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KAPITEL 3 Lauda bringt Ferrari zurück in die Erfolgsspur

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Bei Ferrari stürzte sich Lauda sofort in die Arbeit, und das auf seine ganz unnachahmliche Art und Weise: Er bezeichnete das Auto erst mal als „einen Schmarrn“.

Anders als heute gab es damals noch keine vertraglichen Regelungen, die einem Fahrer verboten hätten, vorm Ende der laufenden Saison schon intensive Kontakte zum künftigen Rennstall beziehungsweise Arbeitgeber zu pflegen. Also lud Luca Montezemolo Lauda bereits im Herbst 1973 ins Ferrari-Hauptquartier nach Maranello ein – genauer gesagt, auf die firmeneigene Teststrecke Fiorano. Dort wurde er erneut Enzo Ferrari vorgestellt und traf Ferraris Cheftechniker Mauro Forghieri sowie Piero Lardi (Enzo Ferraris unehelichen Sohn, der erst nach dem Tod von Ferraris Frau Laura 1978 offiziell von seinem Vater anerkannt wurde und den Namen Ferrari führen durfte).

Lauda wurde gebeten, den Ferrari 312 B3 Probe zu fahren – einen Rennwagen, mit dem (zu Beginn der Saison als B2-Variante) nicht ein einziges Rennen gewonnen worden war und mit dem es 1973 nur für Platz sechs in der Konstrukteurs-WM gereicht hatte: So schlecht hatte Ferrari seit Einführung dieser Wertung 15 Jahre zuvor noch nie abgeschnitten. Lauda berichtete:

Das Auto lag so schlecht, dass mir klar wurde, wie gut das Fahrgestell des BRM war, auch wenn die Leistung des Motors nicht reichte. Der Ferrari war einfach miserabel, es lässt sich nicht anders sagen. Da ich noch kein Italienisch sprach und Herr Ferrari kein Englisch, musste Piero Lardi – der arme Kerl – dolmetschen. Also, nach vielleicht sechs Runden in Fiorano bin ich aus dem Auto gestiegen und hab zu Piero gesagt: „Sag ihm, das Auto ist ein Schmarrn.“ Piero war entsetzt. „Nein! Nein! Das kann ich auf keinen Fall so sagen.“ Darauf meinte ich: „Gut, dann sagst ihm, das Auto untersteuert viel zu sehr. Nenn’s wie du willst. Da stimmt was mit der Vorderachse nicht. Wenn wir das nicht umbauen, betreiben wir hier reine Zeitverschwendung.“

Hier lohnt es sich, zwei Personen aus Enzo Ferraris Umfeld, die bei Laudas erfolgreicher Rettung des Rennstalls eine entscheidende Rolle spielen sollten, etwas ausführlicher vorzustellen.

Luca Cordero di Montezemolo, 26, war seinerzeit schon auf dem Weg nach ganz oben. Er stammte aus einer adligen Familie und war weitläufig mit den Agnellis verwandt, denen damals Fiat gehörte. Montezemolo hatte an der Universität La Sapienza in Rom internationales Handelsrecht studiert, ehe er sich an der Columbia University in New York einschrieb. Nach dem Einstieg von Fiat bei Ferrari holte man ihn 1973 nach Maranello. Als Interessensvertreter des Autokonzerns wurde er zum Verbindungsmann zwischen dem Rennstall, Enzo Ferrari und dem Fiat-Vorstand. Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen als Amateurfahrer bei Langstreckenrennen hatte Montezemolo tatsächlich Ahnung vom Motorsport, vor allem aber wusste er, welch großen Stellenwert dieser – insbesondere die Formel 1 – für Enzo Ferrari hatte.

Da der Commendatore (wie er von fast allen respektvoll genannt wurde) so gut wie nie Rennen besuchte – und damit weiter an der Ferrari-Legende strickte – hielt sein Rennleiter für ihn Augen und Ohren offen. Montezemolo stand hier in einer Reihe berühmter (und teilweise auch berüchtigter) Persönlichkeiten, die in dieser Funktion oft mehr Schaden anrichteten als verhinderten. Anders als seine Vorgänger und Nachfolger betrieb der gewandte Montezemolo keine Spielchen und ließ sich nicht verbiegen. Statt Ferrari zu erzählen, was dieser gern gehört hätte, brachte er ihm schonend die Wahrheit bei. Lauda war schnell klar, dass es nur so lange gut laufen würde, wie er Montezemolo als verlässlichen Partner an seiner Seite hatte.

