Читать книгу Niki Lauda "Es ist nicht einfach, perfekt zu sein" - Maurice Hamilton - Страница 11
KAPITEL 4 Der Weg zum ersten WM-Titel
ОглавлениеFür die Weltmeisterschaft 1975 wurde ein komplett neues Auto gebaut, der Ferrari 312T. Nach dem ersten Rennen war Lauda klar, dass er ein Problem hatte – nicht mit dem Rennwagen, sondern mit den italienischen Medien und ihrer notorischen Schwarzmalerei. Sie behaupteten in einem fort, der 312T mit seinem ausgeklügelten Getriebe würde einfach nicht funktionieren und Ferrari schnell vor Probleme stellen.
Mauro Forghieri hatte auf seine Fahrer gehört. Die hatten am 1974er-Modell den Hang zum Untersteuern kritisiert, denn bei der Einfahrt in eine Kurve vermissten sowohl Lauda als auch Regazzoni die Präzision und Schärfe, die sie brauchten. Forghieri warf seinen bisherigen Ansatz komplett über den Haufen und drehte das Getriebe um 90 Grad. Es wurde nun transversal, also quer (statt wie gewohnt längs) zur Fahrtrichtung vor der Hinterachse montiert. Ebenfalls überarbeitet wurden die Radaufhängung und einige andere Baugruppen, wodurch zwar das Untersteuern beseitigt wurde, das Fahrzeug aber insgesamt nervöser reagierte. Was aber nicht unbedingt schlecht war – man musste dieses empfindliche Kraftpaket als Fahrer nur gut unter Kontrolle behalten.
Einen Rennwagen, der sich „lebendig“ anfühlt, kann man schneller fahren. Damit kam Lauda problemlos klar. Mehr Schwierigkeiten bereiteten ihm die schlecht informierten Sportjournalisten, deren Meinungsmache die betriebsinterne Stimmung bei Ferrari beeinflusste. Die überregionalen Blätter widmeten Ferrari ganze Seiten, die jeden Tag irgendwie mit irgendwas gefüllt werden mussten. Tatsachen spielten dabei nur eine untergeordnete Rolle, vor allem wenn sie langweilig waren.
Die Entwicklungsarbeit am neuen Wagen hatte im Winter einen schweren Rückschlag erlitten, als Regazzoni den ersten 312T während einer Testfahrt auf dem Autodromo Vallelunga nördlich von Rom komplett zerlegte. Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte sich Forghieri daher dazu entschieden, die ersten zwei Rennen in Argentinien und Brasilien mit dem Vorjahresmodell zu bestreiten. Aus Südamerika kam Ferrari dann auch ohne herausragende Platzierungen zurück, da – wie Lauda es treffend zusammenfasste – der 312B3 „sein Potenzial komplett verbraucht hatte und zu langsam war“.
Als man zum dritten Rennen in Kyalami dann mit dem Ferrari 312T antrat, fielen die Fahrer in der Gesamtwertung zunächst noch weiter zurück. Laudas Wochenende war von Beginn an miserabel verlaufen. Zuerst drehte er sich auf einer Ölspur, die Sekunden zuvor Fittipaldi mit seinem McLaren hinterlassen hatte, und flog in die Fangzäune. Zwar war der Bolide rechtzeitig zum Beginn des Rennens wieder instandgesetzt worden, aber nach einem missglückten Start verlor Lauda weiter an Boden und konnte sich nicht zurückkämpfen. Insbesondere auf der langen, für die Kyalami typischen Geraden fehlte ihm einiges an Motorleistung. Beindrucken konnte er so niemanden. Am Ende reichte es für Platz fünf – er kam eine halbe Minute später als der siegreiche Scheckter mit seinem Tyrrell ins Ziel. Eine richtig bittere Enttäuschung war es für Ferrari, dass der hinter Lauda liegende Regazzoni mit einem Bruch des Gasgestänges ausfiel.
