Читать книгу Das sagt aber - Matthias Eckert - Страница 5

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Aufgrund eines Feiertags musste ich erst am Dienstag dem 02. Juni im Ermittlungsdienst, der wie die Inspektion selbst in der Martha-Schmidtmann-Straße 17, kurz MS17, untergebracht war, aufkreuzen. Nachdem dessen Leiterin, PHKin List, gegen 08:00 Uhr erschien folgte die übliche Begrüßung. PHKin List gab an bis letzte Woche nie etwas von mir gehört zu haben. Das mag ungewöhnlich anmuten, aufgrund der räumlichen Trennung zwischen Ermittlungsdienst und BPOLR S, sowie großteils unterschiedlicher Dienstzeiten, war es aber gut möglich. Zudem war sie erst vor einigen Wochen aus der Elternzeit zurückgekehrt. Ich selbst kannte bis dahin nur ihren Namen und hatte sie noch nie gesehen. Lediglich mit ihrem Stellvertreter hatte ich ein- oder zweimal telefoniert. PHKin List teilte mit ich würde im Bereich Sachbeschädigungen eingesetzt. Dort bestünde dringender Personalbedarf und der zuständige Polizeihauptmeister (PHM) Rund hätte erst vor einigen Tagen um Verstärkung gebeten. Da ich PHM Rund bereits kannte kam mir dies durchaus entgegen. Trotzdem war mir der Wechsel in den Ermittlungsdienst erst gar nicht recht. Ungeachtet der damit verbundenen Nacht- und Wochenendarbeit zog ich den Streifendienst, sowohl aufgrund er Arbeitszeiten als auch der Tätigkeit, vor. Zusätzlich war es nicht üblich, dass ein noch recht junger Streifenbeamter derart kurzfristig in den Ermittlungsdienst wechselte. Mein plötzliches Auftauchen dort schuf also gute Voraussetzungen für wilde Spekulationen. Um dem vorzubeugen erzählte ich einfach jedem den es interessierte oder interessieren konnte, also so ziemlich jedem, warum ich im Ermittlungsdienst war. Nämlich weil ich am 29. Mai zu POR Fahle bestellt worden war und der mir mitgeteilt hatte, Sie wissen schon. Dabei habe ich es wahrscheinlich auch ein paar Leuten erzählt die es nicht im geringsten interessierte. Aber darauf konnte ich in der Situation keine Rücksicht nehmen.

Ansonsten lies es sich im Ermittlungsdienst ganz gut leben. PHM Rund und ich waren zusammen in einem Büro. Von denen immer zwei über einen gemeinsamen Vorraum verfügten, welcher wiederum durch eine Tür vom Flur getrennt war und Zugang zu einem zwischen den Büros liegenden Badezimmer mit Dusche, WC und Waschbecken bot. Diese Anordnung hatte, neben der guten sanitären Ausstattung und dem kurzen Weg auf die Schüssel, den Vorteil einer gewissen Vorwarnzeit. Ungebetener Besuch wurde bereits wahrgenommen wenn er die Tür zum Vorraum öffnete. Um die Vorwarnzeit weiter zu erhöhen konnte die Tür zum Vorraum durch Kartons mit sichergestellten Spraydosen blockiert werden. Es kamen nämlich immer wieder Kollegen auf die Idee, bei der Aufnahme von Graffitistraftaten am Tatort gefundene Spraydosen als Beweismittel sicher zu stellen. Vor der Untersuchung auf Fingerabdrücke wurden sie dann in unserem Büro zwischengelagert. Weshalb es, zwecks eindeutiger Benennung, ab sofort als Dosencontainer bezeichnet wird.

