Читать книгу IF TH€R€'$ MON€¥ - Max Adolph - Страница 4
Kapitel 3
Оглавление„Noch fünfzig Meter“, schallte mir Orviks Stimme über Funk in mein Ohr, „bis jetzt nichts in Sicht außer verfallenem Beton.“
Wir hatten das Auto auf einer Lichtung stehen lassen und uns dann beim Marsch durch den Wald aufgeteilt, um die Werkhalle weiträumig abzuleuchten.
„Hier ebenfalls“, gab ich meinen knappen Lagebericht ab und lief weiter in geduckter Haltung durch das Unterholz.
Die leichte Steigung machte mir wenig aus, doch die überirdisch verlaufenden Wurzeln erschwerten das Vorankommen ein wenig.
„Hab deine Position, Joule“, meldete sich Garry.
Ich mochte es nicht mir vorzustellen, dass mein Rücken sich im Fadenkreuz eines Gewehrs befand und verdrängte den Gedanken daran so gut es ging, während ich mich weiter Richtung Ziel bewegte.
Garry verwendete während eines Jobs fast ausschließlich unsere Codenamen. Wieso genau die beiden mich Joule nannten hatten sie mir nie verraten. Wahrscheinlich steckte dahinter gar nichts, denn auch Fox als Codename für Garry und Ace für Orvik machten für mich keinen großen Sinn. Vielleicht war das aber auch der Sinn der Sache, denn sie sollten ja verschleiern, wer gemeint war, falls die Kommunikation abgefangen wurde.
Von der Werkhalle war nicht mehr viel übrig. Ein moosbewachsener Betonboden wurde von weißem Putz und roten Ziegeln überdacht, der in unregelmäßigen Abständen das stählerne Skelett preisgab, dass alles war, was die verwitterte Konstruktion noch vom Einsturz abhielt. Von den vereinzelten Fenstern waren nur noch Löcher in der Fassade und die glitzernden Scherben auf dem kargen Hallenboden übrig.
„Die scheinen keine Wachen aufgestellt zu haben“, leitete ich meine Beobachtung über Funk weiter.
Ich schob den Ärmel meines Hemdes empor um die Uhr an meinem linken Handgelenk freizulegen. Es war erst kurz nach neun und laut Corry war das Eintreffen des Transporters gegen halb elf zu erwarten.
„Son Mist“, motzte Orvik, „da hätten wir uns das frühe Eintreffen auch sparen können.“
„Nummer sicher Ace, weißt du noch?“, gab Garry zurück.
„Du hast gut reden“, lachte Orvik, „du liegst ja bequem.“
„Genau“, raunte Garry, „genau deshalb habe ich mir diese Stellung ausgesucht... weil man hier bequem liegen kann.“
„Vertragt euch“, unterband ich die Unterhaltung, „ich halt das keine Stunde aus.“
„Kannst dich ja ausklinken“, lachte Orvik und ich hörte das Klicken eines Feuerzeugs, mit dem er sich vermutlich eine Zigarette anzündete.
„Keiner klinkt sich hier aus dem Funk aus!“, stellte Garry klar, „und ab halb zehn will ich keinen Zigarettenrauch mehr von da unten sehen.“
„Keine Angst Daddy. Ich hab meine Hausaufgaben schon fertig, da kann ich länger aufbleiben“, gab Orvik mürrisch zurück.
Ich schob ihre Anfeindungen auf die Anspannung und versuchte das ganze einfach zu ignorieren.
„Ich sehe Lichter“, meldete sich Garry zum wahrscheinlich zehnten Mal in den letzten zwanzig Minuten.
„No shit Sherlock“, murmelte Orvik so leise, dass sein Mikro es kaum einfing.
Sowohl ich, als auch Garry übergingen die Aussage, da Orvik immerhin den Anstand zeigte seinen Unmut nicht allzu laut zu äußern.