Bei einer genauen Untersuchung von Laudas Zwölfzylinder in der Werkstatt stellte das Team fest, dass ein Zahnriemen mehrfach durchgerutscht war und Zähne verloren hatte. Während des Rennens hatten Lauda also nur gut 80 Prozent der Sollleistung zur Verfügung gestanden. Die Medien wussten allerdings nichts davon, und so kam es, dass sich der Ton noch weiter verschärfte. Immer häufiger wurde jetzt spekuliert, ob das neue Auto ein Flop sei. Und das wiederum wirkte sich zunehmend negativ auf die Moral der Mitarbeiter aus.
Der britische Motorsportjournalist Alan Henry, der Lauda schon seit dessen Debüt in Mallory Park kannte, gehört zu den wenigen Reportern in der Formel 1, die Lauda schätzte und denen er vertraute – neben seinen Freunden in den österreichischen Medien. Jahre später berichtete Lauda Henry, dass man damals in Maranello fast den Glauben an das neue Auto verloren hätte:
Jedes Mal, wenn ich durch den Betrieb ging, kamen die Leute an und fragten mich, ob das neue Auto denn was taugen würde. Ich war entsetzt, dass diese saublöde Kritik die Moral schon komplett untergraben hatte. Mit Worten konnte ich dagegen nicht sonderlich viel ausrichten. Also schlug ich Luca und Mauro vor, dass wir je einen B3 und je einen 312T nach Fiorano bringen und ich sie dort nacheinander teste. Das haben wir dann auch so gemacht. Damit wir eine Vergleichsmöglichkeit bekommen, habe ich erst mit dem B3 eine Zeit vorgelegt –– und direkt anschließend habe ich mit dem neuen Auto sämtliche Rundenrekorde gebrochen. Dass ich vorher mit dem B3 nicht absichtlich langsamer gefahren bin, ließ sich gut an den Rundenzeiten ablesen. Als ich wieder reinkam, freuten sich die Mechaniker unbändig und die gesamte Firma war wieder zufrieden.
Das Team spürte einen Auftrieb, aber die Kritik wollte einfach nicht verstummen. Selbst dann nicht, als Lauda mit dem 312T den Nicht-WM-Lauf von Silverstone knapp – und nach einem spannendem Zweikampf – vor Fittipaldi im McLaren gewann. Lauda erzählte Henry Folgendes:
Sie können sich das nicht vorstellen. Blöderweise hab ich jemandem erzählt, dass ich den [Drehzahl-]Begrenzer ausgeschaltet hatte, um auf 12 800 Umdrehungen hochzugehen, als ich relativ am Anfang versucht hab, [James] Hunt [in einem Hesketh] zu überholen. Ich merkte aber nicht, dass das was bringt, also hab ich ihn wieder eingeschaltet. Darauf schreibt ein italienisches Blatt: „Laudas Sieg hatte nur mit Glück zu tun, da er den Motor überdrehte und über eine normale Grand-Prix-Distanz nie hätte gewinnen können.“ Ich mein, was sagt man zu solchen Idioten?
Gerade in Italien schien derart leeres Gewäsch einfach zum Rennsportalltag dazuzugehören. Deutlich beunruhigender und ernst zu nehmender waren da schon die Schlagzeilen nach den Ereignissen beim nächsten Grand Prix in Spanien.
