Читать книгу Das sagt aber - Matthias Eckert - Страница 10
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ОглавлениеDa bot es sich an den Sachbereich Personal noch einmal persönlich heimzusuchen. PHM Rund wollte ohnehin bei der der BPOLI Kriminalitätsbekämpfung vorbeischauen. Da sich die im selben Gebäudekomplex wie BPOLD S befand lag es nahe das mit einem Kennenlernbesuch bei ORR Strumpf zu verbinden. Vielleicht war er einfach schüchtern. Hatte sogar Angst vor Fremden und vermied es deshalb ans Telefon zu gehen oder zurückzurufen. Hatte POR Fahle sich das zu Nutzen und sich zu ORR Strumpfs einziger Bezugsperson gemacht? Ihn so in ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis gebracht und missbrauchte ihn nun zur Verwirklichung seiner Ziele? Dies galt es herauszufinden und ihn gegebenenfalls von POR Fahles negativem Einfluss zu befreien.
Bevor ich dazu kam wurde mit unverhofft eine große Ehre zu teil. Am Montag dem 20. Juli teilte PHKin List kurz nach Dienstbeginn mit, POR Fahle hätte mich für den Vormittag, die genaue Urzeit habe ich nicht notiert, in sein Büro bestellt. Bis dahin spekulierten PHM Rund und ich was er wollte. PHM Rund war der Meinung ich würde meine Anstellung erhalten und fertig. Ich ging davon aus er wolle die Anhörung nach § 28 Absatz 1 VwVfG nachholen. Wir lagen, wie könnte es anders sein, beide falsch. Es war völlig vermessen zu glauben, wir könnten erahnen was POR Fahle vorhatte. Oder sich zu tun gezwungen sah. Denn leider, so teilte POR Fahle mit, habe er keine andere Wahl als ein Disziplinarverfahren gegen mich einzuleiten. Seine Nachforschungen hätten nämlich immer schwerere Verfehlungen meinerseits zu Tage gefördert. Verfehlungen über die er, weil er sonst seine Pflichten als Inspektionsleiter verletze, einfach nicht hinwegsehen könne. Er sei diesbezüglich nun mal an Vorschriften gebunden. Dafür hatte ich natürlich vollstes Verständnis. Schließlich war er mir bislang durch vorbildliche Pflichterfüllung und Einhaltung von Vorschriften aufgefallen.
Womit ich nicht sagen will Pflichterfüllung und Einhaltung von Vorschriften hätten was miteinander zu tun. Einige Vorschriften waren mit der Pflicht sein Amt uneigennützig nach bestem Wissen und Gewissen auszuführen kaum vereinbar. Zumindest für mich. Das könnte allerdings an meinem völlig verqueren und fehlentwickeltem Rechtsempfinden gelegen haben und Grund für die geplante Entlassung gewesen sein. Sie sehen, mein Verständnis und meine Bewunderung für POR Fahle und PHK Kauf wachsen praktisch mit jeder Seite.
Tatsächlich erklärte POR Fahle, würde ich mit dem Disziplinarverfahren sehr gut wegkommen. Schließlich stünde ich im Verdacht eine ganze Reihe von Dienstvergehen begangen zu haben. Er beschränke sich, um mir entgegen zu kommen, auf die beiden schwersten Verstöße mit der besten Beweislage. So könnte das Verfahren schnell abgeschlossen werden. Was ja auch in meinem Interesse sei. Sollten sich die Vorwürfe überraschenderweise als unwahr herausstellen würde ihn das sehr freuen. Bis dahin waren das die üblichen Phrasen des höheren Dienstes. Er hätte sie sich sparen können. Gut ich weiß nicht ob er sich seine Phrasen tatsächlich hätte sparen können. Vielleicht wäre dann sein Verlangen, zu erzählen was für ein toller Typ er war, zu kurz gekommen und er hätte psychischen Schaden genommen. Jedenfalls waren sie zu erwarten und harmlos. Anschließend weckte er in mir aber den Drang einen Kopf, bevorzugt seinen, gegen Wand zu schlagen. Zum Glück konnte ich mich beherrschen. Am Ende wäre die Tapete in Mitleidenschaft gezogen worden. Mein Bedürfnis mag gewalttätig wirken, als Polizist gehörte die Anwendung von Gewalt, auch körperlicher Zwang genannt, aber nun einmal zum Beruf und ich war ja im Dienst. POR Fahle erklärte nämlich, eigentlich stelle mindestens einer der Vorfälle nicht nur ein Dienstvergehen sondern sogar eine Straftat dar. Daher würde sogar die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Unterlassener Hilfeleistung in Frage kommen. Worauf er verzichte.