Stille trat wieder ein und gerade als ich mich damit abgefunden hatte einen weiteren falschen Alarm erhalten zu haben, meldete sich Garry erneut.
„Das ist unser Ziel. Geht in Deckung. Ich will Funkstille bis die Typen den Laster verlassen.“
Ich überlegte, ob ich den Erhalt des Befehls bestätigen sollte, doch ich nickte einfach nur leise, da Garry vermutlich schon wieder sein Fadenkreuz über mich gleiten ließ. Der Gedanke jagte mir eine kurze Gänsehaut über die Arme, doch ich tat das als Paranoia ab und zog mich noch ein wenig weiter in den Schatten des Pfeilers zurück, an dem ich kauerte. Es war übertrieben von Schatten zu sprechen, denn das hätte Licht vorausgesetzt. Die einzige Lichtquelle war jedoch der karge Nachthimmel über Mardigard, deren licht-geflutete Straßen sich nördlich der Scavarn Heights erstreckten und die gesamte Halle war so dunkel, dass ich nicht einmal den Lauf meiner Waffe klar erkennen konnte.
Kaum fünf Minuten später hörte ich das Quietschen von Reifen auf losem Schotter und das Licht eines Scheinwerfers streifte die Rückseite meiner Deckung. Nach all der Stille fühlte sich das Aufschwingen der Fahrzeugtüren wie ohrenbetäubender Lärm an. Ich zählte sechs Türen, was aller Wahrscheinlichkeit nach drei Fahrzeuge, einschließlich dem Geldtransporter, ergab und mich damit auf eine Mannschaft von etwa zehn Personen schließen ließ.
Ich hätte mir das Zählen jedoch sparen können, denn Garry gab wenig später die exakten Daten durch.
„Hinter dem Transporter parken ein dunkelroter Pozack Sievvo und ein schwarzer Araz Lupe. Ich zähle neun Männer. Alle mit Pistolen im Anschlag, aber bis auf den mit dem Bohrer trägt keiner Kevlar.“
Die beiden Fahrzeuge waren ältere Billigkarossen, die man wahrscheinlich unter der Hand erstanden hatte, um sie nach diesem Job problemlos entsorgen zu können.
„Wie geht‘s weiter?“, fragte Orvik, der sich auf der gegenüberliegenden Seite der Halle befand.
Mittlerweile konnten wir wieder beruhigt über Funk kommunizieren, da die Gangster sich lautstark über ihren Fang freuten.
„Wir warten und lassen sie die Türen knacken“, wiederholte Garry seine Befehle.
Man hörte Orviks schweren Atem, der nicht davon angetan schien sich noch weiter die Beine in den Bauch zu stehen. Im Endeffekt blieb ihm jedoch nichts Anderes übrig.
Metallisches Klirren signalisierte, dass der Techniker seinen Bohrer aufbaute und wenig später fuhren sanfte Vibrationen durch den Betonboden. Orvik konnte den Startschuss wahrscheinlich von uns allen am wenigsten erwarten, aber auch ich konnte mir ein vorfreudiges Lächeln nicht verkneifen, während ich einen Blick auf meine Waffe warf, die dank des Lichtes der Autos nun immerhin halbwegs zu erkennen war.
Ich prüfte mein Magazin und presste meinen Rücken fest an den verfallenen Beton des breiten Stützpfeilers. Der Geruch von Moos und Schutt erfüllte die Luft und ich atmete ein letztes Mal tief durch.
„Ich habe ein freies Schussfeld“, meldete sich Garry über Funk.
Ich registrierte die Information, doch bereits den Bruchteil einer Sekunde später hätte ich nicht mehr sagen können, welche Worte er für die Aussage verwendet hatte.
