Читать книгу Das sagt aber - Matthias Eckert - Страница 7
4
ОглавлениеNachdem ich Frau Dr. März die Lage geschildert und sie die Gesprächsprotokolle gelesen hatte schüttelte sie mit dem Kopf und meinte, es sei unverständlich wie Polizeibeamte, die in der Lage sein sollten Ermittlungsverfahren bei Straftat durchzuführen, derart dilettantisch vorgehen konnten. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen würde der Verfahrensablauf gegen Formvorschriften verstoßen und sei damit anfechtbar. Das beginne schon mit der Missachtung von § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Danach war vor erlassen eines sogenannten Verwaltungsaktes, „der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem die Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern“.
Sowohl eine Entlassung als auch eine Verlängerung der Probezeit würden einen Verwaltungsakt darstellen. Da ich mich dazu bisher nicht angemessen äußern konnte sei im Moment eigentlich weder Probezeitverlängerung noch Entlassung möglich. Das Gespräch vom 29. Mai würde den Ansprüchen an eine Anhörung nach § 28 VwVfG jedenfalls nicht genügen. Zudem sei die Verfahrensweise, den Gesprächsinhalt in einem wochenlangen Prozess mühsam zu rekonstruieren und über Inhalt und Wortlaut zu feilschen stümperhaft. Überhaupt war sie der Meinung, wenn überhaupt könne es nur zu einer Verlängerung der Probezeit kommen. Für eine Entlassung seien die Vorwürfe, selbst wenn sie zuträfen, nicht schwer genug. Sie riet, in einem Brief an die BPOLD S den Verfahrensablauf zu schildern, auf dessen formelle Mängel hinzuweisen, die Anschuldigungen abzustreiten und um eine zügige Bearbeitung zu beten, damit ich möglichst bald angestellt werden könnte. Als Adressat des Schreibens empfahl sie den Sachbereich Personal der BPOLD S. Was mich, da der Vorgang angeblich beim Justitiariat war, verwunderte. Die Begründung, wonach ich meine baldige Anstellung anstrebe und dafür der Sachbereich Personal zuständig sei, leuchtete aber ein. Im Zweifel würde mein Schreiben halt innerhalb der BPOLD S an das Justitiariat weitergeleitet. Dachte und sagte ich. Woraufhin Frau Dr. März meinte dies würde nicht nötig sein. Die Ankündigung mich aufgrund der vorgebrachten Anschuldigungen zu entlassen sei der größte Unsinn den sie seit langem gehört habe und rechtlich einfach nicht möglich. Das müsste jedem Juristen, auch denen der BPOLD S, sofort klar werden. POR Fahles Schreiben würde daher sowieso wieder beim Sachbereich Personal landen.
Zusätzlich sollte ich meine Personalakte einzusehen und prüfen ob sich dort etwas gegen mich verwendbares befand. Da es bisher keine Straf- oder Disziplinarverfahren gegeben mich gegeben hatte durfte das nicht der Fall sein. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass nun versucht würde etwas belastendes unterzubringen. Sollte das geschehen sein oder noch geschehen müsste ein Antrag gestellt werden, es wieder zu entfernen. Denn wenn der Fall vor dem Verwaltungsgericht landete, würde das mit großer Wahrscheinlichkeit eine Kopie meiner Personalakte anfordern. Insgesamt war ich nach der Rechtsberatung guten Mutes. Zwar war ich sowieso der Meinung gewesen, POR Fahles Vorgehensweise sei nicht in Ordnung, es von einer Rechtsanwältin zu hören ist trotzdem etwas anderes.
§ 28 VwVfG kannte ich aus der Ausbildung. Wie die darin geforderte Anhörung eines Beteiligten im Detail auszusehen hatte war jedoch nicht weiter ausgeführt worden, oder ich hatte da gerade nicht aufgepasst. Allerdings konnte der Sinn einer solchen Anhörung kaum sein, dem Betroffenen zu erzählen was man warum zu tun gedenke und seine Einwände dagegen einfach zu ignorieren. Sie nicht einmal zu Protokoll zu nehmen und der entscheidenden Stelle einfach zu verschweigen. Dies war wahrscheinlich auch was Frau Dr. März zu der Bemerkung, es sei erstaunlich dass Polizeibeamten solche Fehler unterlaufen, veranlasste.