Glaubt man den Rennfahrern, die von seiner Arbeit bei Ferrari profitierten, war Mauro Forghieri als Ingenieur ein Genie, das sich dem Motorsport mit Haut und Haaren verschrieben hatte, was bisweilen in dramatischen – und nicht selten unterhaltsamen – Szenen gipfelte. Nach Abschluss seines Studiums wechselte er von der Uni direkt zu Ferrari, wo er seine erste Stelle antrat. Nach der Palastrevolution, bei der Enzo Ferrari nach einem heftigen Richtungsstreit sein gesamtes Management feuerte, wurde Forghieri 1961 überraschend zum Technikchef ernannt – eine Position, auf der er sich mehr als nur bewährte und Rennwagen entwickelte, die Ferrari-Klassiker wurden. Allerdings neigte sein Chef dazu, urplötzlich und mit großer Wucht alles von Grund auf umzukrempeln – wie Forghieri selbst erfahren musste, als man ihm die Schuld für die enttäuschende Saison 1972 zuschob und in den Geschäftsbereich Straßenfahrzeuge verbannte, auf einen Posten in der Entwicklungsabteilung. Da die Saison 1973 für Ferrari allerdings noch miserabler verlief als die vorherige, wurde Forghieri rasch vergeben und man holte ihn wieder zum Motorsport zurück. Als Lauda unmittelbar danach das aktuelle Modell testete und sein vernichtendes Urteil abgab, war das für Forghieri alles andere als überraschend. Lauda erzählte:

Das Potenzial des Teams war nicht zu übersehen. Es war unglaublich. Und trotzdem bauten sie diesen fürchterlich schlechten Rennwagen. Ich hab dann ganz schnell gemerkt, dass ein großes Problem das Intrigantentum innerhalb des Teams war. Eigentlich musste man diese wirklich guten Leute nur richtig organisieren. Nachdem ich Luca näher kennengelernt hatte, merkte ich, was für einen wichtigen Beitrag er hier leistete. Mit seiner ausgleichenden Art schaffte er es, alle mit ins Boot zu holen und davon zu überzeugen, wirklich an einem Strang zu ziehen. Forghieri war natürlich ein genialer Techniker, und Luca hatte ein großes Talent, den alten Herrn auf dem Laufenden zu halten. Er machte das auf eine ganz unaufgeregte Art, was sich sehr positiv auswirkte. In der Vergangenheit war die Kommunikation vermutlich nicht so gut gelaufen …

Ein weiterer und wichtiger Teil des Teams war Laudas Fahrerkollege für das Jahr 1974. Clay Regazzoni war bereits drei Jahre für Ferrari gefahren (1970 hatte er den Großen Preis von Italien gewonnen), bevor er angesichts der anhaltenden Krise 1972 zu BRM wechselte – wo er Lauda kennengelernt hatte. Niki kam mit Clay hervorragend aus; er mochte sein schelmisches Wesen und seine aufrichtige Art, und dass er den Rennsport so liebte. „Dass wir gute Freunde gewesen wären, würde ich nicht behaupten“, meinte Lauda später. „Aber ich mochte ihn und habe ihn immer geschätzt. Er war der Idealfall eines Teamkollegen. In vielerlei Hinsicht entsprach er voll dem öffentlichen Klischee eines Rennfahrers: untersetzt, brutal, Schnurrbart und ein breites Grinsen. Die Frauen flogen auf ihn.“

Es sprach so viel für Regazzoni, dessen Qualitäten als Teamplayer unbestritten waren, dass Ferrari den Schweizer zurückholte – und auch dessen Rat befolgte, sich einmal Lauda genauer anzusehen, da er ein vielversprechender Fahrer sei.