Die Gerüche verschwanden aus meinem Kopf und auch die Geräusche der Gauner wurden gedämpfter. All die verschwindenden Informationen machten Platz für wichtigere Einflüsse. Ich spürte die Riffelung des Holzgriffs meiner Pistole, hörte das Knacken der Steinchen unter den Füßen der Männer und nahm glasklar das rhythmische Rattern des Bohrers wahr, mit dem sich die Bande am Geldtransporter zu schaffen machte.
„Bin bereit“, meldete sich Orvik ebenfalls.
Mehr gab es nicht zu sagen. Nun wartete jeder nur noch auf den Startschuss. Garrys Startschuss.
Das Rattern wurde zu einem metallischen Kreischen, als der Bohrer scheinbar ins leere Griff und leichter Jubel brach in der Mannschaft aus, während der Techniker das Gerät vorsichtig aus der dicken Metalltür des Transporters zog. Vollkommen lautlos ließ er die Tür auf gleiten und legte das Innere des Lasters frei. Dann war es so weit.
Meine Beine setzten sich wie von selbst in Bewegung, als das Peitschen des Gewehrschusses zu hören war. Der Kopf des Technikers wurde zur Seite gerissen und hinterließ einen dunkelroten Schleier und noch bevor einer der Gauner sein Ableben überhaupt registriert hatte, gab auch ich meine erste Kugel ab.
Ich erwischte den Hinterkopf eines verblüfften Crewmitglieds und schlug einen Haken nach links, um mich in die Nähe einer weiteren Deckung zu begeben. Das Überraschungsmoment verschaffte mir genug Zeit um noch einen weiteren Mann auszuschalten, bevor die Aushilfsgauner das Feuer eröffneten.
Orvik schien sich ebenfalls durch die feindlichen Reihen zu arbeiten. Das dumpfe Wummern seines Revolvers hob sich deutlich vom Stakkato der Pistolen ab.
Der lauteste Platzhirsch war jedoch ganz klar Garrys Parraviz-7G, was diese eindrucksvoll zur Schau stellte, als sie einem weiteren Schützen unter ohrenbetäubendem Lärm die Brust öffnete.
Ich hatte mittlerweile Deckung hinter einer halb eingerissenen Trennwand gefunden, deren Standfestigkeit bereits von Kugeln geprüft wurde. Die Schüsse selbst hörte ich kaum. Stattdessen wartete ich konzentriert auf das verräterische Klicken eines leeren Magazins, das sich für meine Ohren wie Musik anhörte, die ich mit einem weiteren Feuerstoß um meine eigene Komposition erweiterte, als ich dem unachtsamen Schützen ein drittes Auge verpasste.
Viel Zeit mein Werk zu genießen blieb mir jedoch nicht, da mich bereits ein weiterer Mann unter Beschuss nahm und mich wieder hinter die Deckung trieb. Beton spritzte durch die Luft und erfüllte sie mit einem feinen Nebel. Mein Zeigefinger betätigte den Magazinauswurf meiner Crow-6T und ich fischte mir ein Magazin mit fünfzehn frischen Patronen aus der Innentasche meiner Jacke. Diesmal ließ das erlösende Klicken auf sich warten, da der Mann aus dem Fehler seines Kollegen gelernt zu haben schien. Er hatte das Feuer gestoppt und schien darauf zu warten, dass ich mich zeigte. Gerade als ich hoffte Garry würde mir die Arbeit abnehmen, peitschte eine weitere Gewehrkugel durch die Luft. Der Treffer klang jedoch viel zu weit entfernt um meinem Gegenüber gegolten zu haben.
„Was soll‘s“, stöhnte ich achselzuckend und festigte den Griff um meine Pistole wieder.
Ohne meine Beine vom Boden abzudrücken ließ ich mich zur Seite fallen und landete in der Wolke aus Betonstaub, die den Untergrund überzog. Der Mann reagierte erst, als er meinen dumpfen Aufprall hörte und eröffnete das Feuer. Bis er registriert hatte, dass ich mich einen Meter weiter unten befand als erwartet, hatte er jedoch längst drei Kugeln gefangen.