Da zudem PHM Rund ein sehr umgänglicher Mensch war hatte ich gute Voraussetzungen mich dem etwas getrübten Verhältnis zum Dienstherrn, beziehungsweise dessen Vertreter in Person von POR Fahle, zu widmen. Selbstverständlich beseelt von der Absicht selbiges wieder gerade zu rücken. Dafür schien es mir am geeignetsten erst einmal nichts zu tun. POR Fahles Absichten waren bekannt und ich würde sie nicht ändern können. Sollte er doch loslegen. Meine Gelassenheit lag nicht zuletzt an den zeitlichen Umständen. POR Fahle wollte mich nach Ablauf der Probezeit nicht, wie es der Normalfall war, anstellen sondern entlassen. Die für mich gültige beamtenrechtliche Situation sah, nach Abschluss der Ausbildung, eine zweieinhalbjährige Probezeit vor. Auf welche die sogenannte Anstellung und, mit Abschluss des 27. Lebensjahres, die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit folgte. Um zu verdeutlichen, dass sich ein Beamter in der Probezeit befand wurde die Amtsbezeichnung durch den Zusatz „zur Anstellung“, gemeinhin mit „z.A.“ abgekürzt, ergänzt. Sollte ich mich daher bisher einmal als Polizeikommissar bezeichnet haben, was ich habe, möchte ich mich, vor allem bei POR Fahle und PHK Kauf, in aller Form für diese Anmaßung entschuldigen. Ich war natürlich nur PK z.A.. Die Anstellung lag nicht im Ermessen der BPOLI S sondern der übergeordneten Bundespolizeidirektion Stuttgart (BPOLD S). Hierbei stützte sich die BPOLD S in erster Linie auf die Einschätzung der direkten Vorgesetzten des Betroffenen. In meinem Fall also PHK Kauf und POR Fahle. Was ihnen eigentlich gute Voraussetzungen bot meine Anstellung zu verhindern. Jedoch waren es bis zum Ablauf meiner Probezeit am 14. Juni keine zwei Wochen mehr und die Mühlen der Bürokratie mahlen in der Regel recht langsam.

Im BPOLR S war ein Kollege der mit mir die Ausbildung abgeschlossen hatte und dessen Probezeit daher ebenfalls am 14. Juni ablief. Irgendwann im Mai hatte er erzählt, den stellvertretenden Leiter der BPOLI S, EPHK Steller, gefragt zu haben, wie es mit unseren Anstellungen aussähe. Woraufhin er die Antwort erhielt, alles liefe ganz normal. Die Urkunden lägen schon in der BPOLI S bereit und würden uns, je nach persönlicher Präferenz, im großen oder kleinen Rahmen ausgehändigt.

Grund für die Anfrage des Kollegen waren vermutlich Sorgen ob er, da ihn während der Probezeit eine längere Erkrankung geplagt hatte, ohne weiteres angestellt würde. Da ich mir über die Anstellung überhaupt keine Gedanken gemacht wusste ich die Mitteilung des Kollegen zunächst nicht weiter zu schätzen. Bis zum 29. Mai. Als ich ihretwegen zum Schluss kam, die Entscheidung mich zu entlassen habe POR Fahle wahrscheinlich kurzfristig getroffen. Er müsste nun die BPOLD S bis zum 14. Juni von meiner, wie es in der Sprache der BPOL hieß, mangelnden Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung überzeugen. Damit die meine Anstellung noch Absage. In Anbetracht dessen was ich bisher von POR Fahles fachlichen Leistungen wusste schien es mir fraglich ob er damit erfolgreich sein würde. Bei der BPOL wurden öfters Dinge aus der Taufe gehoben und dann direkt zum Friedhof gebracht. Bis dahin würde ich mir die Zeit im Ermittlungsdienst vertreiben.

Das Warten dauerte bis zum 08. Juni, als ich gegen Mittag eine Email von POR Fahle erhielt. An die ein Word-Dokument mit dem Protokoll, beziehungsweise dem was er als solches bezeichnete, des Gesprächs vom 29. Mai angehängt war. Welches, so stand es zumindest in der Email, ich überprüfen und mit möglichem Ergänzungs- oder Änderungsbedarf zurückschicken sollte. Das Protokoll war eine großzügige Zusammenfassung des Gesprächs. Wobei PHK Kauf, der es laut der Kopfzeile auf Grundlage von Stichwörtern gefertigt hatte, vor allem mit meinen Ausreden war. Indem er sie großzügig gekürzt hatte. Allerdings fehlte auch eine meiner Missetaten. PHK Kauf hatte beklagt, ich hätte mich während einer Spätschicht zu einem Flug mit einem Polizeihubschrauber eingeteilt und mich dadurch meiner Verantwortung als Gruppenleiter entzogen.

Zu der Zeit gab es, vor allem in den Sommermonaten, regelmäßig Hubschrauberflüge der Bundespolizei Fliegerstaffel über dem Zuständigkeitsbereich des BPOLR S. An denen in der Regel zwei Beamte des BPOLR teilnehmen sollten, um so ihre Kenntnisse über den eigenen Zuständigkeitsbereich und insbesondere über Verlauf und Zugangsmöglichkeiten von Bahnstrecken zu erweitern. Leider war die Sinnhaftigkeit der Flüge einigen Beamten, vor allem Ignoranten aus dem Streifendienst, nicht ersichtlich. Einige behaupteten in ihrer Bösartigkeit sogar, der Zweck der Streckenkunde sei vorgeschoben, damit der Bundesrechnungshof nicht auf die Idee komme, die Fliegerstaffel würde vor allem zum eigenen Zeitvertreib fliegen.

