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2 Emotionsgeneration und -regulation

2.1 Basisemotionen

Emotionen haben aus einer biologischen und evolutionspsychologischen Perspektive einen Signalcharakter, sowohl für einen selbst als auch für die Umwelt. Einerseits liefern emotionale Reaktionen sehr wichtige »intrapsychische Informationen« für einen selbst und weisen einen darauf hin, dass Grundbedürfnisse in der aktuellen Interaktion mit der Umwelt befriedigt bzw. frustriert werden. Andererseits signalisieren emotionale Reaktionen eines Individuums und insbesondere deren Ausdruck in Mimik und Gestik der Außenwelt, wie es demjenigen geht und was er gerade braucht, vermisst oder nicht ausreichend bekommt. Darüber hinaus haben Emotionen eine verhaltensregulative Funktion, denn sie beinhalten Handlungstendenzen und beeinflussen somit unsere Verhaltensweisen und sichtbaren Handlungen.

Paul Ekman (2003) beschreibt vor dem Hintergrund der Forschung kulturunabhängiger emotionaler Ausdrücke (insbesondere Mimik) fünf Basisemotionen: Angst, Traurigkeit, Ekel, Ärger und Freude. Diese fünf Grundemotionen bilden nicht nur die Essenz zwischenmenschlicher emotionaler Reaktionen sehr gut ab, sondern ermöglichen in unserer Erfahrung eine sehr gute Differenzierung in der Psychoedukation und in der direkten Arbeit mit Patienten. Während die ersten vier Basisemotionen als »Alarmzeichen« für die Frustration emotionaler Grundbedürfnisse angesehen werden können und in engem Zusammenhang mit den anschließenden Reaktionen auf der Handlungsebene stehen, stellt die 5. Basisemotion Freude ein Zeichen der »Entwarnung« bzw. der Befriedigung emotionaler Grundbedürfnisse dar.

2.2 Neurobiologische Grundlagen

Es gibt mehrere kortikale und subkortikale Strukturen, die in der affektiven Verarbeitung von Stimuli und der Emotionsgeneration und -regulation involviert sind. Aktuelle Forschungsergebnisse weisen bzgl. der Emotionsgeneration insbesondere auf die zentrale Rolle von vier Regionen hin (Ochsner et al. 2012; Paus 2001; Pessoa und Adolphs 2010): die Amygdala, der Hippocampus, das ventrale Striatum und der ventromediale präfrontale Kortex (VMPFC), der die emotionale »Bedeutsamkeit« der in den ersten drei Strukturen »bottom-up« generierten emotionalen Stimuli beobachtet und bewertet. Die Amygdala ist nicht nur bei Angstreaktionen aktiv (wie früher angenommen), sondern vermutlich in komplexer Weise an der gesamten Arousalmodulation und der sozial-emotionalen Einschätzung von Stimuli beteiligt. Also auch bei belohnungsversprechenden sozialen Situationen (Damasio et al. 2000).

Insbesondere Regionen des lateralen präfrontalen Kortex (LPFC) scheinen eine zentrale Funktion bei der »top-down« Modulation der o. g. Strukturen und somit bei der Regulation emotionaler Reaktionen zu spielen: der ventrolaterale präfrontale Kortex (VLPFC) und der dorsolaterale präfrontale Kortex (DLPFC; Ochsner et al. 2012). Der VMPFC scheint nicht nur bei der Emotionsgeneration eine wesentliche Rolle zu spielen, sondern auch zwischen DLPFC und der Amygdala während der emotionalen »Bewertung« externer Stimuli zu vermitteln und somit eine Schlüsselrolle auch in der Emotionsregulation zu spielen. Banks et al. (2007) konnten z. B. nachweisen, dass die Interaktion zwischen Amygdala (Emotionsgeneration) und diesen beiden Strukturen bei Menschen mit besserer Affektregulation signifikant höher ist.

2.2.1 Komplexe neuronale Netzwerke (»large scale brain networks«)

Komplexe Prozesse im Gehirn werden in der modernen neurobiologischen Forschung weniger als Aufgabe einzelner Strukturen, sondern als das Ergebnis der funktionalen Zusammenarbeit verschiedener Strukturen verstanden. Eine Gruppe von synchron aktiven Hirnregionen wird in diesem Kontext als Netzwerk bezeichnet.

In rs-fMRI (resting state functional MRI)-Studien konnten zwei antikorrelierte Netzwerke identifiziert werden (Seeley et al. 2007), welche in Bezug auf Emotionsgeneration und -regulation von hoher Relevanz zu sein scheinen: das Ruhezustandsnetzwerk (default mode network DMN) und das exekutive Kontrollnetzwerk (executive control network ECN). Das Salienznetzwerk (salience network SN) scheint eine entscheidende Rolle beim »Wechseln« zwischen DMN und ECN zu spielen (Menon und Uddin 2010; Menon 2015).

