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2.1 Kulturelle Prototypen

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Hepp bietet eine Typologie der Kulturen mit vier Kategorien (2006: 56):

 Hierarchische Kultur: Ständegesellschaften, Kastensysteme oder Bürokratien. Dieser Prototyp ist durch prinzipielle Ungleichheit zwischen den Mitgliedern gekennzeichnet. Die hierarchische Ordnung wird gegen Veränderungen verteidigt, da Stabilität höher bewertet wird als dynamische Entwicklung.

 Individualistische Kultur: individualisierte Marktgesellschaften, markt- bzw. wettbewerbsorientierte Unternehmungen. In solchen Kulturen muss jeder prinzipiell die Chance haben, jede Position einzunehmen, sofern er durch eine beobachtbare Leistung dazu in der Lage ist und sich im Wettbewerb durchgesetzt hat. Positionen können erworben werden, sind also nicht von vornherein gegeben und festgelegt.

 Egalitäre Kultur: Basiskommunismus, frühe amerikanische Siedlerkulturen, alternative Bewegungen. In solchen Gemeinschaften wird eine Gleichheit für alle Mitglieder postuliert. Jedes Mitglied kann theoretisch jede Position einnehmen, wobei Positionen weder vererbt, noch notwendigerweise durch Leistung erworben werden. In solchen Kulturen wird gegen Bestrebungen, Ungleichheit herzustellen, aktiv vorgegangen.

 Fatalistische Kultur: Bettler- oder Ausgestoßenenkulturen am unteren Ende der sozialen Skala, Gruppierungen von Künstlern und Intellektuellen am oberen, elitären Ende. Die Mitglieder einer fatalistischen Kultur sind nicht in feste Zusammenhänge eingebunden, sondern sind isoliert und gleichzeitig rigorosen Regelungen unterworfen. Die Mitglieder verfügen über Mechanismen, die ihr eigenes soziales und mentales Überleben innerhalb der Kultur gewährleisten.

Bei psychotherapeutischen Gesprächen spielt die kulturelle Verortung der KlientInnen, DolmetscherInnen und PsychotherapeutInnen eine wichtige Rolle, wobei mangelnde Kenntnisse über die Herkunft der KlientIn sicherlich zu klischeehaften und stereotypen Annahmen verleiten kann, etwa im Hinblick auf die Religiosität, Rolle der Frau, Ausprägung des Patriarchats etc. Wenn es in einer Psychotherapie darum geht, eine KlientIn kulturell zu verorten oder relevante Aussagen über ihren/seinen kulturellen Hintergrund zu treffen, dann ist es notwendig, über den ethnischen, sprachlichen und länderspezifischen Kontext hinaus auch andere Faktoren zu berücksichtigen, wie etwa die soziale Stellung der Familie, ob die Sozialisierung im ländlichen oder im urbanen Raum erfolgte, Ausbildungs- und Bildungsniveau sowie sonstige Einflüsse: Beispielsweise ist ein tieferes Verständnis der Kulturen im postsowjetischen Raum ohne eine Berücksichtigung der sowjetischen Prägung nicht möglich. So stellt es wohl eine Verkürzung dar, etwa von einer „tschetschenischen Kultur“ zu sprechen (gekennzeichnet durch patriarchale, traditionelle Strukturen und einen hohen Stellenwert des Islams), ohne mitzubedenken, dass die meisten älteren Mitglieder der tschetschenischen Volksgruppe in ihrer Sozialisierung stark von sowjetischen Vorgaben betroffen waren, im Schulsystem, am Arbeitsplatz, durch die Medien, durch die kulturelle Produktion und auch in anderen Sphären. In der Psychotherapie soll es nicht darum gehen, diese Einflüsse zu bewerten (oder zu entwerten), aber für ein umfassendes Verständnis der kulturellen Sozialisation einer KlientIn ist es von Bedeutung, auch historische, politische und gesellschaftliche Faktoren miteinzubeziehen.1

Dolmetschen in der Psychotherapie

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