, voll Kummer und Sorgen, guckten ihr entgegen. „Diese Kinder, die du hier siehst, haben es sehr schwer in ihrem Leben, sie haben keine Eltern und auch kein eigenes Zuhause, sie leben in Heimen oder gar auf der Straße.“

Marie war den Tränen nahe, denn so hatte sie es noch nie gesehen, dass es anderen Menschen schlimmer ging als ihr.

„Diese kleinen Seelchen bekommen die Geschenke zuerst. Es ist wichtig, ihnen unsere Liebe zu zeigen“

Der Blick war sanft, als er Marie anschaute. „Ich bin mir sicher, dass du nicht mit Absicht so ungeduldig bist, trotzdem musst du eines verstehen: Jeder hat es verdient, etwas Besonderes zu Weihnachten zu bekommen, egal ob reich oder arm, ob groß oder klein.“ Tränen kullerten Maries Wangen hinunter.

„Tut mir leid!“ Sie sah ein, dass es sehr unfair von ihr gewesen war – sie war wichtig und sonst keiner. Das Kind war freudig überrascht, als das Christkind es liebevoll umarmte.

„Schön, dass du es jetzt verstehst, aber es ist spät geworden. Du musst nach Hause.“

Da kam dem Mädchen plötzlich eine grandiose Idee! „Ich möchte dir bitte helfen!“ Die Kleine wollte ihr Fehlverhalten wiedergutmachen. Die anderen Kinder auf der Welt sollten ein genauso schönes Weihnachten haben wie sie.

Nach kurzem Überlegen willigte das Christkind ein. „Gut, dann lege jetzt bitte deine Hand auf die Kristallkugel und schließe dabei ganz fest die Augen.“

Ohne groß darüber nachzudenken, tat es Marie und gleich darauf durchströmte sie eine wohlige Wärme, die sie nie zuvor verspürt hatte. Glück und Freiheit beherrschten sie stärker als zu Beginn ihrer großartigen Reise zum Christkind.

Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, in der sie leichtfüßig schwebte, doch in Wahrheit dauerte es keine zwei Sekunden. Sie spürte wieder festen Boden unter sich. Langsam und vorsichtig öffnete sie ihre Augen.

Das Zimmer hatte sich schlagartig verändert. Es stand kein Christkind mehr neben ihr, sondern ein bescheiden geschmückter Christbaum – wenn man das kleine, dürre und kahle Etwas denn einen Baum nennen konnte. Neugierig blickte sie umher und entdeckte, dass sie ein kleines Geschenk in den Händen hielt.

„So macht das Christkind das!“, staunte sie und schlich auf leisen Pfoten zum Baum, doch der Boden knarrte so laut, dass sie kurz innehielt und nach Geräuschen von den Hausbewohnern lauschte. Als jedoch nach gut einer Minute nichts Verdächtiges zu hören war, fuhr sie mit ihrem Auftrag fort. Sie kam nicht weit, da hörte sie jemanden hinter sich nach Luft schnappen.

„Wer bist du?“

Erschrocken fuhr Marie herum und sah in das verblüffte Gesicht eines kleinen Jungen. Er war kaum jünger als sie selbst.

„Ich bin nur ein Traum“, log sie schnell und vollführte einen Tanz, den sie für ein Theaterstück in der Schule einmal einstudiert hatte. Und das sollte ein Geistertanz sein? Sie glaubte selbst nicht mal daran und den Jungen schien es auch nicht zu überzeugen.

„Nein, du bist echt“, stutzte der Kleine, ehe er etwas zaghaft auf Marie zuging. „Du hilfst dem Christkind, oder?“ Seine kindliche, aufrichtige Neugier beeindruckte das Mädchen sehr, doch etwas in seinem Blick verriet auch seine Trauer.

Erst jetzt nahm Marie das Zimmer genauer unter die Lupe. Die Wände könnten neue Farbe gebrauchen, von dem abgenutzten Teppich mal ganz abgesehen. Der Vorhang war halb abgerissen und die Möbel standen zusammengewürfelt im Raum. Alles hier wirkte alt und ungeliebt.

Marie konnte die nächsten Worte kaum aussprechen, als sie in die großen und unschuldigen Augen des Jungen sah. „Ja, ich helfe, die Geschenke auszuteilen.“ Wenn sie schon dachte, dass die Sonne hell leuchten konnte, so war es nichts im Vergleich zu der strahlenden Freude des Jungen.

„Das ist ja toll!“ Marie war sich sicher, ihr würden heute noch Tränen die Wangen hinunterlaufen.

„Wie heißt du denn?“, fragte sie und kniete sich vor ihm hin. Er war etwas kleiner als sie, bemerkte das Mädchen.

„Leon“, sagte er freudig.

„Gut, du scheinst brav gewesen zu sein, also habe ich ein schönes Geschenk für dich.“

Der Junge freute sich riesig, als er vorsichtig das Paket öffnete und hineinblinzelte.

„Ein Fußball! So einen habe ich mir schon so lange gewünscht!“ Obwohl sich Marie nichts daraus machen konnte, schien es für Leon alles zu bedeuten. „Mein Papa wollte mir immer schon einmal zeigen, wie das Fußballspielen geht, doch er schaffte es leider nicht mehr.“ Sie erkannte, dass Leon nun Tränen in die Augen traten.

Marie wollte noch so viel fragen, sie wollte mehr von ihm wissen.

Warum war dieses einfache Geschenk so wichtig?

Und was war mit seinem Vater geschehen?

War er einer jener Kinder, die keine unbeschwerte Kindheit hatten?

Doch bevor sie sich richtig verabschieden konnte, wurde sie wieder von diesem warmen Licht umgeben und aus dem Raum gezogen. Marie würde sich noch lange an das Gesicht des Jungen erinnern und auch an all jene Erfahrungen, die sie beim Christkind erlebt und mit nach Hause genommen hatte.

Michaela Secklehner (26) aus Sankt Georgen an der Gusen stammend, wurde zu Weihnachten das Christkind als Glaubenssymbol gelehrt und in ihrem Heimatland Österreich ist es besonders geschätzt. Deshalb bekam dieser Engel eine große Rolle in ihrer Kurzgeschichte. Nicht nur Malen (mittels Leinwand und Acrylfarben) und Zeichnen (vor allem mit Bleistift und Kohle) gehören zu ihren Leidenschaften, in ihrer Freizeit widmet sie sich auch dem Theaterspielen sowie dem Schreiben von Kurzgeschichten. Einige von ihnen wurden schon in Anthologien veröffentlicht.“

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 6

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