Erst jetzt bemerkte ich, dass sämtliche anderen Schussgeräusche verstummt waren.
„Solide Arbeit“, rief Orvik, der auf dem Weg zum Geldtransporter war und die Leichen beäugte.
„Waren das alle?“, fragte ich.
„Scheint so“, bestätigte Garry.
„Dann lass uns die Beute einsacken und hier verschwinden“, schlug Orvik vor und baute sich grinsend vor der offenen Tür des Geldtransporters auf.
Gegenwart
„Die holen auf, Tara“, rief Orvik mit einem Anflug ernsthafter Besorgnis.
„Mehr als Gas geben kann ich nicht!“, rief ich nach hinten und warf einen Blick in den kaputten Rückspiegel, von dem nur noch einzelne Scherben das Fahrzeug hinter uns einfingen.
Selbst dieses unvollständige Bild zeigte jedoch mehr als deutlich, dass Orvik Recht hatte. Vermutlich half das Betonfundament des Wegweisers, das irgendwo in den Motorblock eingeschlagen war, nicht dabei schneller vom Fleck zu kommen.
„Solltest du sie dann jetzt nich leichter treffen können?“, sagte ich schnippisch und drückte den Fuß auf dem Gaspedal noch ein wenig weiter durch, wovon sich die Tachonadel jedoch nicht beeindrucken ließ.
Orvik knurrte nur frustriert, erwiderte jedoch nichts. Wieder war das Klirren von Kugeln auf der Kofferraumklappe zu hören und ich war froh über die Kurve vor uns, die uns wenigstens eine kurze Verschnaufpause verschaffen würde.
„Das bringt nix, Orvik“, raunte ich resignierend.
„Was meinst du?“
Ihm schien mein Tonfall überhaupt nicht zu gefallen.
„Mit dem Wagen kommen wir nicht weiter.“
„Das heißt jetzt genau was?“, rief Orvik und krallte sich fest in das Polster der Rückbank.
„Dass ich die Ausfahrt hier nehmen muss...“
Mit einem Ruck zentrierte ich das Lenkrad des Wagens und hörte damit auf dem Kurvenverlauf zu folgen. Stattdessen entschied ich mich für die Route jenseits der Baumreihe, die auf direkterem Wege den Hang hinab führte.
„Wir treffen uns am Kraftwerk. Spring!“, rief ich und öffnete mit einem Tritt die Fahrertür, bevor ich mich aus dem fahrenden Auto warf.
Eine Stunde zuvor
„Das is jetz Mist“, murmelte Orvik, als er das Licht seiner Taschenlampe durch den Innenraum des Transporters schweifen ließ.
„Was is?“, murmelte ich und positionierte mich neben ihm, um ebenfalls in den Laderaum zu schauen.
„Wir hätten die vielleicht noch etwas arbeiten lassen sollen...“, sagte Orvik und warf den Schein seiner Lampe auf einen fest in der Karosserie verankerten Stapel aus Geldkassetten.
„Was hast du erwartet?“, fragte ich, „dass das Geld einfach lose rumliegt?“
Mich überraschte der Anblick der gesicherten Kassetten nicht weiter.
„Was genau haben wir denn vor uns?“, meldete sich Garry, der als einziger nicht in den Laster schauen konnte.
„Zentral gesicherte Geldkassetten“, erklärte Orvik, „die Zentralsicherung is kein Problem, aber die Kassetten selbst sehen nach Arbeit aus. Wie viel Zeit haben wir?“
„Die Polizei scheint nichts registriert zu haben“, gab Garry durch, „aber ich will das hier nicht unnötig in die Länge ziehen. Schnappt euch die Kassetten. Den Rest klären wir dann in Ruhe.“
„Geht klar“, bestätigte Orvik.
