Читать книгу Geniales Essen - Max Lugavere - Страница 26
Geistige Gesundheit aus der Membran
ОглавлениеDer Begriff „exekutive Funktionen” wird für eine breit gefächerte Kategorie wichtiger kognitiver Prozesse verwendet, die von einer gesunden Funktion der Neurotransmitter abhängen. Im Wesentlichen bedeutet das, dass die „exekutiven Funktionen” uns dabei helfen, „Dinge zu erledigen“ und für das Planen, Treffen von Entscheidungen und für die Selbstkontrolle benötigt werden. In unserem alltäglichen Leben spielen sie eine so große Rolle, dass Wissenschaftler davon ausgehen, dass sie für Erfolg von größerer Bedeutung sind als der IQ oder angeborene akademische Begabung.20
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wird häufig als eine Störung der „exekutiven Funktionen” beschrieben. Während das „Problem“ mit ADHS eher eine Konsequenz dessen ist, dass auf Neuheiten und Entdeckungen eingestellte Gehirne auf Jobroutinen und gleichgeschaltete Ausbildung stoßen, wird in der wissenschaftlichen Forschung die potenzielle Rolle, die Fette aus der Ernährung für die Optimierung der kognitiven Funktionen spielen, unterstrichen.
In einer Studie der University of North Carolina aus dem Jahr 2013 wurden die kognitiven Fähigkeiten von Kindern mit einer Momentaufnahme ihrer jeweiligen Ernährung verglichen. Die Kinder, die weniger Omega-6-Fettsäuren konsumierten, schnitten bei Tests ihres Arbeitsgedächtnisses und ihrer exekutiven Fähigkeiten deutlich besser ab. Die Forscher schrieben, dass die Exekutiven Funktionen scheinbar besonders durch ein ungleiches Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren beeinflusst werden.21 Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, gibt sie keinen Beweis, dass es tatsächlich so ist, doch in Versuchen hat sich tatsächlich herausgestellt, dass sich die Aufmerksamkeit sowohl von Kindern mit ADHS als auch die von sich durchschnittlich entwickelnden Kindern verbesserte, wenn sie Nahrungsergänzungsmittel für Omega-3-Fettsäuren einnahmen.22
Welche Bedeutung haben diese Erkenntnisse über die Kindheit hinaus? Eine Studie der Charité in Berlin könnte Licht auf die Sache werfen.23 Kognitiv normalen Erwachsenen wurden täglich Nahrungsergänzungsmittel für Omega-3-Fettsäuren verabreicht, die 1320 mg EPA und 880 mg DHA enthielten. Sechsundzwanzig Wochen später wurden die kognitiven Fähigkeiten der Studienteilnehmer getestet. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die „exekutiven Funktionen” der Studienteilnehmer, welche die Omega-3-Nahrungsergänzungsmittel eingenommen hatten, verglichen mit den Teilnehmern aus einer Placebo-Gruppe um 26 % verbessert waren. Außerdem war ein Anstieg des Volumens ihrer grauen Masse zu beobachten, sowie eine verbesserte strukturelle Integrität ihrer weißen Masse. Die weiße Masse kann man sich als Autobahnnetz des Gehirns vorstellen, das es ermöglicht, Daten zwischen den verschiedenen Regionen auf der Schnellspur zu übermitteln. In besagter Studie schienen die Omega-3-Nahrungsergänzungsmittel wie ein infrastrukturelles Verstärkungsteam zu wirken, das Schlaglöcher beseitigt und sogar für zusätzliche Fahrspuren sorgt, während in der Placebo-Gruppe ein subtiler Rückgang der Kognition zu beobachten war, passend zu typischen Alterungserscheinungen.
Die positiven Auswirkungen auf das persönliche und berufliche Leben sind potenziell schon Grund genug, um für ein optimales Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren zu sorgen, aber könnte dies auch den 450 Millionen Menschen weltweit helfen, die unter einer geistigen Erkrankung leiden? Diese Frage stellten sich Wissenschaftler der University of Melbourne, als sie Menschen im Teenageralter und in den frühen Zwanzigern, die eine Vorgeschichte psychotischer Symptome hatten, täglich eine Dosis Fischöl verabreichten. (Fischöl als präventive oder therapeutische Maßnahme einzusetzen ist auch daher ansprechend, weil es nicht mit demselben Stigma behaftet ist wie antipsychotische Medikamente.)
