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Ehrlich zufrieden

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Deswegen werde ich eines bestimmt nicht tun: Ihnen Ihre Zufriedenheit ausreden. Wenn Sie die Überschrift dieses Kapitels gelesen haben und sich gedacht haben: „Stimmt. Mir geht’s, ehrlich gesagt, gar nicht so schlecht. Mein Leben läuft. Wozu ‚brauche‘ ich dann Gott?“ – Wenn das also auf Sie zutrifft, werde ich mich hüten, Ihnen diese Zufriedenheit auszureden. Etwa indem ich sagte: „Natürlich, jetzt gerade geht es Ihnen gut. Aber schon morgen könnten Sie krank werden, an Grenzen stoßen, Belastungen ausgesetzt sein, die sie nicht aushalten können.“

Das kann zwar sein. Während ich diese Sätze schreibe, befinden sich große Teile der westlichen Welt gerade im Lockdown wegen des Coronavirus. Läden und Schulen sind wochenlang geschlossen und öffnen nur zögerlich, um die Ansteckungszahlen möglichst niedrig zu halten. Wenn dieses Buch erscheint, ist diese Krise hoffentlich schon wieder im Schwinden. Ganz vergessen haben werden wir aber nicht, wie das war: Als all die gefühlte Sicherheit auf einmal brüchig wurde. Und wir merkten, wie selbst die höchst entwickelten Gesellschaften nicht immun sind gegen diese Art von Bedrohung. Unser Leben ist begrenzt, es ist nie gefeit gegen Krankheit und Schmerzen, und es endet mit dem Tod. Das war schon immer so, es wurde nur in diesen Monaten neu deutlich.

Es stimmt also durchaus, dass unsere Zufriedenheit immer nur „auf Zeit ist“. Trotzdem möchte ich damit jetzt nicht argumentieren, nach dem Motto: „Sehen Sie, irgendwann kommen die Probleme zurück, also sollten Sie sich eben doch mit Gott beschäftigen.“ Das will ich nicht. Denn es kann ja sein, dass Sie dennoch weiterhin zufrieden sind, ganz aufrichtig, dass Sie keinen Mangel verspüren. Wenn das der Fall ist, dann freut mich das für Sie, und ich wünsche Ihnen, dass es so bleibt. Ich fände es unredlich, einem Menschen solche ehrlich gefühlte Zufriedenheit madig zu machen.

Außerdem wäre es eine ziemlich schlechte Werbung für den Glauben. Als ob Gott die Probleme von Menschen „nötig“ hätte, um sich ihnen dann als Lösung zu präsentieren. Als ob Glaube nur eine „Krücke“ wäre für die Zeiten im Leben, in denen es nicht gut läuft.

Nichts gegen Krücken, übrigens. Man schaue nur in das Wartezimmer eines Orthopäden und frage die anwesenden Sportverletzten, was sie denn zum Thema Krücke denken. Sie würden wahrscheinlich sagen: nicht schön, aber zeitweise wichtig, sogar unerlässlich. Nur: Wenn man die Krücke nicht mehr braucht, stellt man sie in die Ecke. Deswegen ist der christliche Glaube mehr als eine Krücke. Er ist auch etwas für Menschen, die zurechtkommen. Sogar für solche Menschen, die geradezu beunruhigend gut zurechtkommen.

Ich habe solche Menschen vor Augen. Sie haben nicht nur solide und spannende Berufe. Sie haben nicht nur nette und entspannte Familien. Sie sehen sogar zusätzlich gut aus. Sie sind sportlich, aber nicht anstrengend ehrgeizig, haben nette Hobbies und sind sozial engagiert. Sie sind bei alledem auch noch bescheiden. Und sie verstehen sich als Christen. Das klingt fast schon unglaubwürdig, ich weiß. Aber so etwas gibt es. Der Clou ist: Glaube ist auch etwas für solche Menschen. Der Glaube hat es gar nicht nötig, dass man diesen Menschen Probleme „einredet“. Deswegen werde auch ich mich davor hüten.

Warum ich trotzdem Christ bin

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