So so so, bis dahin hatte ich gedacht in Deutschland gelte das Legalitätsprinzip. Demzufolge die Polizei beim Verdacht einer Straftat ermitteln und das Ergebnis der zuständigen Staatsanwaltschaft mitteilen muss und frühestens die auf eine Verfolgung der Straftat verzichten kann. War POR Fahle nebenher noch Staatsanwalt? Wäre mir zumindest nicht bekannt gewesen. Bei seiner Vorstellung hatte er hiervon nichts erzählt. Was natürlich an seiner Bescheidenheit liegen konnte. Um Staatsanwalt zu werden war ein abgeschlossenes Jurastudium nötig. Ein solches hatte er nicht. Gab es die Möglichkeit einen Nichtjuristen, etwa aufgrund von herausragenden rechtlichen Kenntnissen und Verdiensten um die innere Sicherheit, zum Staatsanwalt zu ernennen?
Herausragenden Kenntnisse und Verdienste konnte er sicher vorweisen. Allerdings hatte ich nie von so einer Möglichkeit gehört. Egal ich war bekanntlich ein Ignorant. Ganz offensichtlich gab es die Möglichkeit und bei POR Fahle war auf sie zurück gegriffen worden. Oder ich hatte die Sache mit dem Legalitätsprinzip falsch verstanden und Polizisten hatten das Recht auf die Verfolgung von Straftaten zu verzichten. Eines von beidem musste einfach zutreffen. Andernfalls hatte sich POR Fahle mir gegenüber selbst einer Strafvereitelung im Amt nach § 258a StGB bezichtigt. Was ausgesprochen ungeschickt, um nicht zu sagen dumm, gewesen wäre. Und ein POR der BPOL konnte unmöglich dumm sein. Im Gegensatz zu mir.
So dumm wie POR Fahle dachte war ich jedoch nicht. Das Gerede von der Unterlassenen Hilfeleistung und seinem Verzicht auf eine Strafanzeige sollte mich einzuschüchtern. In Wahrheit war sein Versuch mich anzuzeigen schon im Ansatz gescheitert. Daran, dass der mir zur Last gelegte Sachverhalt keine Unterlassene Hilfeleistung nach § 323c StGB darstellte. Und daran, dass die Polizei Baden-Württemberg zuständig gewesen wäre. Leider hatte dieser undisziplinierte Haufen nie die Segnungen einer Ausbildung beim Bundesgrenzschutz genossen. POR Fahle musste daher befürchten, Argumente wie, „das sagt aber Hauptkommissar“, könnten dort nicht reichen.