Die zentrale Sicherung war im Grunde genommen kaum mehr als ein abgeriegeltes Regal. Stahlriemen verliefen quer über die Regalseiten und liefen unter einem Tastenfeld zusammen, dem Orvik jedoch gar nicht erst seine Aufmerksamkeit schenkte. Stattdessen zog er seinen Revolver und verpasste einem der Stahlriemen ein Loch, bevor er eine Schneidzange aus seiner Weste holte und den Riemen damit ganz löste.
Diesen Vorgang wiederholte er noch ein paar Mal, bis er eine ausreichende Menge Geldkassetten freigeschaufelt hatte, die er dann in seinen Rucksack legte.
„Wir kriegen die niemals alle weg“, stellte ich fest, während auch ich zwei Kassetten in meinen Rucksack lud.
Orvik nickte wortlos und wandte sich dann wieder den Riemen zu.
„Ich glaube dazu werdet ihr ohnehin nicht kommen“, ertönte Garrys Stimme in meinem Ohr.
„Was is?“, fragte ich, kurz bevor Orviks Revolver erneut aufheulte.
„Wir bekommen Besuch“, antwortete Garry.
„Polizei?“, fragte Orvik.
Ein weiterer Stahlriemen riss unter seiner Zange und er prüfte den Sitz einer weiteren Kassette, die jedoch noch nicht ganz herauskommen wollte.
„Negativ“, gab Garry zurück, „zwei schwarze Kleintransporter und ein Pick-up. Sehen neu aus. Schätzungsweise bewaffnete Insassen.“
Es schien vielleicht ein wenig harsch zu derartigen Schlüssen zu springen, doch schwarze, neuwertige Transporter, die kurz vor Mitternacht in die Scavarn Heights fuhren, waren tatsächlich kein gutes Zeichen.
„Ihr habt maximal fünf Minuten“, fuhr er fort, „macht, dass ihr da wegkommt.“
„Du hast den Mann gehört, Orvik. Lass den Rest hier.“
Ich sprang bereits wieder von der Ladefläche und wartete darauf, dass Orvik es mir gleichtat, als ich einen weiteren Schuss hörte.
„Was bitte soll das werden?“, zischte ich und schwang mir den Rucksack über den Rücken, der auch halb beladen schon schwer genug war.
„Ich bin nich hergekommen, um mit ner halben Beute abzuhauen“, entgegnete er forsch und schnappte sich wieder die Zange.
„Lass den Scheiß man, du hast Garry gehört!“
„Garry, kannst du die Fahrzeuge stoppen?“, fragte Orvik und löste unbeirrt einen weiteren Riemen.
„Negativ“, antwortete Garry, dessen Stimme einen Teil ihrer üblichen Ruhe eingebüßt hatte, „das würde meine Position auffliegen lassen.“
Orvik knurrte nur und schmiss frustriert eine weitere Kassette in seinen Rucksack.
„Drei Minuten Leute! Verpisst euch da endlich!“, befahl Garry.
„Orvik!“
Orviks Wangen spannten sich, als er seine Kiefer hart aufeinanderpresste und sich dann endlich von dem Regal löste. Ich war sichtlich erleichtert, als er seinen Rucksack schloss und sich neben mir auf den Betonboden schwang. Wortlos ging er an mir vorüber und setzte sich in Richtung Wald in Bewegung.
Ich folgte ihm und holte ihn dank meines etwas leichteren Gepäcks schnell ein. Die erste Baumreihe war gut zwanzig Meter entfernt und der Weg zog sich länger, als ich mir das ausgemalt hatte. Dass mir bei jedem Schritt die kantige Fracht in den Rücken schnellte machte den Marsch nicht gerade angenehmer.
„Die haben euch gesehen“, murmelte Garry angespannt.
Diese Information hatten wir jedoch auch schon selbst erhalten, als uns für einen kurzen Moment das Licht eines Scheinwerfers getroffen hatte. Kaum zwei Sekunden später verschwanden wir in die Dunkelheit des Waldes, doch es war zu spät.