Womit sie unterstellte, dass POR Fahle Polizist war. Womit sie formal recht. Tatsächlich war er aber in erster Linie ein Produkt des Grenzschutzes, der ursprünglich eben nicht als Polizei gedacht war. Zwar war bei seiner Einstellung, irgendwann in den Achtziger Jahren, schon der Umbau in Richtung einer Polizei begonnen worden. Aber so etwas geht nicht über Nacht und Dinge, wie die Änderung der Dienstgradbezeichnungen, von militärischen zu polizeilichen, oder die Entfernung alter Wehrmachtschulterstücke haben rein kosmetischen Charakter. Am allermeisten behinderte vermutlich das Fehlen einer polizeilichen Aufgabe den Umbau. Denn die Bewachung der Grenzen zum damaligen Ostblock war eben keine polizeiliche Aufgabe. Genau damit war POR Fahle in seinen ersten Dienstjahren aber beschäftigt, und hat es sicher sehr gut und gewissenhaft gemacht. Als die politischen Entwicklungen ihn von der Ostgrenze vertrieb landete er, der damals natürlich noch nicht POR war, am Hauptbahnhof Stuttgart. Denn zufällig wurde zu jener Zeit der BGS mit der Aufgabe der Bahnpolizei betraut. Was sicher aus sachlichen Erwägungen, und nicht um dem BGS eine neue Existenzberechtigung zu geben, geschah. Allerdings hielt es POR Fahle nicht lange beim Vorgänger der BPOLI S. Als er 2008 die Leitung der BPOLI S übernahm sagte er bei seiner Vorstellung zwar, er sei einige Zeit bei der Bahnpolizei am Hauptbahnhof Stuttgart gewesen. Den Erinnerungen altgedienter Beamter handelte es sich dabei aber nur um wenige Wochen, dann entschwand er auf eigenen Wunsch zum Flughafen Stuttgart. Wo sein Aufstieg vom mittleren bis in den höheren Dienst begann.
Erwähnenswert ist das weil sich Klientel, Aufgaben und damit die Arbeitsweise an einem Flughafen grundlegend von denen an einem Bahnhof unterschieden. POR Fahle war also Leiter an einer Dienststelle mit deren alltäglicher Arbeit er fast keine praktische Erfahrung hatte und die zu verrichten er nicht bereit gewesen war.
Zusätzlich ist ein Streifenbeamter an einer Flughafendienststelle kaum mit der Durchführung von Ermittlungsverfahren betraut. So lassen sich die erwähnten formellen Mängel und Frau Dr. Märzs Verwunderung, wie Polizeibeamte so einen Müll produzieren konnten, zum Teil erklären. POR Fahle hatte aufgrund seines Werdegangs kaum praktische Erfahrung bei der Durchführung von Ermittlungsverfahren. Zwar war er zwischendurch eine Zeit lang bei der Bundesgrenzschutzinspektion Kriminalitätsbekämpfung Stuttgart, die genau darauf spezialisiert war, jedoch war er da schon in einer Führungsposition. Da im Grenzschutz der Grundsatz, wer arbeitet kann nicht führen, gilt und sich ein vorbildlicher Grenzschützer niemals gegen solche Weisheiten auflehnen würde, hat er in seiner Zeit dort sicher viel geführt und wenig ermittelt. Was POR Fahle angeht sind die Verfahrensmängel somit zum Teil nachvollziehbar. Zumindest aus der Perspektive seiner Erfahrung bei Ermittlungsverfahren betrachtet. Bei umfassenderer Betrachtung sollte man allerdings meinen, ein Beamter des höheren Dienstes sollte zumindest etwas von Verwaltungsverfahren verstehen. Daher ist, so gern ich ihn in Schutz nehmen möchte, was ich überhaupt nicht gern will, POR Fahles Verhalten am ehesten so zu erklären. Die Vorschriften und meine Rechte waren ihm egal. Er war der Überzeugung als POR und Inspektionsleiter auf sowas keine Rücksicht nehmen zu müssen. Zumindest nicht wenn es er mit einem PK z.A. zu tun hatte.