Als nächstes behauptete er, vorerst auf eine Entlassung zu verzichten. Statt dessen begnüge er sich großzügigerweise mit der Verlängerung meiner Probezeit. Obwohl eigentlich ausreichend Gründe für eine Entlassung vorlägen. Diese Klarstellung war dringend nötig. Sonst hätte ich glatt gedacht, die Entlassung sei gescheitert weil das Justitiariat seinen entsprechenden Antrag nicht bearbeiten wollte. So kann man sich täuschen. Auch Frau Dr. März war mit ihrer Einschätzung, POR Fahle würde mit der angestrebten Entlassung ohnehin nicht durchkommen, daneben gelegen. Er verzichtete aus Gutmütigkeit darauf. Und seine Gutmütigkeit wollte gar kein Ende nehmen. Was sich in seiner Ankündigung, ich solle die verlängerte Probezeit bei der BPOLI Flughafen Stuttgart, kurz BPOLI STR, ableisten, ausdrückte. Dazu hätten sie sich nach reiflicher Überlegung entschlossen. Wer unter sie zu verstehen war wollte er nicht verraten. Ich vermutete dahinter verbargen sich er und sein Brieffreund ORR Strumpf. In Anbetracht der bisherigen Erfahrungen mit POR Fahle konnte aber auch eine Verwechslung des Personalpronomens nicht ausgeschlossen werden. Vielleicht sprach er sogar bewusst im Pluralis Majestatis von sich. Wenn das unbedeutenden Statisten der Weltgeschichte wie Königen und Päpsten zustand, dann erst recht einem POR in der BPOL.
Allerdings hatte ich überhaupt kein Interesse an den Stuttgarter oder sonst einen Flughafen zu gehen. Nicht einmal vorübergehend. Hätte ich an eine Flughafendienststelle gewollt, wäre ich am Ende der Ausbildung an eine gekommen. Wie nicht anders zu erwarten interessierte es ihn nicht was ich wollte. Stattdessen zeigte er weiter für wie dumme mich hielt. Indem er erzählte die geplante Umsetzung, so bezeichnete er sein Unterfangen, diene, wie konnte es anders sein, nur meinen Interessen. Wessen denn sonst? Es sei viel besser für mich zur BPOLI STR zu gehen als bei der BPOLI S zu bleiben. Einfach herzzerreißend wenn sich der Vorsetzte so um einen sorgt.
Einige von Ihnen fragen sich jetzt vielleicht was an der geplanten Umsetzung an die BPOLI STR so schlecht war. Immerhin wäre ich dadurch außer Reichweite von POR Fahle und PHK Kauf gewesen. War ich nicht. Im Gegenteil. POR Fahle hatte nicht nur, wie bereits erwähnt, einen Gutteil seiner Karriere am Flughafen Stuttgart verbracht und verfügte dort über entsprechende Kontakte. Er hatte damals immer noch den Dienstposten des stellvertretenden Inspektionsleiters (ILV) der BPOLI STR inne. Die Leitung der BPOLI S übte er nur vorübergehend aus. Da der eigentliche IL, POR Vrolijk, seinerseits vorübergehend einen Stabsbereich in der BPOLD S leitete. Der eigentliche Leiter des Stabsbereichs wiederum war, wenn ich mich richtig erinnere, dabei in Afghanistan einen demokratischen Rechtsstaat aufzubauen. Ich wäre an der BPOLI STR daher keineswegs außerhalb von POR Fahles Einflussbereich gewesen. Im Gegenteil, im Juli hatten sich die Hinweise auf eine baldige Rückkehr von POR Vrolijk zur BPOLI S und POR Fahle zur BPOLI STR verdichtet. Zusätzlich war die BPOLI STR von meinem Wohnort deutlich schwerer zu erreichen als die BPOLI S und die Umsetzung würde deutlich längere Fahrzeiten mit sich bringen.