Was mich deutlich mehr überraschte, war das Peitschen eines Gewehrschusses, gefolgt von einem Knall, der zu einem Reifen der schwarzen Fahrzeuge zu gehören schien. Garry hat sich also doch entschieden uns auszuhelfen.
„Ich muss die Position wechseln“, meldete er sich erneut, gefolgt von Blätterrascheln und dem metallischen Klacken seiner Parraviz-7G.
Quietschende Reifen, sich öffnende Türen und das Rattern von SMGs ertönte hinter unserem Rücken, kurz bevor auch schon die ersten Kugeln in die Bäume um uns herum einschlugen. Wir hatten jedoch schon zu viele Baumreihen passiert, um ihnen ein freies Schussfeld zu geben und schlitterten weiter die Böschung hinab in Richtung Fahrzeug.
„Wo seid ihr?“, meldete sich Garry schwer atmend.
„Sind fast beim Auto“, antwortete Orvik.
Wir sahen bereits die Lichtung und den dunkelroten Lack unseres Fluchtwagens, der bei der mickrigen Beleuchtung jedoch gänzlich schwarz wirkte. Noch im Rennen zogen wir uns die Rucksäcke herunter und warfen sie durch das offene Fenster auf den Beifahrersitz, bevor ich mich hinter das Steuer schwang und Orvik sich auf die Rückbank schmiss.
Während ich die Tür zu zog drehte ich bereits den Zündschlüssel und gab Gas. Der Motor heulte auf und der Wagen macht einen Satz nach vorn, als ich die Kupplung durchtrat und endlich den Gang einlegte.
Dreck knirschte unter den durchdrehenden Reifen, bevor der Gummi halt fand und uns nach vorn katapultierte. Ein etwas holpriger Waldweg führte uns von der Lichtung aus auf die Straße, die sich in westlicher Richtung herunter auf die Landstraßen schlängelte.
„Ha, das war knapp“, lachte Orvik erleichtert und kämpfe mit dem wild ruckelnden Auto um seinen Halt auf der Rückbank.
„Noch sind wir nich aus dem Schneider“, knurrte ich.
Meine Hände hatten sich fest in das Lenkrad gekrallt und meine Knöchel zeichneten sich deutlich gegen meine Haut ab, was nur zur Hälfte dem unebenen Waldweg geschuldet war.
„Garry, wie sieht's aus?“, fragte Orvik.
Es knirschte in meinem Ohr, doch ich hörte keine klaren Worte. Von der Rückbank hörte ich daraufhin nur trockenes Lachen.
„Wir rennen voll beladen nen Hang runter und er beschädigt sein Mikro, weil er mal kurz sein Gewehr verfrachten muss...“, spottete er.
„Hättest du auf ihn gehört, hätten wir...“, setzte ich an, als ich Orviks Hand auf meiner Schulter spürte.
„...jetz n paar Riesen weniger im Gepäck“, vervollständigte er den Satz für mich, „Wie gesagt, bei so‘nen Beträgen kann ich mit n paar Unsicherheiten leben.“
Ich verkniff mir eine Antwort und konzentrierte mich lieber darauf die Straße zu erwischen, auf die ich in diesem Moment schlitternd einbog. Ich hatte die Kurve kaum ganz genommen, als ich auch schon Scheinwerfer im Seitenspiegel erblickte. Sie waren noch weit entfernt, doch wahrscheinlich nah genug, damit ihre Insassen die quietschenden Reifen und die Wolke aus Dreck, die ich hinter mir hergezogen hatte, registrieren konnten. Ich hatte gehofft, dass das Ausschalten der Lichter ausreichen würde um unsere Verfolger abzuschütteln, doch es gab in den Scavarn Heights leider keine große Auswahl an möglichen Routen, was das Aufspüren eher simpel gestaltete.