Der auf Barcelonas Hausberg gelegene Circuit de Montjuïc wand sich auf öffentlichen Straßen atemberaubend durch einen städtischen Park. Es war schon immer sehr risikoreich gewesen, hier zu fahren, aber inzwischen war es unzumutbar. Als die Grand-Prix-Teams im April 1975 vor Ort eintrafen, stellten sie fest, dass die Leitplanken nur dilettantisch befestigt worden waren und auch darüber hinaus Sicherheitsstandards nicht eingehalten wurden. Angeführt von Lauda, Fittipaldi und Scheckter boykottierten die Fahrer daraufhin das erste Training. Es war das erste Mal, dass sie sich so deutlich zur Wehr setzten, aber am Ende wurden sie doch gezwungen nachzugeben, als der Veranstalter drohte, von allen Teams das komplette Equipment inklusive Fahrzeugen und Ersatzteilen zu beschlagnahmen. Lauda musste sich danach eine Menge Kritik anhören, weil er dann plötzlich alle Bedenken beiseiteschob, in den Ferrari stieg und die Pole Position holte. Ein paar Wochen später erklärte er das so:
Einige Leute können einfach nicht verstehen, dass man Rennwagen immer am Limit fährt. Und wenn man immer am Limit fährt und am Auto etwas kaputtgeht, dann hast du halt einen Riesenunfall. Das Problem, das wir in Barcelona hatten, hat mich an die Zeit am Anfang meiner Rennkarriere erinnert. Damals hab ich mich gefragt: „Möchtest du Rennen fahren? Kannst du mit diesem Risiko umgehen?“ Ich dachte über die ganzen Probleme gründlich nach, und damit war’s für mich durch. Das ist der Weg, für den ich mich entschieden habe – und den kann ich auch gehen. Deshalb habe ich in Barcelona so gehandelt, auch wenn wir damit nicht glücklich waren, wie die Leitschienen montiert waren.
Viele Jahre später erinnerte sich Lauda im Gespräch mit dem Journalisten Mark Hughes an einen weniger ernsten Moment während des Trainings in Barcelona:
Der 1975er-Ferrari war ein tolles Auto. Das 74er-Modell als Ausgangsbasis war schon stark, aber das neue war besser. Es untersteuerte weniger, und auch wenn es etwas nervöser war, hatte ich meinen Fahrstil schnell angepasst und spürte einfach, dass es genau das tun würde, was ich von ihm verlangte. Es war einfach besser als die Autos der anderen. Motor, Chassis und Getriebe – alles war besser.
Forghieri war ein Genie, aber man musste ihn im Griff haben. Ich weiß noch, wie ich in Barcelona zu ihm kam und sagte, der Wagen untersteuert. Er meinte: „Deine Linienwahl taugt nichts.“ Ich fragte, wo, und er sagte: „Im hinteren Teil der Strecke.“ „Woher weißt du das?“ „Ich kenn da jemand, der hat mir das erzählt.“ „Und wer ist das?“ „Das ist die Freundin meines Arztes.“ Ich sagte: „Kümmere dich um dieses beschissene Untersteuern!“ Er hat das erledigt, und ich bin auf die Pole gefahren.
Das war, wie sich herausstellen würde, noch der leichtere Teil der Übung, denn beim Rennen wurde es etwas hitziger. Die Start-Ziel-Gerade stieg zu einer Kuppe an, um dann steil bergab auf eine Haarnadelkurve zuzulaufen. Als das von den beiden Ferraris angeführte Feld den höchsten Punkt dieser Kuppe erreichte, wurde Laudas Ferrari von hinten touchiert und kollidierte dann seitlich mit Regazzoni. Daraufhin kam es zu weiteren Zusammenstößen, Lauda prallte gegen die Leitschienen – für ihn war das Rennen damit gelaufen. Um seinen Protest kundzutun, fuhr Wilson Fittipaldi nur eine Runde mit und zwar extra langsam, wobei er nur mit einer Hand lenkte und die andere in die Luft streckte. Seinen schrecklichen Höhepunkt erreichte dieses nervenaufreibende Wochenende, als Rolf Stommelen mit seinem Hill-Cosworth, weil sein Heckflügel gebrochen war, über die Leitplanken flog, wodurch vier Menschen zu Tode kamen. Das Rennen wurde erst vier Runden später abgebrochen, der nach einem längeren Reparaturstopp auf die Strecke zurückgekehrte Regazzoni schaffte es nicht in die Wertung.