Man wird nie erfahren, was Enzo Ferrari wirklich davon hielt, dass dieser junge selbstbewusste Österreicher nach nur wenigen Runden in Fiorano ein solches Urteil über seinen Rennwagen abgab. Aber man weiß, wie er auf die harsche Kritik an der Vorderachse des Autos reagierte. Ferrari fragte Forghieri sofort, wie lange er für die erforderlichen Veränderungen, die Lauda sich vorstellte, benötigen würde. Als der Ingenieur meinte, dass das eine Woche dauern würde, wandte sich Ferrari wieder an Lauda und fragte ihn, wie viel schneller er anschließend sein müsste. „Ich antwortete: ‚Eine halbe Sekunde‘“, erinnerte sich Lauda. „Vermutlich hätte ich besser drei Zehntel sagen sollen, aber ich hatte das schon mit Forghieri diskutiert und wusste, dass die Zeit drin war, wenn wir die Aufhängung entsprechend überarbeiteten.“

Bei diesem Rennwagen handelte es sich um eine stark modifizierte Version des Modells, das in der gerade abgelaufenen Saison so schlecht abgeschnitten hatte. Forghieri hatte seine Lehren aus diesem Debakel gezogen, und auf dieser Erkenntnisgrundlage konstruierte er nun den Wagen für 1974. Eine Woche sah Lauda diesem technischen Genie über die Schulter und lernte eine Menge. „Als ich wieder im Auto saß“, erzählte Lauda, „war ich acht Zehntel schneller, und von da an respektierte mich Ferrari.“

In diesem Winter wurde Fiorano Laudas zweites Zuhause. Um auf dem Laufenden zu bleiben, tauchte Enzo Ferrari häufig an der Teststrecke auf. Wenn er nicht nach Fiorano kam, fuhr Lauda am Ende des Testtags die kurze Strecke bis zum Firmengelände und ging direkt zum Büro des Chefs. Ferrari war aufgrund seiner leichten Reizbarkeit gefürchtet, aber Lauda war auf einem vielversprechenden Weg, um nach und nach eine gute Beziehung zu ihm aufzubauen. Nikis Einfluss auf den alten Herrn wuchs, und es war für ihn sicher nicht von Nachteil, dass sich das im Team herumsprach.

In seinem unablässigem Bestreben, das 1974er-Modell immer weiter zu verbessern, hatte Forghieri gegenüber dem ursprünglichen Design des Ferrari 312 B3 mehr als 30 Modifikationen vorgenommen. Neben kleineren Veränderungen gab es auch gravierendere Eingriffe, wie etwa das Platzieren des Tanks mehr zur Mitte hin oder das Versetzen des Cockpits etwas weiter nach vorn. Mit dieser weitreichenden Überarbeitung kam der Erfolg, eine für Lauda völlig neue Erfahrung: Beim ersten Rennen in Argentinien war er einmal Trainingsschnellster, im Rennen selbst wurde er Zweiter und stand somit zum ersten Mal auf dem Podium. Dieser Reiz des Neuen sollte bis zum dritten Rennen in Südafrika anhalten, wo Lauda die erste Pole seines Lebens holte – nur um dann mit einem weitaus weniger angenehmen Phänomen konfrontiert zu werden: der Enttäuschung, dass ein technisches Problem einen zum Greifen nahen Erfolg wie eine Luftblase platzen lassen konnte.

Laudas erster Grand-Prix-Sieg schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Beim nächsten Rennen in Spanien war es dann endlich soweit. Lauda erinnerte sich:

Es waren schwierige, rutschige Bedingungen. In den letzten drei Runden sah ich Montezemolo neben dem Rennleiter stehen und hatte keine Ahnung, was er dort verflucht nochmal wollte. Anscheinend drängte er darauf, das Rennen vorzeitig für beendet zu erklären, solange ich noch in Führung lag! An diesem Abend rief mich im Hotel Emerson Fittipaldi an, den ich zu dieser Zeit noch nicht sonderlich gut kannte. Er hat mir gratuliert und gesagt, dass der erste Sieg der schwerste sei, der Rest wäre einfacher – und er hatte Recht. Aber es ging nicht einfach so weiter, denn es kamen immer wieder noch ein paar Dinge dazwischen.