„Sie hängen an uns dran“, sprach in das Mikro an meinem Hemdkragen.
Hoffentlich war wenigstens Garrys Empfänger noch intakt.
„Der wird nich viel machen können“, sagte Orvik und lud seelenruhig neue Patronen in seine Revolvertrommel.
Der Wald wurde die Hügel hinab immer dichter und bot einem zusammen mit der kurvigen Straße nur ein sehr eingeschränktes Sichtfeld.
Da man uns ohnehin entdeckt hatte, konnte ich ruhigen Gewissens die Scheinwerfer einschalten und beschloss aufgrund der besseren Sichtverhältnisse noch ein wenig zu beschleunigen.
Zum Röhren des Motors gesellte sich ein seltsames Knirschen, das vom Heckfenster zu kommen schien. Gerade als ich dachte, dass man uns unter Beschuss genommen hatte, sah ich im Rückspiegel, wie Orvik auf die Heckscheibe eintrat und sie schließlich aus der Verankerung hebelte. Das Sicherheitsglas splitterte nicht. Stattdessen landete eine mir Scherben übersäte Folie auf der Fahrbahn und Orvik nutzte das entstandene Loch im Heck des Wagens, um unsere Verfolger unter Beschuss zu nehmen.
„Hast du sie noch alle?“, rief ich empört nach hinten.
„Entspann dich“, schnauzte Orvik und feuerte einen Schuss ab, der einen Scheinwerfer des anderen Wagens ausschaltete.
Er hatte eigentlich Recht. Mit bewaffneten Verfolgern und gestohlenen Geldkassetten auf dem Sitz neben mir war eine kaputte Heckscheibe das kleinste unserer Probleme.
Die Straße war deutlich schlechter intakt als ich vermutet hatte und die nächste Weggabelung erwischte ich nur knapp, da mich ein Schlagloch überraschte. Orvik machte einen Satz auf der Rückbank und musste sich gegen das Dach stemmen, um nicht aus dem Wagen zu fallen. Der kurzen Erschütterung folgte ein weiterer Rüttler, als ich den hölzernen Wegweiser mitnahm, der in der Mitte der Weggabelung aufgestellt war.
Während ich damit kämpfte, die linke Seite des Wagens nicht an den Straßengraben zu verlieren, fing der Motor an unschön zu stottern, da er mir das mit dem Wegweiser vermutlich übel nahm.
Orvik hatte unterdessen sein Sperrfeuer wieder aufgenommen und unsere Verfolger jetzt auch ihrer zweiten Lichtquelle beraubt. Im Gegensatz zu uns schienen sie an ihrer Scheibe zu hängen und lehnten sich stattdessen aus den Seitenfenstern, um das Feuer zu erwidern.
„Danke, sowas hilft“, motzte Orvik mit unüberhörbarem Sarkasmus.
Seine Revolvertrommel war ein weiteres Mal leer geschossen und er lud sie laut schnaufend nach.
„Leck mich“, fluchte ich und bekam den Wagen endlich wieder in eine stabile Lage.
„Garry, wir nehmen die nördliche Route runter in die Hallard Plains“, informierte ich unseren Scharfschützen und hoffte inständig, dass er die Nachricht bekam, da der Nutzen unseres Fluchtwagens mit jeder Minute schwand.
„Und was machen wir, wenn wir da unten sind?“, fragte Orvik.
Er hatte Recht. Selbst wenn Garry dort unten ein freies Schussfeld hätte, war er immer noch zu Fuß und wir entfernten uns mit jeder Minute weiter von ihm.
Es war also übertrieben zu sagen, dass ich einen Plan hatte, aber irgendwo hin mussten wir ja flüchten.
Den nächsten Kilometer verbrachten ich und Orvik hauptsächlich damit zu uns gegenseitig die Schuld an unserer Lage zuzuschieben, aber den Teil kennt ihr ja schon.