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„… what is this, some kind of plague?“ Lawrence Wrights The End of October

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Eine vermeintlich moderne „kind of plague“ schildert Lawrence Wright (2020a: 103) in seinem Roman The End of October, der, im Corona-Frühjahr 2020 veröffentlicht, paradigmatisch einige Tendenzen zeitgenössischer Epi-/Pandemieliteratur illustriert. Schon mit seinen Motti aus Defoes Journal und Camus’ Pest knüpft Wright an die große Tradition an; der Plot setzt mit dem Ausbruch einer „mysterious disease“ in einem indonesischen Lager ein (39). Seit Jahren beschäftigt den Protagonisten die Angst vor einer neuen „Pest“ (43); das eklektisch exotisierte „Kongoli“-Virus erweist sich als „the greatest plague humanity has ever known“ (208). Unter Appell an alle fünf Sinne schildert Wright Krankheit und Tod: Via Bildschirm verfolgt Henrys WHO-Kollegenschaft (und die Leserin) die improvisierte Autopsie der „Blue Lady“ (12), trotz Zyanose attraktive junge MSF-Ärztin.

Der Authentizitätseffekt des Romans, „[s]o believably horrifying“ (Green 2020), verdankt sich auch der zeithistorischen Kontextualisierung. Alle ‚Mächte des Bösen‘ lässt der Autor aus nur punktuell kritisch relativierter US-Sicht aufmarschieren, an der Spitze „Big bad Vlad“ (ibid.), als „killer“ und Stalin-Wiedergänger demaskiert (Wright 2020a: 39, 341). Dahinter versammelt sich der restliche „wolf pack“: „Iran. China. North Korea. […] Now they’re ganging up“ (315). Angefangen mit der indonesischen Gesundheitsministerin, „cold-eyed apparatchik“ im Hijab (16), wird mit einer islamischen Gegnerschaft abgerechnet; nachdem die Inhaftierung HIV-infizierter Homosexueller den Nährboden für das Killervirus geboten hat, wird ein Mekka-Pilger zum internationalen Superspreader. Generell ist Religion „one of the few things Henry actually feared“ (63): Über seinen Helden, der von seiner Frühkindheit in der Jonestown-Sekte irreversible Rachitisschäden davongetragen und beide Eltern im Massaker von November 1978 verloren hat, situiert Wright seinen Plot in einem Spannungsfeld zwischen Glauben und Wissenschaft.

„Suppose it’s not new. Suppose it’s old – really old“: Beim Gegencheck mit einer Datenbank von „archaic viruses“ wird Henrys Team fündig; das dem russischen Feind zugeschriebene Projekt „to make something very old new again“ besitzt auch eine poetologische Dimension (352f.). Dass die Pandemie klimawandelbedingt zoonotischen Ursprungs war, stellt sich zu spät heraus; zwischen Influenza, Cyberattacken und „[c]onspiracy theories competing with actual conspiracies“ (304) ist die globale Lage schon zur „apocalypse“ (349) eskaliert. Mit Blick auf die offene Zeitlichkeit der frühen Corona-Literatur ist Wrights Spiel mit Gattungskonventionen von Interesse. Bei aller Klischeetreue bietet der Roman kein Happy End; jene unvollendete Mail, die die MSF-Ärztin als „ongoing testament“ verfasst, reflektiert die Gesamtstruktur eines Textes, der sich auf ein nicht mehr detailliertes Desaster hin öffnet: „Why did / The email ended there […]“ (23f.). Henry wird das medizinische „puzzle“ (45) zwar gelöst und unter abenteuerlichen Bedingungen ein Vakzin kreiert haben; doch behält er Recht mit seiner Ahnung, „that the ongoing war against disease would inevitably be lost“ (355).

Als mehrfach ausgezeichneter Journalist fiktionalisiert Wright, dessen Roman den propagandistischen Mehrwert pandemischer Belletristik illustriert, wiederholt eigene Reportagen (Green 2020). Auch das Influenzasujet wandert über Genregrenzen hinweg: Die Idee, so der Autor, verdanke er dem Filmproduzenten Ridley Scott; das Szenario entwickelt sich als wie „any other journalistic assignment“ in Angriff genommener Roman fort (Marcus 2020). Seine vermeintliche „prophecy“ sei in Wahrheit „the fruit of research“, betont Wright (2020b). In seinen Text integriert er epidemiehistorische Digressionen von der Justinianischen Pest bis Ebola; seinem angesichts der neuen Krankheit u. a. in Richtung eines „coronavirus like SARS or MERS“ spekulierenden Protagonisten (2020a: 30) legt er eine Hommage an den realen „Dr. Carlo Urbani“ in den Mund, der 2003 die Welt vor „a major pandemic“ bewahrt (53f.). Wie Defoe (1995), der sein Werk als „caution and warning“ präsentiert, betrachtet Wright seinen Roman als „wake-up call“ (zit. Marcus 2020). Mit The Plague Year. America in the Time of Covid (2021) wechselt er retour ins journalistische Genre; freilich wird so mancher romaneske Topos recycelt, der Konnex zwischen Influenza-Fiktion und Corona-Dokumentation etabliert.

Corona im Kontext: Zur Literaturgeschichte der Pandemie

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