Besonders ärgerlich war es auf dem so anspruchsvollen wie prestigeträchtigen Kurs von Monaco, wo ihn Zündaussetzer einen schon sicher geglaubten Sieg kosteten. Ungemach ganz anderer Art stand zwei Monate später in Brands Hatch ins Haus. Mitten in der Vorbereitung auf den Großen Preis von Großbritannien wurde Ferrari darüber informiert, dass aufgrund der „laufenden“ Vertragsstreitigkeiten zwischen Lauda und BRM die Transporter möglicherweise beschlagnahmt werden könnten. Lauda erzählte:

Aus meiner Sicht war das alles durch Ferraris Rechtsanwälte geklärt worden. Ganz gleich, BRM war im Niedergang begriffen, am Ende. Tatsächlich war es so, dass Stanley mir Geld schuldete. Trotz unserer Vereinbarung in Monaco 1973 hatte er keine Gage bezahlt. Die Sache sah jetzt so aus, dass Ferrari von britischen Rechtsanwälten gesteckt bekam, dass man wegen meiner Auseinandersetzung mit BRM eine Beschlagnahmung des Ferrari-Materials erwirken würde. Ich rief Bernie [Ecclestone – damals de facto der Chef der Formel-1-Teams] an und sagte, dass es zum Teil meine Schuld sei, dass Ferrari in Brands Hatch Probleme bekommen könnte, und ich erklärte ihm, wie es dazu gekommen war. Bernie beruhigte mich und versicherte mir, dass er das regeln würde. Was er dann im Einzelnen unternommen hat, weiß ich nicht, auf jeden Fall war die ganze Angelegenheit damit für immer erledigt!

Trotz dieser positiven Wendung gab es auch an diesem Wochenende für Lauda nichts zu feiern. Ihm lag der leicht hügelige Kurs, auf dem er 20 Runden vor Schluss das Feld überlegen anführte. Doch dann bemerkte Lauda, dass der Ferrari hinten immer instabiler wurde. Jackie Stewart, der als BBC- Kommentator ganz genau hinsah, fiel an Laudas rechtem Hinterrad eine Delle auf, was auf einen schleichenden Platten hinzudeuten schien. Auch bei Ferrari hatte man den defekten Reifen entdeckt und sich auf einen Boxenstopp vorbereitet. Aber Lauda entschied sich fürs Weiterfahren, er wollte sich scheinbar so ins Ziel retten. Auch Mauro Forghieri, der aufgeregt und wild gestikulierend an der Boxenmauer stand, konnte ihn nicht dazu bewegen, endlich an die Box zu kommen. Und selbst als Scheckter im Tyrrell vier Runden vor Schluss die Führung übernahm, blieb Lauda weiter draußen.

In der vorletzten Runde löste sich der Reifen dann komplett auf, und Lauda hatte gar keine andere Wahl mehr: Jetzt musste er an die Box. Die Ferrari-Mechaniker wechselten das Rad in weniger als 15 Sekunden (beeindruckend schnell für 1974), und Lauda konnte wieder Gas geben, um sich noch den fünften Platz und die zwei Punkte zu sichern. Aber er kam nur bis zur Ausfahrt der Boxengasse, denn dort hatte die Rennleitung ein Ford Safety Car abgestellt – ein absolut unentschuldbarer Fauxpas. Als Scheckter über die Ziellinie fuhr und mit der schwarz-weiß-karierten Flagge abgewunken wurde, waren der Ferrari und sein wütender Fahrer umringt von Zuschauermassen und Fotografen, die den Moment des Sieges hautnah miterleben wollten. Und als wolle er ihn noch zusätzlich verhöhnen, stellte sich dann auch noch ein Offizieller direkt vor Lauda, der mit der rote Flagge anzeigte, was ja ohnehin nicht zu ändern war: der Ferrari solle stehenbleiben.