In der Tat hatte ich am 14. Mai an einem solchen Flug teilgenommen. Allerdings war der Flug zwischen dem Sachbereich Einsatz der BPOLI S und der Fliegerstaffel vereinbart worden und ich hatte davon erst zu Beginn der Spätschicht erfahren. Die Wahl fiel auf PHM Tiede und meinen geschätzten Stellvertreter, PK Bönner. Dummerweise hatte letzterer seinen Dienstbeginn, nach Rücksprache mit PHK Kauf und ohne mich zu informieren, auf 14:00 Uhr verlegt. Was, da der Flug um 13:45 Uhr starten sollte, zu spät war. Nachdem ich bei der Schichteinweisung vergeblich nach einem oder einer Freiwilligen für den Flug gefragt hatte flog ich, zusammen mit PHM Tiede, mit. Nach dem Flug war ich spätestens um 16:12 Uhr zurück im BPOLR S. Trotzdem schien meine Abwesenheit für PHK Kauf unerträglich lang und einschneidend gewesen zu sein. War alles nur ein tragisches Missverständnis? Wähnte PHK Kauf meine Abwesenheit möglicherweise als Versuch ihm aus dem Weg zu gehen? Was ihn, mangels Selbstbewusstsein, derart verletzte, dass er einfach keine Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit mit mir sah und deshalb die Entlassung anregte?

Dass ihn tatsächlich der Hubschrauberflug dazu bewegte bei POR Fahle vorstellig zu werden ist unwahrscheinlich. Obwohl dafür sprechen würde, dass es das Aktuellste war was mir zur Last gelegt wurde. Vermutlich hielt PHK Kauf den Flug nicht einmal für verwerflich. Zumindest nicht nachdem er etwas nachgedacht hatte. Weshalb er ihn ihm Protokoll nicht erwähnte. Vorgehalten hatte er ihn mir am 29. Mai trotzdem. Wusste er nicht recht was er sagen sollte? Das hätte andere dazu veranlasst die Klappe zu halten. Aber als vorbildlicher Dienstgruppenleiter wollte er seinen Inspektionsleiter wahrscheinlich unbedingt unterstützen und was besseres fiel ihm nicht ein. Mit Formulierung und Versand meiner Ergänzungswünsche ließ ich mir bis zum 15. Juni Zeit. POR Fahle hatte es schließlich auch nicht sonderlich eilig gehabt. Gemäß dem Verlauf der Email hatte er das Protokoll schon am 02. Juni von PHK Kauf bekommen.

Übrigens begegnete ich PHK Kauf, anlässlich der Hochzeit eines Kollegen am 13. Juni, noch einmal persönlich. Da die Hochzeitsgesellschaft groß genug war um sich aus dem Weg zu gehen und nicht über Hubschrauber sprechen zu müssen stellte dies an für sich kein Problem dar. Sich aus dem Weg zu gehen schien jedoch überhaupt nicht in PHK Kaufs Sinn. Vielmehr tat er geradezu überrascht als ich keinen gesteigerten Wert auf seine Gesellschaft legte. Es ist ja auch ein Zeichen von Professionalität und sozialer Kompetenz, die mir bekanntlich fehlte, wenn trotz kleiner Differenzen ein freundlicher Umgang und eine fruchtbare Zusammenarbeit möglich sind. In der Beziehung konnte wie ich viel von ihm lernen.

Im Sinne einer solchen fruchtbaren Zusammenarbeit kontaktierte er mich am 18. Juni und gab vor, weder er noch POR Fahle könnten sich erinnern, mir die Teilnahme an dem Hubschrauberflug vorgeworfen zu haben. Hatte ich mir da also, wie schon bei PK Stumms vermeintlicher Fürsprache zu meinen Gunsten, etwas zusammen fantasiert? Es wäre schon das zweite Mal innerhalb von zwei Wochen gewesen und hätte erhebliche Zweifel an meiner geistigen Gesundheit gerechtfertigt. Da sollte ich besser vorsichtig sein. Sonst würde POR Fahle mich noch, mit Hinweis auf diese offensichtlichen Unzulänglichkeiten, ärztlich untersuchen lassen. Wobei meine Dienstunfähigkeit aufgrund von Wahnvorstellungen festgestellt und er mich so los würde. Ganz ohne Ärger mit lästigen Gesprächsprotokollen. Andererseits war ihm das vermutlich nicht stilvoll genug. Als verdienter Bundespolizist hatte er es nicht nötig auf irgendwelche Ärzte zurückzugreifen. Die ihm am Ende noch die Ehre, mich aus der Bundespolizei entfernt zu haben, streitig machen würden.

