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3. Die Frage nach dem letzten Grund

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Der Mensch kann in seinem tiefsten Inneren den letzten Grund finden, der ihm Halt gibt, der ihn trägt und frei werden lässt von anderen Abhängigkeiten. In seinem tiefsten Seelengrund trifft der Mensch auf das Absolute. Dieses Absolute und dieser letzte Grund ist aber auch der Horizont des gesamten Seins und aus jüdisch-christlicher Sicht ein personaler Grund. Er ist im Menschen „da“ und gleichzeitig als Grund der Welt gegenwärtig. Nach einem solchen Grund haben die Menschen Jahrtausende lang gesucht. Aber sie wussten nicht, ob es ihn gibt und wie er „aussieht“. (Der deutsche Begriff „Grund“ taucht zum ersten Mal in der mittelalterlichen Mystik als Seelengrund auf. Der Mensch, der nach Begründungen sucht und immer weiter sucht, kommt schließlich auf einen letzten Grund, und diesen nennen alle Gott, so formuliert es Thomas von Aquin. Diesen letzten Grund findet der Mensch als Grund der Welt und als Seelengrund in sich selbst.)

Dieser Grund beginnt sich nach der Auffassung des Judentums und Christentums im Laufe der Geschichte schrittweise zu zeigen und zu offenbaren. Der Gott Jahwe tritt aus seinem dunklen Seinsgrund und seinem „Versteck“ hervor und – so die Meinung des Judentums – beginnt zu sprechen. Dieses Sprechen ist nicht nur eine Mitteilung im Sinne der Weitergabe einer Information, sondern Gott fängt an, sich selbst mitzuteilen und sein Leben mit den Menschen zu teilen. Er sagt, wer er ist: „Ich bin der ich bin“, der „Ich-bin-Da“ (Ex 3,14). Das heißt, er ist das Da-sein, das Sein, er ist der, der er ist und auch das Für-den-anderen-da-Sein.

Dieses Sprechen Gottes, das Wort Gottes, das zunächst noch anfanghaft und distanziert ist (niemand hat Gott je gesehen) beginnt sich später - so die Auffassung des Christentums - dem Menschen genauer zu zeigen und zu offenbaren. Das Sprechen Gottes vermenschlicht sich, das Wort Gottes wird Mensch, kommt dem Menschen entgegen und macht ihm vor, wie Leben geht. „Ich bin das Leben“ (Joh 14,6). Dieses „Wort“ Gottes, das sich im irdischen Leben zeigt, heißt im Griechischen „logos“. Der logos zeigt sich in dieser Welt als Mensch, er zeigt sich in jedem Menschen und erweist sich als Grund der Welt. Daher heißt es im Johannesevangelium: Im Anfang war der logos, im Anfang war das Wort (Joh 1,1 - 2).

Bewusst heißt es:„Im Anfang“ war das Wort und nicht „Am Anfang“. Es geht nicht um den Anfang der Welt, den man eher mit dem Begriff des Beginns belegen müsste, sondern es geht um das je neu Anfanghafte und Ursprüngliche, in dem der absolute Grund „da“ ist und der in jedem Moment des Lebens aufspringt und etwas Neues ins Sein setzt, das noch nie da war. Es sagt etwas aus über den letzten Grund des Seins, den das Judentum den Schöpfer nennt: Alles wird täglich erneuert, das Leben lebt von dieser ständigen Erneuerung, die von selbst und ganz still vonstatten geht. Selbst Zellen im Organismus werden unmerklich in jeder Sekunde erneuert, abgebaut, umgebaut, neu gebaut.

Bei Hermann Hesse heißt es: Allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Allem Anfang wohnt dieses Neue, Junge, Anfanghafte und Ursprüngliche inne. Jeder Moment des Lebens ist ein solcher Anfang im Kontinuum des schon Gewesenen, Vergangenen und Zukünftigen. Im Jetzt des Augenblicks fallen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammen. Das je neu Anfanghafte und Aufspringende des Ursprünglichen ist das Jetzt der ständigen Gegenwart. Ständige Gegenwart ist Ewigkeit. So ist im Vorbeizug der Zeit das Ewige immer schon „da“ und in jedem neuen Moment des Lebens, der noch nie da war, das Bleibende präsent. Das Neue knüpft an schon Bekanntes an, sonst könnte der Mensch sich gar nicht zurecht finden. So ist es neu und doch nicht ganz unbekannt. Jedem Augen-Blick des Lebens wohnt das Anfanghafte es Ur-wortes inne. Man muss es nur entdecken, es ist ganz still.

Dieses Wort ist nach christlicher Auffassung in der Person Jesu Christi Mensch geworden und wohnt auch in jedem Menschen. Daher drückt Augustinus die Anwesenheit dieses Wortes im Seelengrund des Menschen personal so aus:„Du bist mir innerlicher als ich mir selbst bin“ und „unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir“.

Wenn dem so ist, dann ist der Mensch derjenige, der auf dieses Ur-Wort ant-worten (gegen-worten) muss. Darin besteht seine tiefste und letzte Ver-ant-wortung.

Nun kann der Begriff „logos“ nicht nur mit „Wort“, sondern auch mit Logik, Vernunft und Sinn übersetzt werden, und dann meint dies, dass die Welt von einer Art Ur-logik, Ur-vernunft und einem Ur-Sinn durchdrungen ist. Man findet diesen logos in der Ordnung des Kosmos, in der Ordnung und dem Spielraum der lebendigen Natur sowie in der Ordnung und Freiheit der Vernunftnatur des Menschen. Diese Ur-logik und das Ur-Wort durchdringen alles und zeigen sich in allem. Sie müssen nur ent-deckt werden.

Wenn diese Urlogik in allem ist und der Mensch auf den Logos, der sich in der Welt zeigt, antworten muss, dann meint das konkret, dass er in eine bereits vorfindliche Welt hineingeboren wird und daher „nur“ der „Gegen-Worter“ und nicht der „Worter“ ist. Er ist das zweite Glied in der Kette, er ist Geschöpf und nicht Schöpfer. Er muss sich auf die vorfindliche Welt einlassen, kann deren Gesetze erforschen und darüber nach-denken, was die Welt im Innersten zusammenhält. Vor-denken kann er die Welt nicht, sie ist schon „da“. Auch ein Vordenker ist in diesem Sinne ein Nachdenker.

Der Mensch muss im konkreten Alltag immer wieder neu auf die ihm begegnenden Ereignisse des Lebens reagieren und kann, wenn es gut geht, sein Leben ein Stück weit selbst mitgestalten. In ständigen Entscheidungen muss er auf das auf ihn Zukommende (Zu-kunft) antworten und kann doch selbst auch Anfänge setzen. Im tiefsten Sinne „machen“ kann er die Zukunft nicht. Es kann sein, dass es morgen keine Zukunft mehr gibt. Wenn es sie aber gibt und die Welt nicht untergeht, kann er im Rahmen seiner Vorgegebenheiten anfanghaft etwas Selbstursprüngliches setzen, er ist nicht nur Spielball fremder Mächte.8

Leben - Wie geht das?

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