Forghieri war außer sich vor Wut, doch diese unfassbare Gedankenlosigkeit der Offiziellen ließ sich auch durch noch so viele Flüche nicht ungeschehen machen. Gewertet wurde Lauda als Neunter, womit er außerhalb der Punkte war. Selbst der eloquente Montezemolo vermochte es nicht, die Rennkommissare umzustimmen. Ferrari legte schließlich offiziell Protest ein, der zunächst vom Veranstalter, dem Royal Automobile Club, abgewiesen wurde. Die folgende Beschwerde bei der CSI (Commission Sportive Internationale), den Regelhütern des internationalen Motorsports, führte zur Aufhebung des RAC-Urteils, und Lauda wurde zwei Monate nach dem Rennen als Fünfter gewertet. Einen Einfluss auf den Ausgang der Weltmeisterschaft hatten die beiden nachträglich zugesprochenen Punkte allerdings nicht mehr. Nach dem Rennen in Brands Hatch blieb Lauda zwar WM-Führender, doch verringerten sich seine Titelchancen ab da mit jedem Rennen dramatisch, was an der mangelnden Erfahrung, an Fahrfehlern und technischem Versagen lag.

Beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring war Lauda wieder Trainingsschnellster, erwischte aber einen schlechten Start. Regazzoni übernahm die Führung, gefolgt von Scheckter. Als sich Lauda in der zweiten Kurve innen am Tyrrell vorbeischieben wollte, verlor er die Kontrolle über den Ferrari und drehte sich von der Strecke. Selbstkritisch wie immer analysierte Lauda auch hier sofort, was falsch gelaufen war:

Natürlich bin ich nicht davon ausgegangen, dass Jody [Scheckter] mir viel Platz lassen würde, aber ich hab trotzdem versucht, ihn auszubremsen. Beim harten Bremsen merkte ich dann, dass es mich nach rechts zog, Richtung Tyrrell. Ich touchierte seinen Wagen, drehte mich über seine Vorderräder und flog in die Fangzäune. Ich hab mich komplett zum Deppen gemacht, weil ich es mit einer Aktion versuchen wollte, die ich an einer beliebigen anderen Stelle auf diesen 22 Kilometern hätte schaffen können. Am Start wollte ich Regazzoni vorn nicht wegfahren lassen, weil ich wusste, wie schwierig eine Aufholjagd auf dieser Strecke wird, wenn ich an Scheckter nicht gleich vorbeikomme. Es war einfach nur blöd.

Was Brands Hatch angeht, da war’s halt ein Glücksspiel, eine echte 50/50-Situation. Der Reifen hätte durchhalten können, und hätte nicht auch genauso gut eine Radmutter blockieren können, wenn ich früher an die Box gekommen wäre? Ganz ehrlich, ich hatte nicht das Gefühl, dass ich in Brands Hatch einen Fehler gemacht hätte. Es war ein Glücksspiel und es ging sich nicht aus. Ganz einfach.

Schnell geklärt war die Schuldfrage in Kanada: Beim Versuch, seine Führung gegen Emerson Fittipaldi im McLaren zu verteidigen, rutschte Lauda von der Strecke. Anschließend siegte Fittipaldi und war damit im Titelkampf wieder vorn mit dabei. Vor dem letzten Rennen in den USA kam es zum Duell um den WM-Titel zwischen dem Brasilianer und Regazzoni. Die beiden hatten die Weltmeisterschaft dominiert, Lauda hatte nur nach den Siegen in Spanien und Holland Mitte der Saison in der Gesamtwertung auf Platz eins gelegen.

Marlboro war damals der Teamsponsor von McLaren und hatte daneben noch Einzelverträge mit den beiden Ferrari-Fahrern abgeschlossen, die Situation im Titelkampf erforderte also viel diplomatisches Geschick. John Hogan, der damalige Leiter der Abteilung Motorsport bei Philip Morris und deren Tabakmarke Marlboro, erzählte:

Ich arbeitete seit dem 1. September 1973 für Philip Morris. Marlboros Vertrag mit BRM lief gerade aus. Dass Nikis Zeit gekommen war, konnte man bereits erkennen – aber so richtig bewusst wurde mir das erst, als er beim kanadischen Grand Prix bei Regen und Nässe bessere Fahrer und bessere Rennwagen hinter sich ließ.

