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1.1.2 Wie interagieren Bindung und Selbstbehauptung?

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Die Polyvagale Theorie von Porges (2011) liefert dabei eine mögliche Antwort. Mit dem Begriff der »Neurozeption« beschreibt er einen vegetativen (unbewussten) Prozess, der nach der Wahrnehmung von Umweltreizen in der aktuell erlebten Situation (wie z. B. bei der Begegnung mit einem fremden Menschen auf der Straße) eine Einstufung dieser Situation in die Kategorien »sicher«, »gefährlich« oder »lebensbedrohlich« ermöglicht. Porges postuliert eine zentrale Funktion des Vagusnervs sowie drei Subsysteme des autonomen polyvagalen Nervensystems, wobei er von einer Hierarchisierung ausgeht. Der Organismus wählt zuerst den neuesten Komplex (ventrovagal) und greift auf den jeweiligen älteren zurück, wenn der neuere nicht funktioniert.

Das ventrovagale (parasympathische) System. Der ventrovagale Zweig des Vagusnerves ist phylogenetisch jünger, myelenisiert und kommt nur in Säugetieren vor. Dieser Zweig steht in Verbindung mit Herz, Lunge und Verdauungssystem und ist in der Lage, sympathische Aktivierungen zu hemmen (die sogenannte »Vagus-Bremse«), da diese in einer sicheren Umgebung nicht notwendig sind und soziale Interaktionen stören. Durch die Regulation sympathischer Reaktionen werden in sozialen Interaktionen Ärger und Angst reguliert und die Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Stressachse) gesenkt. Dieses System ermöglicht eine prosoziale Selbstberuhigung, bewusstes Atmen, sorgfältige Wortwahl und insgesamt bindungsbezogene Annäherung. Darüber hinaus reguliert der Vagusnerv teilweise unsere Gesichtsmuskulatur sowie Muskeln im Mittelohr und in Augenliedern sowie Muskeln beteiligt in der Bewegung des Kopfes. Durch diese Regulation von Mimik ist das ventrovagale System auch in der Lage, nicht nur sich selbst sondern auch anderen Menschen in unsere Umgebung ein Gefühl von Sicherheit und Beruhigung zu vermitteln.

Der Sympathikus aktiviert den Körper und mobilisiert ihn zu den körperlichen Reaktionen Flucht oder Kampf. Der Sympatikus ist ebenfalls myelenisiert, was schnelle Informationsübertragungen ermöglicht.

Das dorsovagale System ist ein Überlebenssystem. Der dorsale Anteil des Vagus ist nicht myelenisiert und interagiert mit dem Hirnstamm, der genetisch »programmiert« ist. Unter Lebensgefahr schaltet der dorsale Vagus unsere phylogenetisch jüngeren Hirnstrukturen über das Hormonsystem aus. Das explizite Gedächtnis wird vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen, dadurch wird die Reaktionszeit verkürzt. Unter Lebensgefahr schaltet der dorsale Zweig des Vagusnerves Herz, Atmung und Verdauung auf Minimalbetrieb: Puls und Blutdruck sinken dabei dramatisch, man atmet kaum noch und die Stoffwechselaktivität wird praktisch eingestellt. Dies führt zu Immobilität (Freezing oder Totstellreflex).

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