Auch in Monaco hatte Regazzoni Pech: Auf abtrocknender Strecke touchierte er mehrfach die Leitplanken, bis schließlich die Radaufhängung des Ferrari irreparabel beschädigt war. Ganz anders lief es bei Lauda, der jetzt begann, eine famose Serie hinzulegen. Er feierte einen souveränen Start-Ziel-Sieg, wobei er am Ende knapp drei Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten Emerson Fittipaldi hatte. Zwei Wochen später startete er in Belgien wieder von der Pole und kam erneut ungefährdet als Erster ins Ziel, womit er zum ersten Mal in dieser Saison die Fahrerwertung anführte.
Ungeachtet der Erfolge wurde nach wie vor Kritik an seinem Auto laut. Nur mit dem Unterschied, dass es jetzt nicht mehr als zu langsam galt, sondern als zu schnell. Laudas Kritiker waren der Ansicht, dass sein Erfolg allein daher rühre, dass der Ferrari-V12 leistungsstärker sei als der vom Großteil seiner Konkurrenten verwendete Ford-Cosworth-V8. Lauda äußerte sich dazu gegenüber Henry:
Es war wirklich unglaublich. Ich habe versucht, diese Kommentare nicht zur Kenntnis zu nehmen, aber ich muss ehrlicherweise zugeben, dass ich einen richtigen Hals hatte. Falls ich wirklich 20 oder 30 PS mehr als die Konkurrenz gehabt hätte, hätte ich die Rennen mit einer Hand nach Hause gebracht. Und dazu wäre ich in der Lage gewesen, weil das Chassis des 312T so gut war, dass jeder Leistungsvorsprung in der behaupteten Höhe mir einen riesigen Vorteil verschafft hätte. Das Chassis war perfekt. Vollkommen ausbalanciert und ungeheuer fortschrittlich. Du kannst dich darauf verlassen, dass unsere Leistung nicht wesentlich über der der Cosworths lag.
Monaco war da ein gutes Beispiel. Im letzten Training bin ich eine Minute 27,3 Sekunden oder so gefahren, komme zurück an die Box, und da tanzt Luca herum und erzählt: „[Tom] Pryce ist eine 1:27,09 gefahren [in einem Shadow-Ford V8]! Was willst du jetzt machen?“ In so einem Augenblick musst du alles geben, und wenn du das machst, vor allem auf einer Strecke wie Monaco, dann hast du gute Chancen, in der Mauer zu landen oder dich aus dem Rennen zu schmeißen. Ich bin nochmal raus und habe eine 1:26,4 hingelegt. Ich kann dir sagen, ich hatte Angst. Ich war absolut am Limit, da waren keine Reserven mehr. Als ich aus dem Wagen raus bin, hab zu zittern angefangen. Und die Leute glauben, dass ich das machen würde, wenn ich mehr Leistung als die anderen hätte? Einen Scheiß würde ich.
Auch wenn er darum nicht gerade gebeten haben dürfte, bot das nächste Rennen in Schweden Lauda die beste Gelegenheit, der Welt zu zeigen, worauf seine Rundenzeiten wirklich zurückzuführen waren. Anderstorp ist eine Strecke, bei der sich ein PS-Vorteil, ob nun ein unterstellter oder ein echter, kaum auswirkt. Nach Schwierigkeiten im Training startete Lauda von Position fünf, arbeitete sich Stück für Stück vor und schloss schließlich zum führenden Brabham-Ford von Carlos Reutemann auf, den er zehn Runden vor dem Ende überholte. Für Lauda war das ein hartes Stück Arbeit gewesen, aber es hatte sich gelohnt: In der WM-Wertung lag er nun zehn Punkte vor Reutemann.