Die Studienteilnehmer bekamen täglich 700 mg EPA und 480 mg DHA verabreicht. In einem Zeitraum von 3 Monaten konnten die Wissenschaftler beobachten, dass die Versuchsteilnehmer aus der Fischöl-Gruppe verglichen mit einer Placebo-Gruppe deutlich weniger psychotische Episoden hatten.24 Noch beeindruckender: Die Verbesserung der Symptome schien auch noch anzuhalten, als die Ärzte die geistige Gesundheit der Studienteilnehmer sieben Jahre später bewerteten – nur 10 % entwickelten eine umfassende psychotische Störung, verglichen mit 40 % in der Placebo-Gruppe (eine vierfache Reduktion des Risikos). Die Patienten waren außerdem deutlich funktionsfähiger und benötigten weniger Medikamente, um ihre Symptome in den Griff zu bekommen.*
Ist Fischöl das Allheilmittel für psychische Erkrankungen? Leider nein. Die aufgeführten Forschungsergebnisse bieten jedoch weitere Beweise dafür, dass unsere Ernährung nicht mehr in Harmonie zu den Bedürfnissen unserer Ernährung steht – und es kann uns deutliche Vorteile bringen, dieses Ungleichgewicht auszugleichen.
FURAN – DER SCHLÄFER DES GEHIRNS?
Der verstorbene österreichische Chemiker Gerhard Spiteller – der Erste, der die Alarmglocken bezüglich der Gefahren von industriell verarbeitetem Öl mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren läutete – machte bei der Untersuchung von Fischölen eine interessante Entdeckung. Mit seinen besonderen biochemischen Fähigkeiten stellte er fest, dass konzentrierte Quellen für Omega-3-Fettsäuren immer von einer Art Fett begleitet wurden, das als Furanfettsäuren bzw. F-Säuren bekannt ist. Diese von Algen und Pflanzen produzierten F-Säuren werden in Fischöl eingebunden, wenn Fische Algen verzehren. (Eine weitere bekannte Quelle für F-Säuren ist Butter von Bio- Weidevieh).25 Sobald sie von uns konsumiert wurden, wandern sie neben Omega-3-, Omega-6- und anderen Fettsäuren in eine Zellmembran, in der sie in der Nähe befindliche freie Radikale neutralisieren, die von mehrfach ungesättigten Fettsäuren oder anderem oxidativen Stress stammen.
Japanische Wissenschaftler hoben die Wirksamkeit der F-Säuren hervor, als sie die wirkungsvollen entzündungshemmenden Eigenschaften der neuseeländischen Grünschalenmuscheln untersuchten, gespannt darauf, mehr über die Gründe der deutlich geringeren Quoten von Arthritis in der an der Küste lebenden, Muscheln mampfenden Maori-Bevölkerung im Vergleich zu ihren im Inland lebenden Pendants zu erfahren. Als sie das F-Säure enthaltende Muschelextrakt mit dem EPA-reichen Fischöl verglichen, fanden sie heraus, dass es fast einhundert Mal wirkmächtiger war als EPA, wenn es um die Reduktion von Entzündungen geht!
Wie bekommen F-Säuren das hin? Sie enthalten eine sogenannte Resonanzstruktur. Resonanzstruktur hört sich an wie ein Kristall, der ein Lichtschwert oder die Rüstung von Iron Man mit Energie versorgt, ist in Realität aber noch viel cooler: Diese chemischen Feuerwehrleute setzen freie Radikale außer Gefecht und stabilisieren sich dann selbst, um die zerstörerische Kettenreaktion zu beenden. Das machen sie ziemlich gut. Bei F-Säure könnte es sich um die stillen Schutzengel-Moleküle handeln, die freie Radikale chefmäßig fertigmachen und dann den Omega-3-Fettsäuren die Lorbeeren überlassen.
Aber lassen Sie uns einen Moment innehalten, bevor wir versuchen, F-Säuren zum nächsten großen Nahrungsergänzungsmitteltrend zu machen. Die Entdeckung dieser wohltätigen Bekämpfer freier Radikale ist ein Argument, das dagegen spricht zu versuchen, vollwertige Lebensmittel in ihre individuellen Mikronährstoffe herunterzubrechen. Wir und unsere Lebensmittel haben den Prozess der Koevolution durchschritten und der Versuch, unsere unendlich komplexen Körper zu optimieren, indem wir Nährstoffe herauspicken, ist die letzte Hybris. F-Säuren sind ein gutes Beispiel dafür: Pharmaunternehmen haben versucht, immer reinere Konzentrationen von EPA aus Omega-3-Fettsäuren aus Fisch zu extrahierten, um super-potentes Fischöl zu produzieren, doch in klinischen Versuchen haben die entsprechenden Produkte nicht die erwarteten entzündungshemmenden Vorteile gezeigt. Könnte das daran liegen, dass die extrem empfindlichen und doch so wirksamen Furanfettsäuren während des Herstellungsprozesses zerstört werden? Aus diesem Grund ziehen wir vollwertige Lebensmittel immer den Nahrungsergänzungsmitteln vor – selbst im Fall der Nahrungsergänzungsmittel, die wir empfehlen!