Überrascht war ich davon den Brief an den Sachbereich Personal selbst schreiben zu sollen. Ich hatte eher erwartet, eigentlich gehofft, Frau Dr. März würde ihn für mich verfassen. Dies gründete auf einem Vorkommnis von dem mir ein Kollege erzählt hatte.
Im Frühjahr 2009 wurden, im Rahmen der Umstrukturierung der BPOL, den Beamten ihre neuen Dienstposten zugeteilt. Dafür hatte im Vorjahr jeder eine Liste mit bevorzugten Posten einreichen können. Wobei es für einige Dienstposten, insbesondere besser besoldete, mehrere Bewerber gab. Hierzu gehörten die sechs Stellen als Gruppenleiter im BPOLR S. Für die sich unter anderem PK Bönner und ich beworben hatten. Als die hierfür Auserwählten im Frühjahr 2009 bekannt gegeben wurden gab es einiges Erstaunen. Unter den vorgesehenen Gruppenleitern waren zwei junge Polizeikommissarinnen. Beide waren im Anschluss an ihre Ausbildung ausschließlich in den Leitstellen der Bundespolizeiämter Stuttgart und Weil am Rhein, beziehungsweise der diese ersetzenden BPOLD S tätig gewesen und hatten keine Erfahrung im Streifendienst. Was einige, bei denen es sich sich um eine zahlenmäßig und intellektuell unbedeutende Minderheit handelte, als fragwürdig empfanden.
Diese Minderheit ging von der, offensichtlich irrigen Annahme, Bewerber welche keine Erfahrung mit einer Tätigkeit hatten könnten nicht formal gleich qualifizierten, welche die Tätigkeit bereits ausführten, vorgezogen werden. Um so etwas zu rechtfertigen müssten zumindest Vergleichstests zwischen den Bewerbern durchgeführt werden. Was nicht geschehen war. Soviel zur lächerlichen Kritik an der Vergabe der Gruppenleiterstellen. Die einzig und allein mit der Froschperspektive des Streifendienstes, aus dem sie überwiegend kam, erklärbar ist. Tatsächlich verfügten die Spitzenkräfte welche über die Besetzung der Dienstposten entschieden natürlich über genügend Berufserfahrung, Menschenkenntnis und Weisheit, um solche Entscheidungen rein an Hand der Aktenlage zu treffen. Nebenbei wäre es kaum praktikabel gewesen jeden Bundespolizisten auf die Eignung für jeden Dienstposten auf den er sich beworben hatte zu testen. Schließlich musst sich aufgrund der Umstrukturierung fast jeder neu bewerben. Zumal es im Zweifel gar nicht nötig war seine Eignung für einen Dienstposten beweisen zu können. Es reichte völlig, wenn alle anderen Bewerber ihre völlige Nichteignung bewiesen. Im Fall der Gruppenleiterposten hatte das mit mir mindestens einer zweifellos getan. Denn geeigneter als eine Pfeife wie ich waren die beiden Polizeikommissarinnen auf jeden Fall. Zusätzlich waren die Vorbehalte gegenüber den beiden Kolleginnen sicher nicht zuletzt einer latenten Frauenfeindlichkeit und männlicher Ignoranz geschuldet.
Die sich schon daran zeigt, dass ich, sofern es nicht explizit um eine Dame geht, bisher stets das maskuline Genus verwende. Was ich ich keineswegs tu um den Text flüssiger, oder besser nicht ganz so zähflüssig, zu machen. Sondern aus Ignoranz. Hierfür möchte ich mich bei allen Leserinnen und Lesern entschuldigen. Werde diese Verfahrensweise aber beibehalten.