Diesen Vorsprung würde er in den Niederlanden um weitere drei Punkte ausbauen, aber für Lauda war das auch schon die einzige gute Nachricht. Im Rennen hatte ihn James Hunt klar geschlagen, der Mann, der – dann im Cockpit eines McLaren – in den nächsten 12 Monaten sein größter Rivale werden sollte. 1975 fuhr Hunt allerdings noch für Hesketh, einen privat finanzierten Rennstall, der sich einen gewissen Ruf aufgrund seiner Partykompetenz erarbeitet hatte. Zwei Jahre zuvor war Hesketh mit einem gekauften March in Monaco erstmals am Start, seitdem hatte sich das Team stetig verbessert. Der Wagen, den sie jetzt ins Rennen schickten, war eine Eigenkonstruktion, mit der es Hunt gelang, immer stärkere Leistungen zu zeigen. Der Engländer startete zwar aus der zweiten Reihe, hinter den Ferraris, doch bot die noch feuchte, aber abtrocknende Strecke für den Draufgänger Hunt mit seiner Vorliebe zum kalkulierten Risiko perfekte Bedingungen.
Beim Start ging Lauda sofort in Führung, hinter Scheckter und dem schlecht weggekommenen Regazzoni lag Hunt zunächst an vierter Stelle. Lange Gischtfahnen ließen keinen Zweifel daran, dass Regenreifen tatsächlich die bessere Wahl waren. Allerdings nicht sonderlich lange. Der Regen hörte so plötzlich auf, wie er eingesetzt hatte, und durch den auffrischenden Wind trocknete die Ideallinie schnell ab. Getreu dem Motto „besser zu früh als zu spät gewechselt“ kam Hunt Ende der siebten Runde als Erster an die Box und wechselte auf Slicks. Als er auf die Strecke zurückkam, lag er auf Platz 20 und hing zwischen lauter Nachzüglern.
In den nächsten Runden folgte nach und nach das gesamte Feld Hunts Beispiel. Am Ende war entscheidend – und ein klarer Beweis dafür, wie rutschig die Strecke immer noch war – dass Lauda noch weitere sechs Runden mit seinen Regenreifen draußen blieb. Als der Ferrari Richtung Boxengasse bog, jagte Hunt mit Vollgas an ihm vorbei – und ging in Führung. Am Ende der nächsten Runde betrug sein Vorsprung zehn Sekunden. 60 Runden waren da noch zu fahren.
Bei den nun herrschenden Bedingungen hing alles von der Abstimmung der Rennwagen ab. Ferrari hatte einen Kompromiss zwischen den Einstellungen für nass und trocken gewählt, Hesketh war volles Risiko gegangen und hatte ganz auf trocken gesetzt. Nun entwickelte sich das Rennen zu ihren Gunsten, zumal Ferrari durch die gewählte Abstimmung sein Geschwindigkeitsplus eingebüßt hatte. Andererseits hatte Lauda schon fünf Siege auf dem Konto, während es für Hunt etwas Neues war, überhaupt in Führung zu liegen. Zunächst aber musste sich Lauda am Shadow von Jean-Pierre Jarier vorbeikämpfen. Es dauerte sage und schreibe 30 Runden, bevor der rote den schwarzen Rennwagen hinter sich lassen konnte.
Ein paar Runden führte Hunt mit rund sechs Sekunden Vorsprung. Aber dann verringerte sich dieser Abstand kontinuierlich. Noch 20 Runden bis zum Ziel, und der Druck nahm mit jeder gefahrenen weiter zu. Allerdings war der Ferrari dort, wo es drauf ankam, nicht wirklich schneller. Und obwohl er wusste, dass der Ferrari nun direkt hinter ihm war, blieb Hunt ruhig, vor allem, wenn er auf Wagen traf, die er überrunden musste. Der Hesketh zog unaufhaltsam seine Bahn und machte dabei natürlich auch für Lauda den Weg frei. Hunt fuhr auf seiner Linie fehlerfrei weiter, ohne Lauda eine Gelegenheit zum Überholen zu bieten. Der Brite gewann in Zandvoort seinen ersten Grand Prix – mit einer Fahrzeuglänge vor dem Ferrari. Es sollte nicht das letzte Duell der beiden gewesen sein.
