Читать книгу Teheran im Bauch - Mathias Kopetzki - Страница 4
Juli 2007
ОглавлениеHamburg ertrank im Schmuddelregen. Das störte mich nicht – die Zigarette, an der ich verbotenerweise auf der Flughafenterrasse zog, war die letzte unter abendländischem Himmel. Jeden Tropfen, der Stirn und Nacken kühlte, jeden Windhauch, der Wasser gegen die Wangen peitschte, kostete ich aus.
Ich hatte einen überteuerten Filterkaffee aus dem Automaten gedrückt, kauerte nun auf einem Holzstuhl und betrachtete einen Airbus, der sich zum Stehen quälte. Es roch nach Bratkartoffeln und Kerosin.
Ein alter Mann im Poncho trug ein Kleinkind auf dem Arm und erklärte ihm, was »Einflugschneise« heißt. An der Kunststoffscheibe klebten zwei Asiaten und schossen Fotos.
Ich selbst stieß Rauch aus der Nase und kämpfte mit meiner Unlust auf einen unsympathischen Gottesstaat: Im Iran würde ich meine Familie kennenlernen – und das mit Mitte 30. Allen voran meinen Vater. Aber das schob ich zur Seite.
Ich fragte mich, ob ich fähig wäre, mich zu entspannen im Meer von Fanatismus, Verboten und religiösen Tretminen, in die ich dort stapfen konnte: Der Präsident hielt den Planeten mit Hetzreden in Atem, Atomfragen waren ungeklärt, die der Menschenrechte auch, Sanktionen blieben verhängt und Deutschlands Botschafter hockte, wie oft in den letzten Jahren, auf gepackten Koffern.
Was mich ausgerechnet jetzt dahin trieb, nachdem ich so lange widerstanden und mir die Mullahmetropole erfolgreich madig gemacht hatte, konnte ich nicht sagen. Zwölf Jahre hatte ich sie ignoriert, die Annäherungsattacken meines Vaters, der das nur auf dem Papier war und der in einer Welt lebte, die ich vor allem aus Horrormeldungen in der Tagesschau kannte.
Warum hatte ich vor Kurzem noch gemeint, diese Welt, die ich nicht mochte – weil sie alles, was ich mochte, nicht mochte – auf einmal kennenlernen zu wollen? Warum kehrte ich nicht einfach um, verplemperte ein paar Tage auf der Reeperbahn und rief Hamburger Kumpels an, die ich von früher kannte?
Ich seufzte hörbar und das Holz knirschte, als ich mich im Sitz zurücklehnte. Ich dachte an den Morgen jenes Heiligen Abends, an dem das alles begonnen hatte. Ich war Anfang 20 und erst wenige Monate zuvor hatte ich mein Elternhaus verlassen, um in Salzburg ein Studium anzufangen. Die Weihnachtsferien aber verbrachte ich daheim.