Default Mode Network (DMN)

Das Ruhezustandsnetzwerk (DMN), auch Standardnetzwerk genannt, aktiviert sich, wenn der Fokus der Aufmerksamkeit nicht nach außen, sondern nach innen gerichtet wird und der Mensch sich in einer Art Ruhezustand befindet, in dem er selbstreflektiert in Kontakt mit eigenen Gedanken, Emotionen, Motivationen und autobiografischen Erinnerungen kommt sowie seine Zukunft plant und verschiedene Perspektiven visualisieren kann (Raichle und Snyder 2007; Buckner et al. 2008). Der VMPFC gilt als wesentlicher Kern des DMN, wobei auch die Amygdala und der Hippocampus damit in Verbindung gebracht werden. Auch zum DMN gehören der dorsomediale präfrontale Kortex (DMPFC), der perigenuale anteriore cinguläre Kortex (pACC) und der posteriore cinguläre Kortex (PCC), der inferiore Parietallappen (IPL) und der laterale temporale Kortex (LTC).

Executive control network (ECN)

Exekutive Kontrollnetzwerke sind aktiv während Tätigkeiten und kognitiv anspruchsvollen Aufgaben, welche nach Außen gerichtete Aufmerksamkeit benötigen (Seeley et al. 2007; Fox et al. 2005; Uddin et al. 2009). Die ECN-Aktivierung ermöglicht im Gegenteil zum DMN eine zielgerichtete Aufmerksamkeitsfokussierung und spielt somit eine entscheidende Rolle bei der Entstehung lösungsorientierten außengerichteten Verhaltens. Der DLPFC gilt als der wesentliche Kern des ECN, zusammen mit dem ventrolateralen präfrontalen Kortex (VLPFC) und dem superioren Parietallappen (SPL). DMN und ECN sind wie bereits erwähnt antikorrelierend: ECN-Aktivierung führt zur Hemmung vom DMN.

Salience network (SN)

Dieses Netzwerk scheint nicht nur eine wichtige Rolle bei der Identifikation und Integration bedeutsamer emotionaler und sensorischer Stimuli zu spielen, sondern beeinflusst auch die Fokussierung der Aufmerksamkeit und die Verwaltung von Ressourcen des Arbeitsgedächtnisses (Menon 2015). Das Salienznetzwerk könnte dabei also eine wesentliche Rolle beim gerichteten »Wechsel« zwischen DMN und ECN spielen. Die wesentlichen Kerne des SN sind die anteriore Inselrinde oder Insula (AI) und der dorsoanteriore cinguläre Kortex (dACC). Zum SN zählen aber auch subkortikale/limbische Strukturen: Amygdala, Ventrales Striatum und Substantia nigra. Dieses Netzwerk scheint aufgrund seiner dynamischen »Mediationsrolle« zwischen DMN und ECN bei zahlreichen komplexen Funktionen beteiligt zu sein, unter anderem beim sozialen Verhalten und der zwischenmenschlichen Kommunikation (Craig 2009; Menon und Uddin 2010; Menon 2015).


Abb. 2.1: Neurobiologische Grundlagen (Smesny 2018, S. 2; Abdruck mit freundlicher Genehmigung)

Psychotherapeutische Techniken unterbrechen automatisierte außenfokussierte Bewältigungsreaktionen (ECN) und versetzen den Patienten gezielt in selbstreflexive Zustände (DMN), bei denen der Fokus der Aufmerksamkeit auf sich und die eigene »Innenwelt« gerichtet wird. Anschließend wird in der Psychotherapie das Erlernen bewusster Kontrollfertigkeiten mittels konkreter Übungen angestrebt, bei denen der Patient seine Aufmerksamkeit wieder nach außen orientiert und neue adaptivere Bewältigungsstrategien ausübt (ECN).

2.3 Akzeptanz als Emotionsregulationsstrategie

Psychologische Modelle zum Verständnis von Emotionsregulation können prinzipiell in zwei Gruppen kategorisiert werden: Modelle mit Fokus auf Veränderungsstrategien und Modelle mit Fokus auf Akzeptanz. Akzeptanzorientierte Modelle sind verhältnismäßig neue Entwicklungen. In diesem Fall erfolgt Emotionsregulation nicht durch direkte Veränderung, sondern »indirekt« im Rahmen des Erlernens von Strategien zur emotionalen Akzeptanz, welche sich in Verfahren der 3. Welle der Verhaltenstherapie wie DBT oder ACT wiederfinden. Patienten werden dabei angeleitet, Bewältigungsversuche im Sinne einer aktiven Emotionsregulation zu unterlassen und stattdessen angehalten, Emotionen wahrzunehmen und aus einer funktionellen inneren Distanz zu beschreiben und zu akzeptieren, ohne gegen sie anzukämpfen.

Während Behandlungsstrategien in der Schematherapie ursprünglich entsprechend der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Tradition stark zu einem veränderungsorientierten Denken im Umgang mit emotionalen Aktivierungen tendierte, nähern sich Weiterentwicklungen innerhalb der modernen Schematherapie deutlich den Verfahren der 3. Welle an und integrieren sowohl veränderungsorientierte als auch akzeptanzbasierte Strategien der Emotionsregulation.

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