Lauda führte weiter in der Weltmeisterschaftswertung, auch wenn er enttäuschenderweise keinen Heimsieg feiern konnte. Auch auf dem Nürburgring reichte es nicht für den ersten Platz. Im Training hatte er noch die außerordentlich beeindruckende Bestzeit von unter sieben Minuten vorgelegt, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 196,38 km/h war er auf dieser kurvenreichen, gefährlichen Strecke extrem schnell. Von der Pole Position aus hätte Lauda einen weiteren Start-Ziel-Sieg einfahren können, wenn ihn ein ungeplanter Boxenstopp wegen eines Reifenschadens nicht zurückgeworfen hätte, sodass er schließlich nach Reutemann und Lafitte als Dritter ins Ziel kam.
Nach dem Großen Preis von Österreich, bei dem Lauda nur Sechster geworden war, waren nur noch zwei Rennen zu fahren. Für Lauda war klar, dass es für Ferrari keine bessere Rennstrecke gab als Monza, um den Weltmeistertitel unter Dach und Fach zu bringen. Vor rund 200 000 Zuschauern starteten die beiden Ferraris aus der ersten Reihe (Lauda auf der Pole), und die leidenschaftlichen Fans flippten völlig aus, als am Ende Regazzoni den Sieg holte, während Lauda, die Gesamtsituation im Blick, auf Sicherheit fuhr und als Dritter die nötigen Punkte für seinen ersten WM-Titel sammelte. Jahre später erzählte Lauda:
Es war relativ einfach. Ich hatte in jeder Hinsicht das beste Auto. Das Chassis war gut, der Motor war gut – und auch das transversale Getriebe. Aber entscheidend war die Zusammenarbeit zwischen den Mechanikern und den Ingenieuren. 1975 hat einfach alles perfekt gepasst.
Im Vorjahr hatte ich alles verspielt, aber 1975 war ich richtig schnell. Ich hatte gelernt, alles genau zu durchdenken. Ein Rennen zu gewinnen ist eine schöne Sache, natürlich freut man sich darüber. Aber wenn ein Rennen zu Ende war, dachte ich gleich schon wieder voraus, ans nächste. Ich sagte mir immer: „Das ist das, wofür ich bezahlt werde, und das muss ich liefern.“ Sorgen machte ich mir nur, wenn ich mal nicht geliefert hatte. Ich hab keine Zeit darauf verschwendet, darüber nachzudenken, wie gut ich gefahren bin – auch auf dem Podium ging es mir nur darum: „Was hätte ich heute besser machen können, und was kann ich fürs nächste Rennen daraus lernen?“ Zurückgeschaut hab ich nie, die Vergangenheit hat mich immer nur interessiert, wenn ich geglaubt hab, daraus etwas für die Zukunft lernen zu können.
Als ich zum Beispiel in dieser Scheißkiste von March [721X] saß, da war ich extrem verunsichert und verstand die Welt nicht mehr. Aber ich muss schon sagen, dass ich über dieses Auto eine Menge gelernt hatte. Durch diese ganzen Probleme hatte ich mitbekommen, worauf es wirklich ankam. Und das war ein großer Vorteil, als ich zu Ferrari kam. Als ich in dem 1975er-Modell saß – diesem fantastischen Auto –, wusste ich ganz genau, was zu tun war.
In der von Autocourse veröffentlichten Rangliste der zehn besten Fahrer belegte Lauda den ersten Platz. Wie der Österreicher aus den 1974 gemachten Fehlern gelernt hatte, war nicht nur den Redakteuren des Jahrbuchs aufgefallen. Alles schien darauf hinzudeuten, dass Lauda der erste Formel-1-Pilot seit Jack Brabham (1959 und 1960) sein könnte, der seinen Titel erfolgreich verteidigt. Niemand rechnete damit, dass ihm ein ebenbürtiger Rivale den Titel streitig machen könnte – oder die Folgen eines schrecklichen Unfalls, der Lauda fast das Leben gekostet hätte.