Ich erinnerte PHK Kauf an sein Geschwätz und was ich davon hielt und schon am Freitag dem 19. Juni kam, wieder mittels einer Email von POR Fahle, das nächste Protokoll. Allerdings war kaum eine der von mir geforderten Ergänzungen vorgenommen worden. Zwar war das Protokoll um den Vorwurf bezüglich des Hubschrauberflugs ergänzt, meine Aussage zu dessen Begleitumständen aber leider etwas verzerrt. Angeblich hatte ich eingeräumte mich an jenem 14. Mai bewusst abgesetzt zu haben. Ich sah mich daher gezwungen erneut zu reklamieren.

Mittlerweile war es Ende Juni, die Probezeit seit mehr als einer Woche abgelaufen und ich hatte weder meine Ernennung zum Polizeikommissar, so nannte sich der Wegfall des Zusatzes „zur Anstellung“ offiziell, noch ein Dokument über die Verlängerung der Probezeit erhalten. Am Donnerstag dem 25. Juni kontaktierte ich daher PK Stumm und fragte ob er mehr wüsste. Er wusste nicht mehr. Versprach aber bei einer Besprechung am 29. Juni beim Leiter des Sachbereichs Personal, kurz SB 35, Oberregierungsrat (ORR) Strumpf, nachzufragen. Am 29. Juni um 12:16 Uhr schrieb mir PK Stumm:

Hallo Matthias,

wir werden die weitere Entwicklung in Deiner Sache verfolgen, deine Situation ist beim SB 35 bekannt und es bleibt abzuwarten, wie es weitergeht. Wir halten Dich auf dem laufenden.“

Da hatte er sich ja mächtig in Zeug gelegt. Undankbar wie ich war wusste ich seine Anstrengungen nicht angemessen zu würdigen, fand seine Einlassungen ausgesprochen sparsam und fragte ob das bedeute, der SB 35 wisse lediglich von POR Fahles Absicht mich nicht anzustellen. Woraufhin PK Stumm, großzügig wie er war, um 13:07 rausrückte was er wirklich wusste:

Hallo Matthias,

nein, durch POR Fahle wurde dem SB 35 ein Schreiben bezüglich Deiner Person und Sache zugeleitet, was durch diesen an den SB 31 zur Prüfung weitergereicht wurde.“

Schon besser. Nur, warum hat er das nicht gleich geschrieben? Natürlich, davon bin ich überzeugt, aus Rücksicht auf mich. Hinter dem SB 31 verbarg sich das Justitiariat und die Weitergabe des Schreiben dorthin war kein gutes Zeichen. Für eine Probezeitverlängerung war der Sachbereich Personal zuständig, das Justitiariat für eine Entlassung. Offensichtlich wurde meine Entlassung vorbereitet. Damit ich mir deswegen keine Sorgen machte, hatte er es zunächst bei jener vagen Formulierung belassen. Warum den sonst, etwa um mich im Unklaren zu lassen und so die Entlassung zu erleichtern? Allein schon der Gedanke ist geradezu absurd. Er wollte mir einfach unnötige Aufregung ersparen. Unnötig weil er und der Rest des Personalrats natürlich intervenieren und meine Entlassung verhindern würden. Schrieb er schließlich in seinen Emails. Zumindest fast. Gut, eigentlich überhaupt nicht. Er kündigte an die weitere Entwicklung zu verfolgen. Was bedeutete, der Personalrat würde das Selbe tun wie bisher, zuschauen. Sehr beruhigend. Aber das ist natürlich nur Miesmacherei meinerseits. PK Stumm drückte sich, entweder versehentlich oder absichtlich aus Bescheidenheit, missverständlich aus. In Wahrheit kämpfte der Personalrat schon seit dem 29. Mai hinter den Kulissen heftigst für meine Interessen und forderte ununterbrochen meine überfällige Ernennung nachzuholen.

Aufgrund der Gesamtumstände dämmerte jetzt selbst einem intellektuell weniger begabten Beamten wie mir, dass das ganze Hin und Her zur Erstellung des Protokolls ein Ablenkungsmanöver war. POR Fahle wollte die Anschuldigungen als erwiesene Tatsachen darstellen und so meine Entlassung erreichen. Da würde ich wohl selbst mit dem Justitiariat reden müssen.

Das sagt aber

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