Leider konnte PK Bönner die eben erläuterten Gründe, warum die Besetzung der Gruppenleiterstellen über jeden Zweifel erhaben war, nicht nachvollziehen. Er forderte und erhielt daher einen Gesprächstermin bei POR Fahle. Dort brachte er seine Unzufriedenheit mit der Stellenvergabe zum Ausdruck und zog deren Rechtmäßigkeit in Zweifel. Was POR Fahle nicht im Geringsten beeindruckte. Anstatt das Vergabeverfahren prüfen zu lassen, oder es zumindest zu versprechen, teilte er mit, die Besetzung der Dienstposten nicht zu ändern. Er kündigte sogar an, PK Bönner würde bei ihm so oder so keine Führungsfunktion erhalten. Da half es ihm nicht, dass er im Gegensatz zu mir seine Probezeit schon lange hinter sich gelassen und Beamter auf Lebenszeit war.
Damit zeigte POR Fahle, bei aller Kritik die ich bisher an ihm geübt habe, zumindest seine Neutralität und Standhaftigkeit. Ungeachtet ihrer Person maß er der Meinung aller Mitarbeiter, oder zumindest der aller Kommissare. Ich will nicht verallgemeinern. Er maß der Meinung von mir und PK Bönner bei unterschiedlichen, aber zumindest nicht völlig unterschiedlichen, Fragen die gleiche Bedeutung zu. Keine. Nun ist es natürlich lächerlich POR Fahle aufgrund dessen Neutralität und Gleichbehandlung von Mitarbeitern zu attestieren. Daher muss ich, so leid es mir tut, und es tut mir überhaupt nicht leid, die ihm gerade zugesprochene Neutralität wieder absprechen. Was nicht heißt er wäre nicht neutral, es heißt nur er hatte noch nicht die Gelegenheit es unter Beweis zu stellen. Außerdem bleibt ihm zum Trost die kaum weniger positive Eigenschaft der Standhaftigkeit. Immerhin hatte er die unverschämte Forderung eines unverschämten Kommissars, die Stellenvergabe zu überdenken, zurückgewiesen.
Nach dem aus seiner Sicht erfolglosen Gespräch mit POR Fahle begab sich PK Bönner umgehend zu einem Anwalt. Der schlug vor einen Brief für ihn zu schreiben, in dem er die Besetzung der Gruppenleiterstellen kritisierte, die Vergabe einer der Stellen an PK Bönner forderte und andernfalls mit einer Klage drohte. Den Brief würde PK Bönner unterschreiben, der Schreibstil jedoch keinen Zweifel daran lassen, dass er von einem Rechtsanwalt verfasst worden war. Er ging auf den Vorschlag des Rechtsanwalts ein und erhielt kurz darauf eine Gruppenleiterstelle.
Bei näherer Betrachtung war es also auch mit der Standhaftigkeit von POR Fahle nicht so weit her. Trotzdem zeigt meine Bereitschaft ihm positive Charakterzüge zuzusprechen, dass ich keineswegs auf eine persönliche Abrechnung mit ihm aus bin. Was mögliche, auf eine angeblich zu negative Darstellung von POR Fahle abzielende, Kritik von vorne herein entkräften sollte. Wenn solche positiven Einschätzungen, nach genauer Betrachtung des Sachverhalts revidiert werden müssen ist es bedauerlich. Liegt aber im Verantwortungsbereich von POR Fahle und kann, um dem Anspruch des Buches auf Objektivität gerecht zu werden, nicht vermieden werden.
Die von PK Bönner verdrängte Kommissarin erhielt eine nur wenige Kilometer entfernt angesiedelte und gleichwertig besoldete Stelle und soll das Ganze daher ohne schwerere seelische Schäden überstanden haben. PK Bönner hatte mir schon im April 2009 von der Überzeugungskraft anwaltlicher Briefe erzählt und mir empfohlen es ihm gleich zu tun. Ich folgte seiner Empfehlung damals nicht. Mir war eine Gruppenleiterstelle einfach nicht so wichtig. Ich hatte dienstlich eh was anderes vor. Warum sollte ich jemanden eine Stelle wegnehmen die ich eigentlich nicht wollte? Dachte ich damals.
Jedenfalls vermutete ich Frau Dr. März würde zur gleichen Vorgehensweise raten, sie schrieb einen Brief und ich setzte meine Unterschrift darunter. Ich fragte sogar, ohne den Grund zu nennen, explizit nach ob dies nicht ratsam sei. Woraufhin sie meinte, das könne ich schon selber. Wenn sie sich da mal nicht täuschte.