Statt dessen schlug ich vor, die verlängerte Probezeitzeit, so sie verlängert würde, bei der Bundespolizeiabteilung Bad Bergzabern abzuleisten. Die war zwar noch wesentlich weiter von meinem Wohnort entfernt. Es sollte aber möglich sein dort erst einmal in der Kaserne unterzukommen. Bei Bedarf würde sich dann sicher eine Wohnung in der Umgebung finden lassen. Zudem hatte Bad Bergzabern den Vorteil nicht zur BPOLD S zu gehören. War also vor POR Fahle und ORR Strumpf etwas sicherer. Als ich Vorschlug nach Bad Bergzabern zu gehen legte ich diese Überlegung natürlich nicht offen. War auch gar nicht nötig. Die Reaktion auf den Vorschlag fiel sowieso negativ aus. Wobei er meine Abneigung wegen gegen die Umsetzung festigte. Er bestätigte nämlich seine baldige Rückkehr zur BPOLI STR. Behauptete allerdings die geplante Umsetzung habe damit nichts zu tun. Vielmehr hätte er erst letzte Woche von seiner Ablösung bei der BPOLI S erfahren und die Entscheidung mich zur BPOLI STR zu schicken schon vorher getroffen. Ohnehin müsse ich mir deswegen keine Sorgen machen. Schließlich sei er dort nicht Leiter sondern bloß Stellvertreter. Er werde meine weitere Entwicklung jedoch aus der Nähe beobachten und fördern. Großartige Aussichten waren das. Ich konnte mir kaum etwas besseres vorstellen, als von ihm ihm beobachtet und gefördert zu werden.
Trotzdem wollte ich sein Angebot nicht annehmen. So verlockend die Aussicht auch war. Ich fand es einfach unfair gegenüber den Kollegen bei der BPOLI STR, wenn ich nun dorthin käme und aufgrund meiner persönlichen Beziehung zum stellvertretenden Inspektionsleiter dessen besondere Aufmerksamkeit und Förderung genösse. Zumal ich sie in keinster Weise verdient hatte. Es gab dort sicher viele weitaus begabtere Beamte die seine Zuwendung gebrauchen konnten und, im Gegensatz zu mir, sogar zu schätzen wussten. Man stelle sich einmal vor, ein aufstrebender Kollege würde nicht die ihm zustehende Aufmerksamkeit und Förderung erhalten. Nur weil POR Fahle seine kostbare Zeit mit einem hoffnungslosen Fall wie mir verschwendete. Das war Stoff für Tragödien. Was wenn der aufstrebende Kollege dadurch in seinem Aufstieg gebremst würde und so Zeit, in der er sich sonst in herausragender Position um die BPOL verdient machen konnte, verlöre. Schlimmer noch, er aufgrund dieser Enttäuschung einen anderen Weg einschlug, sich ganz von der BPOL abwendete und sein Talent für weniger edle Dinge einsetzte. Eine solche Schuld wollte ich keinesfalls auf mich laden. Leider würde POR Fahle dafür kaum Verständnis haben. Ich lies das Thema sein und wollte das Gespräch hinter mich bringen.
Was gar nicht so einfach war. Denn POR Fahle bewies eine ungewöhnliche Ausdauer, ungewöhnlich dummes Zeug zu reden. Zumindest im Erzählen von dummen Zeug war er mir mindestens ebenbürtig. So behauptete er ohne Lachen oder Grinsen, das Disziplinarverfahren habe nichts mit der Probezeitverlängerung zu tun. Sondern sei völlig unabhängig davon zu betrachten. Selbst wenn dem tatsächlich so gewesen wäre, konnte er nicht erwarten, ich würde ihm das abnehmen. Er schien es aber tatsächlich zu tun.
Aber es wurde noch besser. Denn das Beste hatte er sich für den Schluss aufgehoben. Einen Vortrag warum ich mich in der Sache keinesfalls an Dritte wenden solle. Nicht an Rechtsanwälte, den Personalrat, den Kaiser von China oder sonst wen. Gut, den Kaiser von China hat er nicht eigens erwähnt. Und zwar weil mir in der jetzigen Situation nur einer helfen könne, er. Weshalb ich mich bezüglich Probezeitverlängerung und Disziplinarverfahren zukünftig ausschließlich an ihn wenden solle. Irgendwelche anderen Stellen oder Personen einzuschalten würde meine Situation nur verschlimmern. Das ist kein Witz. Zumindest nicht von mir.