Wir hatten damals ein sogenanntes Marlboro World Championship Team, zu dem alle gehörten, mit denen wir individuelle Sponsoringverträge hatten, also auch Niki und Clay. Nikis Vertrag stand Ende des Jahres 1973 zur Verlängerung an. Ich wurde beauftragt, mich darum zu kümmern. Zum Glück kannte ich Niki persönlich, seit er in der Formel 3 diesen furchtbaren McNamara gefahren und mit James [Hunt] befreundet war. So kam ich an die beiden ran.

Ausschlaggebend für den Abschluss des Vertrags mit Ferrari war Luca. Er war selbstsicher, zupackend und sehr gescheit. Luca hatte gemerkt, dass Niki im Kommen war. 1974 war ein Jahr, in dem sich Niki enorm weiterentwickelte – und bei mir lief es genauso: Ich habe in diesem Jahr ungeheuer viel über Vertragsverhandlungen gelernt.

Mit Niki kam man beim Geschäftlichen immer schnell auf den Punkt. Er begann das Gespräch mit: „Ich hätte gern mehr Geld. Wie schaut’s aus?“ Und dann fing man an, hin und her zu überlegen, bis es für beide Seiten passte, und besiegelte den Abschluss per Handschlag. So wurde das damals gemacht: Ein Handschlag reichte.

Fittipaldi sicherte sich im letzten Rennen seinen zweiten WM-Titel, was Ferrari viel Kritik einbrachte: Man hätte nur verloren, weil die Fahrer gegeneinander fuhren, statt als Team aufzutreten. Hogan schilderte das so:

Da war etwas Wahres dran. Niki gab selbst zu, dass er in den Rennen Fehler gemacht hatte, aber der eigentliche Grund dafür, dass sie den Titel nicht selbst geholt haben, war meiner Meinung nach, dass er und Ferrari Emerson schlichtweg unterschätzt hatten, denn der Brasilianer war unglaublich clever. Er schätzte jeden präzise ein und wusste genau, wie er die Konkurrenz auf Abstand hielt. Niki steckte noch mitten in einem Lernprozess, und ich weiß, dass ihn die Behauptung, er habe den Titel nur wegen des internen Konkurrenzkampfes mit Clay verloren, ein bisschen ärgerte.

Lauda meinte:

Mir hingen die Leute zum Hals raus, die damals sagten, dass wir 1974 besser abgeschnitten hätten, wenn Clay und ich ein echtes Team gewesen wären. Wir wären so auch nicht besser gewesen. Es gab sogar ein paar Idioten, die behaupteten, dass Regazzoni Champion geworden wäre, wenn ich bloß die zwei Grand Prix nicht gewonnen hätte. Die haben mir fast schon vorgeworfen, dass ich Rennen gewinne! Ganz ehrlich, mir war das wurscht, ob ich im Team an erster oder fünfzehnter Stelle stand. Hauptsache, ich war zufrieden und bekam das Material, das ich für die Arbeit brauchte. Und ich war zufrieden, denn wir hatten ein tolles Team. Wenn ich für eine Seite ein eckiges Rad gefordert hätte, hätten die mir das ohne noch mal nachzufragen montiert. Die Zusammenarbeit zwischen dem Team und den Fahrern war fantastisch. Da gab jeder 100 Prozent.

Ich wusste, dass es für uns nur bergauf gehen konnte – ich musste bloß aufhören, so dumme Fehler zu machen. Ich muss einfach sagen, ich war noch nicht reif, Weltmeister zu werden. Ich hab’s weggeschmissen. Aber ich wusste jetzt, was für 1975 zu tun war.

Es war zweifellos so, dass Lauda Chancen „weggeschmissen“ hatte. Diese ungestümen Momente – der Zwischenfall in der ersten Runde auf dem Nürburgring war dafür ein gutes Beispiel – legten die Frage nahe, wie gut er mit dem Druck umgehen konnte, der unweigerlich entsteht, wenn man für Ferrari um den Weltmeistertitel mitfährt. Aber wer so dachte, verkannte völlig seine außergewöhnliche Fähigkeit, aus Fehlern nicht nur zu lernen, sondern auch sicherzustellen, dass sie sich nie wiederholten. Den Beweis dafür lieferte er in der kommenden Saison.

Niki Lauda

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